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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 32.1927, Band 1-2 (Nr. 1-54)

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Rudolf Matouschek

Der moderne Tanz

„Wieso tanzt du plötzlich so ausgezeichnet, Kitty?"
„Kunststück! Ick habe jerade hinten 'neu Krampf!"

Das £ttde der <10eit

Eine kosmische Groteske

„Meine Herren und Damen, anläßlich des
bevorstehenden Weltunterganges, der morgen
um 23 Uhr 30 Minuten stattstnden wird,
haben wir uns hier eingefunden, um uns und
der Welt ein ,Auf Nimmerwiedersehen" zuzu-
rufen. Wir sind sozusagen unsere eigenen
Begräbnisredner und werden zweifellos aus
diesem Grunde einige höchst interessante und
geistvolle Vorträge zu hören bekommen. Ich
bitte Sie aber, sich kurz zu fassen, da wir noch
Vorbereitungen zu dem morgen stattstndcndcn
Weltuntergangsball, der init dem Untergang
der Welt fein Ende stndet, zu tresten haben.
Das Wort hat Herr Professor Balzer."

„Meine Herren und Damen, >vas ich zu
sagen habe, ist schnell gesprochen. Wir haben
nicht die Berechtigung, von einem Weltunter-

von Ernst Moritz Häufig

gang zu sprechen, weil ich, wie Sie bitte im
letzten Heft der Naturwissenschaften Nachlesen
mögen, nachgewiesen habe, daß mit Sicher-
heit lediglich die Erde vom Schweife des
mörderischen Kometen getroffen wird. Für alle
anderen Planeten ist der Untergang zum min-
desten fraglich. Ob die anderen Planeten durch
die Entfernung der Erde aus dem Sonnen-
system Schaden erleiden, ist nicht zu erweisen.
Wir »vollen doch aus dem Untergang unseres
kleinen Planeten Erde keinen Weltuntergang
machen! Ich beantrage daher, die kosmische
Ueberheblichkeit, die in der Anzeige eines Welt-
untergangsballes liegt, dadurch zu mildern,
daß wir den morgigen Ball lediglich als Fest
des verlorenen Planeten feiern."

„Ueber Anträge kann nicht mehr entschieden

werden, Herr Professor Balzer. Das Wort
hat Herr Dr. Tugut."

„Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wenn ich auch nicht Naturwissenschaftler
genug bin, um beurteilen zu können, ob die
ganze Welt oder bloß das Planetensystem oder
nur die Erde untergeht, —- das jedenfalls steht
fest, daß die Erde viel, viel zu früh untergeht.
In der Tat ist die Erziehung des Menschen-
geschlechtes noch lange nicht so weit gediehen,
daß man sagen könnte, die Menschen hätten
moralisch — vom Aesthetischen will ich ab-
sehen — ihren Höhepunkt erreicht. Die Men-
schen sind seit den Tagen deS HunnenkönigS
und des Weltkrieges am Anfang des 20. Jahr-
hunderts nicht um ein I-Tüpfelchen bester ge-
»vorden. Ich bedaure daher diesen allzu frühen
Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwi-
schen Erde und Gottheit und spreche meine
Entrüstung darüber aus, daß Sie den Welt-
untergang durch einen Ball feiern wollen."

„Das Wort hat Herr Dr. Schnupfen."

„Verehrte Polterabendleute! Im Gegensatz
zu meinem Herrn Vorredner bin ich der An-
sicht, daß die Welt eigentlich schon längst hätte
untergehen müssen. Der morgige Termin er-
scheint mir reichlich spät. Ich meine nämlich,
daß die Menschen nicht erzogen werden
können und daß darum diese Welt schon
längst von einem vecanttvortungSvoll empfin-
denden Welturheber hätte aufgehoben werden
müssen. Denken Sie doch bloß einmal an, daß
die Menschheit es bis heute noch nicht fertig
gebracht hat, die Hunde ohne Maulkorb her-
umlaufen zu lasten. Ja, Sie lachen darüber.
Ich würde Ihnen gern erklären, wieso gerade
diese Maßnahme die ganze moralische Minder-
wertigkeit der Menschen zeigt. Aber ich ver-
zichte darauf, vor Ihnen mit Logik zu glänzen,
denn ich stnde, »vir haben keine Zeit mehr, uns
mit Spitzstndigkeiten zu befassen."

„Das Wort hat Frau Dr. Mucklich."

„Meine Damen, meine Herren. Zu meinem
großen Bedauern hat sich bis zum jüngsten
Tag, als »velchen wir den morgigen anzu-
sprechen haben, nichts daran geändert, daß die
Frauen nach den Männern kommen. So
zum Beispiel in der Reihenfolge der Redner
heute abend. Schon im grauen Altertum ..."

„Gestatten Sie, daß ich unterbreche. Wir
wollen weder vom grauen Altertum noch von
der längst geklärten Frauenfrage hier etwas
ivissen. Darf ich Sie, Frau Dr. Mucklich,
deshalb darum bitten, zur Sache zu reden."

„Meine Damen, angesichts dieser ungeheuer-
lichen Vergewaltigung meiner Redefreiheit
verzichte ich daraus, Ihnen die hochinteressan-
ten Hypothesen, die das graue Altertum über
das Weltende erfand, vorzutragen, und gebe
dem Herrn Vorsitzenden unter Protest gegen
seine Geschäftsführung die Erklärung ab, daß
er nicht der geeignete Mann ist, um eine
Weltuntergangssitzung richtig zu leiten."

„Ihre Erklärung, Frau Dr. Mucklich,
nehme ich an, darf aber hinzusetzcn, daß sie
überstüssig ist, da die Welt auch ohne Eie
untergehen wird und Sie nicht die Persönlich-
keit sind, um unsere vorbereitende Trauerfeier
zu stören. Das Wort hat Herr Abgeordneter
Luchs." (Fortsetzung Seite 970)

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Ernst Moritz Häufig: Das Ende der Welt
Rudolf Matouschek: Der moderne Tanz
 
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