oem eines
uten Morgen, buoo giorno!" sagt Doktor
Hornbostel, fröhlich mit den Fingern
beider Hände knipsend.
Das gehört zu seinen Angewohnheiten, wenn
er einem seiner Patienten auf dem weißge-
kachelten Korridor begegnet. UcbrigenS sagt
der Primarius Hornbostel niemals „Patien-
ten", sondern: „Gäste".
„Wie geruht, wie geschlafen? Und was ist'S
mit dem Thermometerchen? Siebenunddreißig
drei Zehntel? Aber reizend. Direkt ideal.
Möcht ich auch haben!"
Jawohl, so gemütlich geht cö bei uns zu ...
Ich bin mit Rosemarie die Treppe unseres
Höhen-SanatoriumS Waldruhe herunter ge-
Von Carl Marilaun
kommen. Wir werden einen kleinen Spazier-
gang machen. Was Rosemarie betrifft, so ist
sie eine junge Dame von neun Jahren. Don
diesem an sich gewiß erfreulichen Alter ent-
fallen sechs bis sieben Monate auf Waldruhe,
wo sie sich unter der Obhut unseres ausge-
zeichneten Doktors Hornbostel befindet.
Krank, aber nein, das ist sie nicht. Sie
sieht nur vielleicht etwas schmäler und blässer
als andere Kinder ihres Alters aus. Ihre
Finger, dünn und rosig durchscheinend, sind
die eines PorzellanpüppchenS. Und keinen
größeren Schrecken gibt es für Fräulein Rose-
marie, als wenn sie die nicht sehr viel älteren
Grooms von Waldruhe hinterm Rücken un-
seres Doktors für das Aufbauen eines Schnee-
manns, wovon Puppen kalte Finger bekom-
men, begeistern wollen.
„Nicht vergessen", sagt der Primarius und
prüft im Dorübergehn, ganz unauffällig, den
Puls unserer kleinen Freundin, „heute Abend
gibt es Ananasbowle. Sans alcool, selbst-
verständlich, naturellement! Werde mir ge-
statten, den Vorsitz zu führen, lade mich in
aller Form selbst ein. Auch unsere petite
Rosemarie ist schon jetzt für einen Fingerhuk
vorgemerkt!"
Von Werner Bergengruen
Wärst du, Kindchen, im Kaschubenlande,
Wärst du, Kindchen, doch bei uns geboren!
Sieh, du hättest nicht auf Heu gelegen,
Wärst auf Daunen weich gebettet worden!
Nimmer wärst du in den Stall gekommen,
Dicht am Ofen stünde warm dein Bettchen,
Der Herr Pfarrer käme selbst gelaufen.
Dich und deine Mutter zu verehren.
Kindchen, wie wir dich gekleidet hätten!
Müßtest eine Schaffellmütze tragen,
Blauen Mantel von kaschubischem Tuche,
Pelzgefüttert und mit Bänderschleifen.
Hätten dir den eig nen Gurt gegeben.
Rote Schuhchcn für die kleinen Füße,
Fest und blank mit Nägelchen beschlagen,
Kindchen, wie wir dich gekleidet hätten!
Kindchen, wie wir dich gefüttert hätten!
Früh am Morgen weißes Brot mit Honig,
Frische Butter, wunderweiches Schmorsteisch,
Mittags Gerstengrütze, gelbe Tunke,
Gänsesteisch und Kuttelsteck mit Ingwer,
Fette Wurst und goldenen Eierkuchen,
Krug um Krug das starke Bier aus Putzig.
Kindchen, wie wir dich gefüttert hätten!
klnd wie wir das Herz dir schenken wollten!
Sieh, wir alle wären fromm geworden,
Alle Knice würden sich dir beugen,
Alle Füße Himmelswege gehen.
Niemals würde eine Scheune brennen,
Sonntags nie ein trunk'ner Schädel bluten, —
Wärst du, Kindchen, im Kaschubenlande,
Wärst du, Kindchen, doch bei uns geboren!
