Verkäuflich!" Teddy starrte den älteren Herrn
verwundert an. Er begriff nicht. Als Sohn
sehr reicher Eltern hat er noch nie daran zu
denken gehabt, daß eö auch — unverkäufliche
Puppen gab. Man konnte doch alle Puppen
kaufen, warum gerade diese eine nicht, die er
so sehr begehrte? Ich konnte es ihm nicht
erklären. Denn erst im Alter versteht man
sich zu einer Abfindung, zu einer Einigung mit
dem Schicksal. Die Puppe unserer Sehnsucht
ist immer jene, die man nicht haben kann . . .
Teddys Kindergeficht bebte. Ein leise aus-
stcigendeö Schluchzen drohte hervorzuquellen.
Aber mannhast unterdrückte er es. Nur die
Augen waren umstort. Das Gefichtchen war
ernst in diesem Leid, das den kleinen Buben
jählings über seine Jahre hinaus wachsen ließ.
Das unfaßbare Versagen des Verlangens
machte den kleinen Jungen zum Mann. Für
einen Augenblick nur, vielleicht, aber doch.
Don diesem Tage ab datiert Teddys Mar-
tyrium. Zunächst versuchte er eö mit Trotz.
Dann mit Kämpfen. Später doch mit ein klein
wenig Weinen. Aber die Austehnung frommte
nichts. Und schließlich wappnete er fich mit
Geduld. Geduld ist das letzte Rezept, wenn
man eine Puppe unbedingt haben will. Und
so pilgerte Teddy täglich zu dem Schaufenster
der Teehandlung, wußte cs rastiniert einzu-
richten, daß er immer wieder an dieser Spiegel-
scheibe des Ladens zur Wunschlofigkeit vorbei-
kam. lind er starrte dann mit der Inbrunst
des verwohnten Kindes nach der Puppe seiner
Sehnsucht, die so nahe und so unerreichbar
ferne war. Und seine vielen Puppen daheim
ließ er achtlos beiseite. Er löste sämtliche Flirts,
beendete alle Liaisons und krönte das Werk
durch Zertrümmerung. Er östnete die Puppen-
leiber, zerlegte ste und wühlte in ihrem Innern.
Dabei stellte er fest, daß alle Puppen inwendig
hohl find, daß sie gar kein Herz haben und
daß man bestenfalls in ihren Köpfchen etwas
sinden konnte — etwas Sägespäne oder Gips.
Aber er dachte sich bei dieser Entdeckung nichts.
Erst sehr viel später dachte er sich etwas dabei,
aber da war es längst zu spät.
Teddy führte den Kampf heroisch, aber ver-
geblich. Auch die beginnende Schulzeit änderte
nichts an seiner Liebe. Aber die Puppe war
unverkäuflich und blieb es. Teddys Eltern
waren am Verzweifeln. Und so baten sie eines
Tages einen Freund, einen Staatsminister und
Baron, für Teddy um die Puppe zu freien.
Der gewiegte Diplomat übernahm dieMistion;
aber sie scheiterte. Scheiterte, wie die meisten
diplomatischen Missionen — wenn es sich um
Puppen handelt und um alte Verkäufer. Denn
beide sind undiplomatisch im höchsten Grade.
Und so wurde Teddys Liebe zur Manie. Er
pirschte sich an sein Ideal heran, und da eS
nicht anders ging, wurde er zu einem der besten
Kunden der Teehandlung. Und so kam dann
der Augenblick, jener Augenblick, der bei keiner
Liebe auöbleibt — als die Puppe nämlich
unbewacht war. Da schlich ec sich an sie heran,
mit all der unglaublichen Vorsicht, Schlauheit
und Sehnsucht, deren nur ein Kind fähig ist,
ein Kind, das leidet und liebt. Und so erreichte
er zwischen herabgelassenen Stores und hohen
Teekisten, die so groß waren wie Schrank-
koster, seine Puppe. Und er küßte sie, küßte
sie lange, bebend, zitternd und unsagbar glück-
lich und zaghaft doch und doch auch beseligt.
Und er sog sie in sich auf, nahm von ihr restlog
(Fortsetzung Seite 1848)
F r. Gabel
Vorbeugung
„Ist an dieseni Tisch noch ein Platz frei?"
„Ein Platz noch, aber det Mä'chen nich mehr!"
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