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Fr. fieubner

„Ist das nicht fabelhast, — ist das nicht überwältigend-?"

„Ach Gott, wissense, — wenn man drheeme selber 'ne große Eisfabrik hat-“

■clVifs Mary Browne aus Chikago hatte
goldbraune Haare, veilchenblaue Augen und
einen Mund, der nicht nur ihren Vetter Fred
zum Küssen reizte. Außerdem verfügte sie über
einen Vater, der im Besitz ungezählter Mil-
lionen war und jeden Wunsch seiner reizenden
Tochter erfüllte. Daß er ihr unter andereni
auch die Erlaubnis gegeben hatte, sich mit be-
sagtem Fred zu verloben, verzieh sie ihm un-
gern und brachte ihm schließlich die Meinung
bei, daß er sie mit Gewalt in die Ehe mit
einem ungeliebten Mann habe hineintreiben
wollen, welches Unrecht unbedingt eine Sühne
verlange.

Diese Sühne fand sich leicht. Mr. Browne
hatte sich stets mit milden Bitten einer Europa-
reise seiner geliebten Tochter widersetzk, da er
die lange Trennung fürchtete. Nun aber über-
zeugte Mary ihn ohne Schwierigkeit, daß es
seine Pflicht sei, ihr eine lange Trennung von
dem unerfreulichen Bräutigam zu ermöglichen,

Von L. von Noor

und daß ein Winteraufenthalt in Rom der
geeignetste Ausweg sei. Eine unvermögende
Verwandte übernahm die Reisebegleitung.

In dem Hotel Pincio, in dem Mary ab-
stieg, lernte Mary den Marquese von Sk.
Fiore kennen und verliebte sich in ihn. Da
Mary Amerikanerin war, berauschte sie der
Titel des jungen Mannes fast ebenso sehr wie
sein erfreuliches Aeußere. Das Benehmen des
Marquese ließ sie nicht im Zweifel über die
Berechtigung ihrer Annahme, daß sie als
römische Aristokratin durch ihr weiteres Leben
schreiten werde, und die über ihrem Haupte
schwebende Krone hob ihr an sich nicht geringes
Selbstbewußtsein. Sie begriff nicht mehr, daß
Fred jemals eine Rolle in ihrem Leben gespielt
hatte.

Ihre Liebe nahm sie nicht so in Anspruch,
daß sie darüber das Studium der römischen
Kunstdenkmälcr aus den Augen verloren hätte.
Im Gegensatz zu vielen ihrer Landsleute, die
Rom mit Leichtigkeit in drei Tagen bewältigen
und zu Hause ebenso viele Monate Wunder-
dinge davon erzählen, hatte Mary den ernsten
Vorsatz, sämtliche im Bädecker ausgeführten
Sehenswürdigkeiten gründlich zu besichtigen,
und führte diese Absicht zum Leidwesen der
Verwandten mit außergewöhnlicher Energie
durch. Außerdem sammelte sie mit mehr Eifer
als Sachkenntnis Antiquitäten und hakte schon
eine bemerkenswerte Sammlung geschickter
Fälschungen, unter denen sich aber immerhin
manches echte Stück befand, in ihrem Salon
ausgestapelt. Sie war daher Feuer und
Flamme, als ihr eines Tages eine Zeitungs-
annonce in die Hände siel, derzufolge eine
Marquesa, deren Name schamvoll verschwie-
gen war, zur Besichtigung ihrer wertvollen

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Register
Friedrich (Fritz) Heubner: Eisfabrik
L. v. Noor: Die Photographie
 
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