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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 32.1927, Band 1-2 (Nr. 1-54)

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le lv ußße

Von Frank Arnau

Dies ist die Geschichte einer Sehnsucht,
gnädige Frau, und es ist also eine ziemlich
hostnungölose Geschichte. Sie ist einem meiner
besten Freunde passiert, obzwar wir eigentlich
im allgemeinen die hostmmgslosen Geschichten
meist — selbst erleben. Es ist damit wie mit
den schönen Frauen. So schön ist eben keine
von jenen, die unö begegnet, wie die ■— des
anderen. Und merkwürdig! Wir selbst sind
nie jener „andere", der übrigens genau das-
selbe von unö denkt.

Mein Frennd führte ein relativ sehr har-
monisches Familienleben. Er hatte zwar auch
Sorgen und ernstliche Probleme, aber mit
sechs Jahren kommt man über so vieles mit
einigen Tränen hinweg! Arg wird es ja erjt,
wenn man das Weinen zu verlernen beginnt.
Teddy war noch lange nicht so weit. Auch
hatte er eine entzückende Mama und eine
Gouvernante; die allerdings weniger reizvoll
war. Aber sehr schöne Frauen bevorzugen
ungefährliche Gouvernanten, solange sie noch
jung verheiratet sind. (Später übrigens auch.)

Wir gingen oft gemeinsam durch die Stadt,
die entzückende Mama, Teddy, sein Schwester-
chen Baby, die Gouvernante und ich. Und
vor allen Spielwarenläden machten wir Halt.
Die Stimmung der Kinder wurde dann immer
bedrohlich und schließlich erpreßten sie sich aus
den vollgepfropften Auslagen kleine Geschenke.
Daheim spielten sie freudig mit dem neuen
Spielzeug. Neues Spielzeug macht immer
Freude. Und dann kam der Streit und die
Tränen. Nämlich das ist der Abschluß fast
aller Spiele — bei den kleinen wie bei den
großen Kindern. Und bei Teddy kam es
plötzlich, mit ungeahnter Vehemenz. Das war,
als er eines Tages unvermutet entdeckte, daß
Baby Puppen besaß und er keine hatte. Er
hätte sich auch nie welche gewünscht, wenn
nicht Baby .. . Man entdeckt das Fehlen
glückverheißender Dinge ja stets nur dadurch,
daß andere sie besitzen. Teddy wollte also auch
Puppen haben. Zuerst nur eine, nur eine
einzige. Aber kaum war der Anfang gemacht,
so begehrte er immer mehr Puppen. Man
kann nämlich gar nicht genug Puppen besitzen
—- wenn man sechs Jahre alt ist. Mit der
Zeit schlägt das ja häustg ins Gegenteil um,
und viel später hat man dann sogar an einer
einzigen Puppe mehr als genug.

Teddy stöberte überall Puppen auf. Und
so entdeckte er auch eines Tages aus dem
Spaziergang im Schaufenster einer Teehand-
lung eine große Puppe. Sie hatte ein präch-
tiges Kleid an, ihre Hände waren alabastern,
und das zarte RosarotderWangen kontrastierte
mit einer schneeweißen Stirn, die von tief,
beinahe blauschwarz schimmerndem Haar ge-
krönt war. Teddy bettelte um die Puppe.
Wir betraten den Laden, kauften Tee und
Keks und fragten dann nach der Puppe.
„Dedaure sehr, bedaure außerordentlich —!"
sagte der Ladeninhabcr, „— aber diese Puppe
im Erker ist Dekorationsgegenstand und un-

Notwehr

„Ja, ran Gotteswillen, was ist denn mit deiner Frau los?"

„Ich habe meine gute Amalie chloroformiere, damit sie vor Weihnachten nicht mehr
stöbern und putzen kann."

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Register
Friedrich (Fritz) Heubner: Notwehr
Farnk Arnau: Die Puppe
 
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