,,(i0eihr»achtsabertii gesucht! . .
Eine komische Geschichte von Ernst Hoferichter
Anton Saugdiegcl lebte einsam und möb-
liert, kaufte nur fertige Anzüge und aß mund-
gerecht in Büchsen zubereitete Speisen. Um-
stände und Besorgungen waren ihm verhaßt.
Um so mehr schaßte er Automaten, weil
er da nur einwersen und ziehen mußte. Und
als er sich vor drei Wochen eine Tafel Schoko-
lade herausfallen ließ, lernte er bei dieser
Gelegenheit Fräulein Franzi Reim kennen, die
falsch einwars und verkehrt auszog. Saug-
diegel war ihr behilflich. Und sie ihm auch.
So lernten sie sich nah und näher kennen . ..
Während er ihr den Automaten auöleerte,
sagte sie: „Ich verstehe Ihre Seele ... Sie
sind ein Seelenmensch .. !"-
So kam die Weihnachtszeit herangerückt.
„Das wird fein ... ! Wir Zwei — und ein
brennender Tannenbaum... !" sprach sie, —
„denn Weihnachten ist mir der schönste Tag
im Jahr... !"
„Für mich auch ... !" hauchte er und dachte
mit Grauen an die vielen Umstände und Vor-
bereitungen. Kerzenhalter, Christbaumbrettel,
Weihnachtsschnee, Bowle, Päckchen, Gram-
mophon, Silberbändchen, Seidenpapier, Tan-
nenzweige und Engelsgeläute stogen als Angst-
zustände durch sein eingeschläfertes Hirn. . .
„Diese Arbeit, diese Scherereien ... Weih-
nachten ist gut und schön. Aber ... nein, so
nicht... nie so!" Endlich, als das Fest auf
V. He.igenmoser
Warnung
„Vorsicht, Kleines! Im letzten Jahr hat sich der Autoverkehr erheblich gesteigert!"
Wochenlänge nahe gekommen war, mußte er
handeln.
Den heiligen Abend selbst zu inszenieren,
blieb auch jetzt noch Unmöglichkeit. Bekannte
und Verwandte besaß er nicht — und jede
Möglichkeit der Einladung war aussichtslos.
Da gab er im Morgenblatt ein Inserat auf:
Weihnachtsabend gesucht...!
Alleinstehender Herr sucht mit Dame
Familienanschluß an gemütlichen Weih-
nachtsabend. Finanzielle Beteiligung selbst-
verständlich. Angebote unter „Wunder-
kerzen" an die Expedition des Blattes.
-Schon des anderen Tages erhielt er
folgende Zuschrift: „P. P. Offeriere Ihnen
festlichen Weihnachtsabend in meiner Familie.
Für die nötige Feierlichkeit wird Sorge ge-
tragen. Erwarte Ihre angebotene Beisteuer
umgehend, damit ich mit den Vorbereitungen
beginnen kann. Vorheriger Besuch nicht mehr
erwünscht. Alles soll Ueberraschung werden!
Auf frohes Wiedersehen am Weihnachtsabend
und Postschecknummer IZIZII — Schiller-
straße 149/4. Josef Heuberger,
Tapezierer und Familienvater."
Anton Saugdiegel atmete auf, sang vor
Freude Koloraturen, rasierte sich gedankenlos
zweimal hintereinander, warf den Goldstschen
Trinkgeld ins Aquarium und schickte in dieser
brodelnden Stimmung sogleich zwanzig Mark
an Josef Heuberger ab:
„Franzi wird Augen machen ... Ein solches
Weihnachtsfest — wird sie noch nie erlebt
haben. Ich gönn' eS ihr von Herzen . . . !"
dachte er und als er sie am Abend traf, er-
zählte er ihr, daß entfernte Bekannte sie beide
zur Weihnachtsfeier eingeladen hätten.
Den Trumpf aller Freuden aber beab-
sichtigte Saugdiegel später auszuspielen. „Im
Glanz der Lichter will ich vor sie hintretet,
und ihr unsere Verlobung verkünden — und
alle werden vor Rührung weinen und sich aus
Teilnahme um den Hals fallen .. .!"
Und der Tag des heiligen Abends war da.
Anton bestellte am Vormittag noch einen
wasserkopfgroßen Blumenstrauß und ließ ihn
bei Heuberger, Schillerstraße i49,
Abend abgeben.
Eine Stunde vorher schon machten sie sich
auf den Weg. Sie gingen zu Fuß, um mög-
lichst lange in Vorfreuden schwelgen zu können.
Er läutete.
„Wir kommen von wegen Weihnachtsabend
gesucht... !"
„So! Aber noch zu früh ... zehn Minuten
warten .. . !" kam eö zurück wie aus einem
Kasernenhof.
„Aha, das Christkind wird vorbereitet —
Ueberraschung ... ! Setzen wir uns einstweilen
auf den Treppenabsatz ... !" klärte er seine
Franzi auf.
Durch die Türe hörten sie ein Nageln,
Schleifen, Klopfen und Fluchen. „Das Christ-
baumbrettel macht ihnen Schwierigkeiten ...!"
„Die Leute machen sich viel Arbeit — und
nur uns zuliebe. . ."
— — Dann ging die Türe auf: „So •—■
jetzt herein_! Aber Obacht geben ... ! Da
liegt eine Matratze, die mein Mann noch
fertig machen muß...!" (Forts.S.1064.)
