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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 32.1927, Band 1-2 (Nr. 1-54)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6659#1049
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„Vielleicht dann."

Und damit war auch der Wurstel erledigt.
Die Augen Joö glänzten metallisch, als sic
den Wurstel fallen ließ. Rene hatte ein feines
Lächeln. War cS am Ende das Lächeln der
Rache? Hatte ihm nicht zuvor die Frau ein
Werkspielzeug entwunden? Ich verstand den
Mann sehr gut, so wie ich vorhin die Frau
verstanden hatte. Es war ein Standpunkt.
Dagegen war nichts zu sagen. Aber um
Gottes willen, die Menschen hatten so viele
und so richtige Standpunkte, daß ihnen kein
Platz mehr für das Leben übrig blieb. Ich
mußte ihnen helfen, zurückzufinden. Da war
ein Puppentheater. Ein großer Wald war
als Prospekt gemalt. Hänsel und Gretcl
standen da. Aus dem Pfcsfcrkuchenhäuschen
steckte die Hexe ihre lange Nase. „Wie war'
es damit?"

Gleich >var das Ehepaar wieder in einer
Front. „Unmöglich. — Erhitzung der Phan-
tasie. — Blödsinn, den Kindern Märchen zu
versetzen, sie in eine Welt des Aberglaubens,
des Nichtwissens zurückzustoßen. — Das
Drauma, ans Furcht vor Hexen und Unholden
erzeugt. — Die Psyche entzwei geknickt. —
lind Marionetten? Erziehung zur Romantik!
Zur Flucht aus dem Leben! — Man sieht,
du hast keine Kinder, du weißt nicht, wie leicht
jie vergiftet werden können."

Selbstverständlich. Sie hakten wieder etwas
lvie Recht. Aber wenn man immer Recht
hat, kriegt mau am Ende nicht Unrecht?

Der Verkäufer unterbrach und zeigte auf
einen neben dem Puppentheater stehenden Kauf-
mannsladen, entzückend in seiner Sauberkeit,
mit seinen vielen beschriebenen Lädchen, der
Wage aus dem Derkaufspult, der Glocke an
der Dür. Die beiden sahen kurz hin und
antworteten noch kürzer. Nur ein Work.

„Unmöglich." Aus einem Mund.

„Sehe ich nicht ein", beharrte eigensinnig
der Verkäufer. „Welche Gefahren sollen aus
einem Delikatessengeschäft auf ein Kind
stürmen?"

„Das ist es eben. Haben Sic ctivas vom
sozialen Anschluß gehört? Wissen Sie, daß
die meisten Menschen daran zugrunde gehen,
daß sic den sozialen Anschluß versäumt haben?
Sie sind in eine falsche Bahn gelenkt, sind
isoliert worden. Grund: Eine verfehlte Er-
ziehung. Jucht auö Hochmut sind wir gegen
den Kaufmannsladen, sondern wir wollen
bloß in dem armen Kind keine falschen Illu-
sionen wecken. Es soll die Ncöglichkeit des
sozialen Anschlusses haben."

„Gut", sagte ich jetzt. Ich teilte auch diesen
Standpunkt mit ihnen. Aber so ging daü
nicht weiter, daß einem die Standpunkte die
Luft zum Atmen nahmen. Ich versuchte
Rettung. „Da die Sache so ist und das Kind
doch mit ctivas spielen soll, versuchen wir cS
mit etwas Einfachem."

„Welches Einfache meinst du?" fragte Frau
Io. „Wächst nicht mit der äußeren Simpli-
zität die innere Komplizität?"

„Das mag schon sein. Ich möchte eine
solche Frage nur nicht im Spielzeugladen ent-
scheiden. ^fch glaube — ein Ball —Mehr
konnte ich nicht sagen.

Fe. Henbner

„Nu, lassen Se sich raten, Herr Petrus, nehmen Se n Lautsprecher mit Verstärker, bei
dem Krach auf Erden hört ihr ,Friede auf Erden" sonst doch keen Mensch."

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Friedrich (Fritz) Heubner: Zeichnung ohne Titel
 
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