4 rWv T/i
1059
uten Morgen, buoo giorno!" sagt Doktor
Hornbostel, fröhlich mit den Fingern
beider Hände knipsend.
Das gehört zu seinen Angewohnheiten, wenn
er einem seiner Patienten auf dem weißge-
kachelten Korridor begegnet. UcbrigenS sagt
der Primarius Hornbostel niemals „Patien-
ten", sondern: „Gäste".
„Wie geruht, wie geschlafen? Und was ist'S
mit dem Thermometerchen? Siebenunddreißig
drei Zehntel? Aber reizend. Direkt ideal.
Möcht ich auch haben!"
Jawohl, so gemütlich geht cö bei uns zu ...
Ich bin mit Rosemarie die Treppe unseres
Höhen-SanatoriumS Waldruhe herunter ge-
Von Carl Marilaun
kommen. Wir werden einen kleinen Spazier-
gang machen. Was Rosemarie betrifft, so ist
sie eine junge Dame von neun Jahren. Don
diesem an sich gewiß erfreulichen Alter ent-
fallen sechs bis sieben Monate auf Waldruhe,
wo sie sich unter der Obhut unseres ausge-
zeichneten Doktors Hornbostel befindet.
Krank, aber nein, das ist sie nicht. Sie
sieht nur vielleicht etwas schmäler und blässer
als andere Kinder ihres Alters aus. Ihre
Finger, dünn und rosig durchscheinend, sind
die eines PorzellanpüppchenS. Und keinen
größeren Schrecken gibt es für Fräulein Rose-
marie, als wenn sie die nicht sehr viel älteren
Grooms von Waldruhe hinterm Rücken un-
seres Doktors für das Aufbauen eines Schnee-
manns, wovon Puppen kalte Finger bekom-
men, begeistern wollen.
„Nicht vergessen", sagt der Primarius und
prüft im Dorübergehn, ganz unauffällig, den
Puls unserer kleinen Freundin, „heute Abend
gibt es Ananasbowle. Sans alcool, selbst-
verständlich, naturellement! Werde mir ge-
statten, den Vorsitz zu führen, lade mich in
aller Form selbst ein. Auch unsere petite
Rosemarie ist schon jetzt für einen Fingerhuk
vorgemerkt!"
Von Werner Bergengruen
Wärst du, Kindchen, im Kaschubenlande,
Wärst du, Kindchen, doch bei uns geboren!
Sieh, du hättest nicht auf Heu gelegen,
Wärst auf Daunen weich gebettet worden!
Nimmer wärst du in den Stall gekommen,
Dicht am Ofen stünde warm dein Bettchen,
Der Herr Pfarrer käme selbst gelaufen.
Dich und deine Mutter zu verehren.
Kindchen, wie wir dich gekleidet hätten!
Müßtest eine Schaffellmütze tragen,
Blauen Mantel von kaschubischem Tuche,
Pelzgefüttert und mit Bänderschleifen.
Hätten dir den eig nen Gurt gegeben.
Rote Schuhchcn für die kleinen Füße,
Fest und blank mit Nägelchen beschlagen,
Kindchen, wie wir dich gekleidet hätten!
Kindchen, wie wir dich gefüttert hätten!
Früh am Morgen weißes Brot mit Honig,
Frische Butter, wunderweiches Schmorsteisch,
Mittags Gerstengrütze, gelbe Tunke,
Gänsesteisch und Kuttelsteck mit Ingwer,
Fette Wurst und goldenen Eierkuchen,
Krug um Krug das starke Bier aus Putzig.
Kindchen, wie wir dich gefüttert hätten!
klnd wie wir das Herz dir schenken wollten!
Sieh, wir alle wären fromm geworden,
Alle Knice würden sich dir beugen,
Alle Füße Himmelswege gehen.
Niemals würde eine Scheune brennen,
Sonntags nie ein trunk'ner Schädel bluten, —
Wärst du, Kindchen, im Kaschubenlande,
Wärst du, Kindchen, doch bei uns geboren!
4 rWv T/i
1059