1062
Eine komische Geschichte von Ernst Hoferichter
Anton Saugdiegcl lebte einsam und möb-
liert, kaufte nur fertige Anzüge und aß mund-
gerecht in Büchsen zubereitete Speisen. Um-
stände und Besorgungen waren ihm verhaßt.
Um so mehr schaßte er Automaten, weil
er da nur einwersen und ziehen mußte. Und
als er sich vor drei Wochen eine Tafel Schoko-
lade herausfallen ließ, lernte er bei dieser
Gelegenheit Fräulein Franzi Reim kennen, die
falsch einwars und verkehrt auszog. Saug-
diegel war ihr behilflich. Und sie ihm auch.
So lernten sie sich nah und näher kennen . ..
Während er ihr den Automaten auöleerte,
sagte sie: „Ich verstehe Ihre Seele ... Sie
sind ein Seelenmensch .. !"-
So kam die Weihnachtszeit herangerückt.
„Das wird fein ... ! Wir Zwei — und ein
brennender Tannenbaum... !" sprach sie, —
„denn Weihnachten ist mir der schönste Tag
im Jahr... !"
„Für mich auch ... !" hauchte er und dachte
mit Grauen an die vielen Umstände und Vor-
bereitungen. Kerzenhalter, Christbaumbrettel,
Weihnachtsschnee, Bowle, Päckchen, Gram-
mophon, Silberbändchen, Seidenpapier, Tan-
nenzweige und Engelsgeläute stogen als Angst-
zustände durch sein eingeschläfertes Hirn. . .
„Diese Arbeit, diese Scherereien ... Weih-
nachten ist gut und schön. Aber ... nein, so
nicht... nie so!" Endlich, als das Fest auf
V. He.igenmoser
Warnung
„Vorsicht, Kleines! Im letzten Jahr hat sich der Autoverkehr erheblich gesteigert!"
Wochenlänge nahe gekommen war, mußte er
handeln.
Den heiligen Abend selbst zu inszenieren,
blieb auch jetzt noch Unmöglichkeit. Bekannte
und Verwandte besaß er nicht — und jede
Möglichkeit der Einladung war aussichtslos.
Da gab er im Morgenblatt ein Inserat auf:
Weihnachtsabend gesucht...!
Alleinstehender Herr sucht mit Dame
Familienanschluß an gemütlichen Weih-
nachtsabend. Finanzielle Beteiligung selbst-
verständlich. Angebote unter „Wunder-
kerzen" an die Expedition des Blattes.
-Schon des anderen Tages erhielt er
folgende Zuschrift: „P. P. Offeriere Ihnen
festlichen Weihnachtsabend in meiner Familie.
Für die nötige Feierlichkeit wird Sorge ge-
tragen. Erwarte Ihre angebotene Beisteuer
umgehend, damit ich mit den Vorbereitungen
beginnen kann. Vorheriger Besuch nicht mehr
erwünscht. Alles soll Ueberraschung werden!
Auf frohes Wiedersehen am Weihnachtsabend
und Postschecknummer IZIZII — Schiller-
straße 149/4. Josef Heuberger,
Tapezierer und Familienvater."
Anton Saugdiegel atmete auf, sang vor
Freude Koloraturen, rasierte sich gedankenlos
zweimal hintereinander, warf den Goldstschen
Trinkgeld ins Aquarium und schickte in dieser
brodelnden Stimmung sogleich zwanzig Mark
an Josef Heuberger ab:
„Franzi wird Augen machen ... Ein solches
Weihnachtsfest — wird sie noch nie erlebt
haben. Ich gönn' eS ihr von Herzen . . . !"
dachte er und als er sie am Abend traf, er-
zählte er ihr, daß entfernte Bekannte sie beide
zur Weihnachtsfeier eingeladen hätten.
Den Trumpf aller Freuden aber beab-
sichtigte Saugdiegel später auszuspielen. „Im
Glanz der Lichter will ich vor sie hintretet,
und ihr unsere Verlobung verkünden — und
alle werden vor Rührung weinen und sich aus
Teilnahme um den Hals fallen .. .!"
Und der Tag des heiligen Abends war da.
Anton bestellte am Vormittag noch einen
wasserkopfgroßen Blumenstrauß und ließ ihn
bei Heuberger, Schillerstraße i49,
Abend abgeben.
Eine Stunde vorher schon machten sie sich
auf den Weg. Sie gingen zu Fuß, um mög-
lichst lange in Vorfreuden schwelgen zu können.
Er läutete.
„Wir kommen von wegen Weihnachtsabend
gesucht... !"
„So! Aber noch zu früh ... zehn Minuten
warten .. . !" kam eö zurück wie aus einem
Kasernenhof.
„Aha, das Christkind wird vorbereitet —
Ueberraschung ... ! Setzen wir uns einstweilen
auf den Treppenabsatz ... !" klärte er seine
Franzi auf.
Durch die Türe hörten sie ein Nageln,
Schleifen, Klopfen und Fluchen. „Das Christ-
baumbrettel macht ihnen Schwierigkeiten ...!"
„Die Leute machen sich viel Arbeit — und
nur uns zuliebe. . ."
— — Dann ging die Türe auf: „So •—■
jetzt herein_! Aber Obacht geben ... ! Da
liegt eine Matratze, die mein Mann noch
fertig machen muß...!" (Forts.S.1064.)
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