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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 32.1927, Band 1-2 (Nr. 1-54)

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Paul Schomdorff

Praktiker.

„Geschäft isi Geschäft, — aber nur mit einem ehrlichen Partner. Ein Gauner kommt
einem zu leicht auf die Schliche."

Besitz und — gehörte mm ihr, der Puppe.
Einmal gehört jeder von nnö einer Puppe.

Teddy wurde nicht erwischt und so wieder-
holte sich daS Spiel immer nnd häusiger. llnd
da ihn eine große und echte und wahre Leiden-
schaft trieb, eine, die überdies streng verboten
war, so blühte sie reich. Blühte ... Aber die
Zeit rauschte über Teddy hinweg und über
die Puppe und über den sirengen Laden-
inhaber, die Stores und die Teekisien. Und
langsam begann sich Staub zu setzen auf alles.
Staub. Jener Staub, den man nicht fort-
wischen kann, der sich sestsrißt bis in die ver-
borgensten Faltenwürfe der Seele. Teddy sah
neue Puppen, schönere, reichere, begehrens-
wertere Puppen. Nur liebenswertere nicht.
Die Alten aber triumphierten, denn sic hatten
ja von Anfang an gesagt, eS sei eine bloße
Kinderlaune und ohne Beständigkeit. Wie es
eben die Alten stets sagen — von den Jungen,
die älter geworden sind. Und nur von ihrer
eigenen Liebe verschweigen sie eS gestistentlich,

daß sie auch ganz anders geworden ist, da
die Zeit Herr wurde über sie und über alles,
was da ist. . .

Teddy war darüber ein Mann geworden.
Er hatte alle Puppen vergessen, alle, alle —
bis auf diese einzige, die ihm nie gehören sollte
und doch immer sein war, nur sein war, und
deren erste Liebe er war, da sie seine erste
gewesen. Und diese eine Puppe ist ihm treu
geblieben. Treu geblieben — wie nur jene
Puppen treu bleiben können, die nicht unser
sind und eben deshalb ganz uns gehören und
uns nie genommen werden können, da unser
erster Kuß über ihre zarte Liebe statterte und
traumhaft das einzig wahre Leben zum
Klingen brachte . . . Das einzig wahre, das
Unwirkliche. Wie ja auch die wahre Erfüllung
nur die nie ganz vollendete ist.

Das ist die Begebenheit von Teddy und
der Puppe. Es ist die Geschichte einer Sehn-
sucht, vielleicht sogar einer jeden Sehnsucht,
gnädige Frau . ..

DIE DUMME S

Wer das Leben zu versteh'n sucht,

Wundert sich im Innern leis
lieber jene dumme Sehnsucht
Nach dem EheparadeiS.

Auch, die reichlich Vorschuß nahmen
Auf die Freuden dieser Welt,

Sagen schließlich „Ja" und „Amen",

Weil die Sehnsucht sie befällt.

Manche schämen sich der Dummheit
Und erheucheln Glück dafür;

Andre harren aus in Stummheit,

Denn sie sinden keine Tür'.

EHNSUCHT

Doch nur wenigen will's gelingest,

Durch der Scheidung enges Tor
Wieder an dag Licht zu springen.

Das ihr Auge einst verlor!

Aber nun geschieht das Wunder:

Wer sich schon gerettet weiß,

Brennt aufs neue gleich dem Zunder
Nach dem Eheparadeis!

Und mir scheint: Es muß die Rute,

M u ß die dumme Sehnsucht sein,

Da wir sonst im Uebermute
Stürmten alle Himmel ein! Beda Hafen

Heine im Jargon unserer Tage

Von Polly Tieck

I. Das Original:

Ein Jüngling liebt ein Mädchen,

Das hat einen anderen erwählt.

Der andre liebt eine andre
Und hat sich mit ihr vermählt.

Das Mädchen Heirat aus Aerger
Den ersten besten Mann,

Der ihr in den Weg gelaufen.

Der Jüngling ist übel dran.

Das ist eine alte Geschichte,

Doch bleibt sie ewig neu,
lind wem sie just passieret.

Den, bricht sie das Herz entzwei.

II. Die Uebersetzung:

Sie war sein Typ, er stog sozusagen aus sie,

Aber er war ihr zu unelegant, sie liebte den

Kommis,

Der Kommis hinwiederum dachte nur an die
Tochter vom Chef

Und heiratete auch wirklich das Rest.

Da dachte jene: „Na schön, denn nicht!"

Schminkt sich die eventuellen Tränenspuren

vom Gesicht

Und nahm den Kohlenhändler en gros, der
recht bemittelt, wenn auch nicht ganz fein war,

Worauf der Jüngling dasaß und sozusagen
völlig allein war.

Man könnte mir entgegenhalten, diese Ge-
schichte sei nicht ganz originell erdacht,

Gewiß, man hat immer solche Astären ge-
macht, —

Aber seien wir ganz ehrlich und gestehen wir

reinlich:

Wenn mir das passiert oder Ihnen — cü
bleibt immerhin peinlich!

Tragik

„Hast denn du keinen Vater, du verwahrloster
Bengel?" ^— „Nee, zweie haben mir abjeschworen,
und der richk'ge sitzt."

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Paul Schondorff: Praktiker
Erwin v. Kreibig: Tragik
Beda Hafen: Die dumme Sehnsucht
Polly Tieck: Heine im Jargon unserer Tage
 
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