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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 32.1927, Band 1-2 (Nr. 1-54)

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Nr. 14
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https://doi.org/10.11588/diglit.6659#0331
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3 2. Jahrgang

1 927 / Nr. 14

JUGEND

DEM KÖNIGE,WAS DES KÖNIGS IST

VON RUDOLF SCHNEIDER,

Der König lag in den letzten Zügen. Er starb nicht gerne, im Grunde
empörte eü ihn, daß auch er hinüber sollte, wie jeder andere, und er
befragte den Geistlichen, der schmal und schattcnhast an seinem Lager
stand, voll Hohn: „Vermögen Sie das zu erklären?"

Der hob Blick und Hand zur Decke und wollte beginnen, aber der
König ließ ihn nicht zu Worte kommen. Er hatte die Geste bemerkt
und krächzte: „Die Wahrheit, die Wahrheit, keine Sprüche!"

Der Geistliche schwieg verletzt. Dann wars er dag Auge rundum,
um sich zu vergewissern, daß sie allein seien, und sagte formlos: „Die
Wahrheit wissen Sie doch; was sragcn Sie da lange?"

„Dag gestehen Sie jetzt?" ries der König böse, und richtete sich auf,
„jetzt zuni ersten Male — und auch jetzt nur, weil ich sterbe? Heuchler,
Lügner, Schweinehund!"

„Und Sie?" fragte der Geistliche grob. „Wir können unö die Hand
reichen. Was wollen Sie eigentlich?"

„Ich hatte einen Traum", sagte der König, und erlosch ebenso schnell,
wie er ausgeflammt war.

Der Seelsorger glaubte zu spüren, daß er wieder Oberhand bekam.
Er legte sein Gesicht in Falten und neigte das Haupt, wie er zu tun
gewöhnt war, wenn er die Beichte abnahm. „Erleichtern Sie sich,"
forderte er fromm.

„Ich will nicht sterben," rief der König, „ich will nicht sterben! Ich
befehle — —" Er öffnete die Lider weit und blickte streng umher.
Aber die Mühe war zu groß für ihn. Ehe er sich recht entfalten konnte,
versanken seine Züge in einer kläglichen Grimasse.

„Ihr Traum?" sagte der Geistliche.

Der König flüsterte: „Ich lies unter den letzten in einem Haufen.
Man trat und puffte mich. Es war eine Parade oder so was. Es
stank, und ich empfand sehr deutlich, daß man mir eine Gemeinheit
antun wollte. Da schrie ich, mein Platz sei vorne, oben —"

„Vor Gott sind ivir alle gleich," wendete der Geistliche nicht ohne
Schadenfreude ein.

„He?" Der König belebte sich eine Sekunde spöttisch; „wenn es ihn
gar nicht gibt, Ihren Gott? Denn im Traum sah ich dann, daß da,
wo der General stehen sollte, niemand stand, da war ein Loch."

„Um so schlimmer für Sie, da Sie sterben müssen", ward ihm zur
Antwort.

„Ich will nicht, ich darf nicht . . ." Angst packte den Kranken. „Mein
Volk . . ." versuchte er kurz. Er haschte nach den Händen seines
Trösters. „Mein Recht, mein Vorrecht", siel ihm ein. Die Worte
drangen wimmernd ans ihm.

„Ihr Vorrecht?" Der Geistliche kniff die Augen zusammen und
wollte antworten, doch da wurden Schritte hörbar, der Sohn des
Königs, hohe Würdenträger betraten den Raum. Sie hatten feierliche,
gespannte Züge, unter denen Neugier lauerte. Der Kronprinz blieb
am Fußende des Bettes stehen und faltete gedankenlos die Hände.
Als ec der Geste innc wurde, löste er sie und ließ die Arme nicht ohne
Mühe baumeln. Er sah fremd ans den Vater nieder, ihn beschäftigte
die nahe Zukunft. König sein!

Der Sterbende bemerkte es. Haß begann ihn zu erfüllen. „Ääh,"
machte er, „was —, wartet Ihr schon darauf, daß ich ver — *

Da erhielt er einen harten Stoß in die Seite, der ihm den Atem
nahm und ihn ganz in die Kissen wars, und als er sich trotzdem wieder

Julius Diez

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Register
Rudolf Schneider-Schelde: Dem Könige, was des Königs ist
Julius Diez: Operation
 
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