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3 2. Jahrgang
19 2 7
Nr. 51
DER FUCHS
VON OTTO ZOFF
Die zwei Bauern sind nach nicht hundert Schritte van ihren Häusern
sorkgewandert, durch den weichen tiefen Schnee, — da liegt ihnen ein
Fuchs im Weg. Beide entdecken ihn im gleichen Augenblick. Mit einem
Satz ifi jeder dort; der kleine Hiers um eine Sekunde früher, und er
hält sich nun schlau und dicht heran. Ja, eö ist ein toter Fuchs,
erfroren und hingestrcckt in einen ewigen Winter, — wer weiß: vielleicht
verhungert. Er liegt da, seltsam lang, die lüsterne zarte Schnauze
hingebcttet, und schon ohne Wildheit. Nicht anders legt sich auch der
Mensch hin, nicht anders auch der Baum, wenn die Stunde gekommen
ist. Die Wintersonne ist grau. Aber der Pelz strahlt rot und golden,
flimmert in den Schneeflocken, als wollte er den beiden die Augen
versengen. Sie beugen sich gleichzeitig, stoßen mit dem Fuß an, — es
rührt sich nichts mehr in diesem Kadaver.
„Der gehört mir!" sagt der HierS, so schnell, als ob er zuschnapptc;
und dabei schaut er bissig und schief zu dem Nachbarn hinauf, der
übergebeugt dasteht, ganz lang und nachdenklich wie immer.
Sie haben durch fünf Jahre miteinander Prozeß geführt. Soll das
nun wieder beginnen? „Tragen wir ihn zum Pfarrer; soll der ent-
scheiden", schlägt der Franz vor, mit leiser Stimme.
Der Pfarrer, wenn er so die Predigt hinter sich hat, da wirst er
sich am liebsten auf das schwarze Ledersofa hin, aus dessen Ecken eS
nach Behaglichkeit und Kaffee duftet, und ist voll und ganz in seinem
Sonntag drin. Liest dann gerne das Wochenblatt, schlürft dazwischen,
und mit Eifer, aus Pantoffeln in die Küche, um jeden Deckel auszu-
heben, oder um unter Fcsttagsspässen hier eine Messerspitze Salz,
dort einen Tropfen Essig hinzuzufügen, oder um schließlich einen Kost-
bissen vorwegzunehmen, schnalzend. Wie er so in der Türe sieht und
sich überlegt, ob er in der Küche bleiben oder wieder zurückgehen soll.
Wölfe
A. Mache?
3 2. Jahrgang
19 2 7
Nr. 51
DER FUCHS
VON OTTO ZOFF
Die zwei Bauern sind nach nicht hundert Schritte van ihren Häusern
sorkgewandert, durch den weichen tiefen Schnee, — da liegt ihnen ein
Fuchs im Weg. Beide entdecken ihn im gleichen Augenblick. Mit einem
Satz ifi jeder dort; der kleine Hiers um eine Sekunde früher, und er
hält sich nun schlau und dicht heran. Ja, eö ist ein toter Fuchs,
erfroren und hingestrcckt in einen ewigen Winter, — wer weiß: vielleicht
verhungert. Er liegt da, seltsam lang, die lüsterne zarte Schnauze
hingebcttet, und schon ohne Wildheit. Nicht anders legt sich auch der
Mensch hin, nicht anders auch der Baum, wenn die Stunde gekommen
ist. Die Wintersonne ist grau. Aber der Pelz strahlt rot und golden,
flimmert in den Schneeflocken, als wollte er den beiden die Augen
versengen. Sie beugen sich gleichzeitig, stoßen mit dem Fuß an, — es
rührt sich nichts mehr in diesem Kadaver.
„Der gehört mir!" sagt der HierS, so schnell, als ob er zuschnapptc;
und dabei schaut er bissig und schief zu dem Nachbarn hinauf, der
übergebeugt dasteht, ganz lang und nachdenklich wie immer.
Sie haben durch fünf Jahre miteinander Prozeß geführt. Soll das
nun wieder beginnen? „Tragen wir ihn zum Pfarrer; soll der ent-
scheiden", schlägt der Franz vor, mit leiser Stimme.
Der Pfarrer, wenn er so die Predigt hinter sich hat, da wirst er
sich am liebsten auf das schwarze Ledersofa hin, aus dessen Ecken eS
nach Behaglichkeit und Kaffee duftet, und ist voll und ganz in seinem
Sonntag drin. Liest dann gerne das Wochenblatt, schlürft dazwischen,
und mit Eifer, aus Pantoffeln in die Küche, um jeden Deckel auszu-
heben, oder um unter Fcsttagsspässen hier eine Messerspitze Salz,
dort einen Tropfen Essig hinzuzufügen, oder um schließlich einen Kost-
bissen vorwegzunehmen, schnalzend. Wie er so in der Türe sieht und
sich überlegt, ob er in der Küche bleiben oder wieder zurückgehen soll.
Wölfe
A. Mache?