Kollektion von Kupferstichen anstorderte, da
ste umständehalber gezwungen sei, sich ihrer
zu entäußern.
Mary machte sich in Begleitung der unver-
mögenden Verwandten voll Spannung auf
und begab sich nach dem alten Palazzo in-
mitten der Stadt.
Beim Betreten des Gebäudes, das, jeglichen
Glanzes, der es einst geziert haben mochte,
beraubt, in einer armseligen Gasse lag, wurde
ihr klar, daß die Marquesa nicht mehr auf
den Höhen des Lebens wandelte. Geräusche
und Gerüche, wie sie den von kinderreichen,
unbemittelten Familien bewohnten Häusern,
besonders in Italien, anzuhaften pstegen,
strömten ihr aufdringlich entgegen.
Sie stieg mit ihrer Begleiterin die dunkle,
ausgetretene Treppe empor und cntzistertc
mühsam an einer Tür des dritten Stockwerkes
auf einem abgenutzten Schild das Wort Mar-
guesa. Auf ihr Klingeln östnete eine ältere
Frau. Ihr unförmig dicker Körper steckte in
einem steckigen braunen Schlafrock, unter dem
rote Plüschpantosscl hervorlugten. Das grau-
melierte Haar hing in unordentlichen Zotteln
um ein schwammiges Gesicht, das einstmals
schön gewesen sein mochte.
Die Alte komplimentierte die Gäste mit un-
angenehmer Unterwürfigkeit in ein dürftiges
Zimmer und wies aus ein paar herumliegenöe
Mappen. Sie selbst setzte sich aus einen Stuhl
an der Wand, was Mary vermuten ließ, sie
sei von der Marquesa beauftragt, darüber zu
wachen, daß keines der kostbaren Blätter ab-
handen komme.
Mary östnete eine Mappe und hatte kauin
die ersten Bilder besichtigt, als sie zu ihrem
Aerger bemerkte, daß ihr das Blut in die
Wangen stieg. Trotz ihrer mangelnden Lebens-
erfahrung kam ihr der Gedanke, daß nicht
künstlerische Zwecke die Anlage der Sammlung
veranlaßt hatten. Die Alte kam nach einiger
Zeit heran und sah Mary über die Schulter.
Plötzlich prallte daö junge Mädchen entsetzt
zurück. Sie hatte gerade rasch ein besonders
gewagtes Blatt umgeschlagen, als ihr aus der
Mappe ein Gesicht entgegensah, das wie eine
Geistererscheinung auf sie wirkte.
Und doch war es ein schönes, junges, vor-
nehmes Gesicht — ein Gesicht, das sie in den
letzten Wochen häusig gesehen, das ihre Träume
hold belebt hatte. Mary wandte sich nach
der Alten um, deren unsaubere Finger hastig
nach dem Bilde gristeu.
„Oh, entschuldigen Sic, die Photographie
uieines Sohnes ist nicht verkäusiich, sie ist
irrtümlich in diese Mappe geraten."
Ihres Sohnes! — Mary fühlte sich einer
Ohnmacht nahe bei der Entdeckung, daß die
alte Hexe die Marquesa in Person war, und
zwar nicht irgend eine Marquesa, sondern die
Mutter ihres Zukunftstrauines, des Marquese
von St. Fiore.
Sie schwieg in fassungslosem Entsetzen, und
über sie stürzten sich Kaskaden von nur halb
verständlicher Beredsamkeit, der sie immerhin
entnahm, daß die Marquesa sich von der
Sammlung ihres in Gott ruhenden Gatten
trenne, um ihrem geliebten Francesco ein
standesgemäßes Auftreten zu ermöglichen bis
zu feiner bevorstehenden Heirat mit einer
märchenhaft reichen Amerikanerin, womit dann
alle Not ein Ende habe.
Mary kaufte wahllos einige Stiche — die
später zu einer Ouelle grenzenloser Heiterkeit
für ihren Gatten wurden — und drückte der
überraschten Alten das Dreifache der gefor-
derten Summe in die Hand. Am selben Abend
zog sie in ein anderes Hotel und kehrte bald
darauf nach Chikago zurück. Dort entdeckte
sie, daß Fred, der sie beglückt und ahnungslos
in seine Arme nahm, das vorteilhafte Aeußere
eines italienischen Nobile mit soliden Eigen-
schaften verband, die diesem nach ihrer Er-
fahrung fehlten, und heiratete ihn, nachdem
sie ihrem Vater mitgeteilt hatte, daß sein
Widerstand gegen diese Ehe unberechtigt sei.
^pAommett
Nie hält sich eine Frau für klüger, als
wenn sie sagt: „dazu sind wir Frauen zu
dumm."
Erziehen kann nur, wer überzeu-
gen kann.
Kränkender als Taktlosigkeit ist
aufdringlicher Takt.
Der Ballast des Fortschritts sind die
Menschen, die viel wissen und nichts
können.
J. D. Warnken
HT| | i!!! LU-
i .. ~
„Na woaßt
Standesbewußtsein
, dös Windige von deine Taschendiebstähl' liegt mir net. I' bleib' ein el
Einbrecher!"
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ste umständehalber gezwungen sei, sich ihrer
zu entäußern.
Mary machte sich in Begleitung der unver-
mögenden Verwandten voll Spannung auf
und begab sich nach dem alten Palazzo in-
mitten der Stadt.
Beim Betreten des Gebäudes, das, jeglichen
Glanzes, der es einst geziert haben mochte,
beraubt, in einer armseligen Gasse lag, wurde
ihr klar, daß die Marquesa nicht mehr auf
den Höhen des Lebens wandelte. Geräusche
und Gerüche, wie sie den von kinderreichen,
unbemittelten Familien bewohnten Häusern,
besonders in Italien, anzuhaften pstegen,
strömten ihr aufdringlich entgegen.
Sie stieg mit ihrer Begleiterin die dunkle,
ausgetretene Treppe empor und cntzistertc
mühsam an einer Tür des dritten Stockwerkes
auf einem abgenutzten Schild das Wort Mar-
guesa. Auf ihr Klingeln östnete eine ältere
Frau. Ihr unförmig dicker Körper steckte in
einem steckigen braunen Schlafrock, unter dem
rote Plüschpantosscl hervorlugten. Das grau-
melierte Haar hing in unordentlichen Zotteln
um ein schwammiges Gesicht, das einstmals
schön gewesen sein mochte.
Die Alte komplimentierte die Gäste mit un-
angenehmer Unterwürfigkeit in ein dürftiges
Zimmer und wies aus ein paar herumliegenöe
Mappen. Sie selbst setzte sich aus einen Stuhl
an der Wand, was Mary vermuten ließ, sie
sei von der Marquesa beauftragt, darüber zu
wachen, daß keines der kostbaren Blätter ab-
handen komme.
Mary östnete eine Mappe und hatte kauin
die ersten Bilder besichtigt, als sie zu ihrem
Aerger bemerkte, daß ihr das Blut in die
Wangen stieg. Trotz ihrer mangelnden Lebens-
erfahrung kam ihr der Gedanke, daß nicht
künstlerische Zwecke die Anlage der Sammlung
veranlaßt hatten. Die Alte kam nach einiger
Zeit heran und sah Mary über die Schulter.
Plötzlich prallte daö junge Mädchen entsetzt
zurück. Sie hatte gerade rasch ein besonders
gewagtes Blatt umgeschlagen, als ihr aus der
Mappe ein Gesicht entgegensah, das wie eine
Geistererscheinung auf sie wirkte.
Und doch war es ein schönes, junges, vor-
nehmes Gesicht — ein Gesicht, das sie in den
letzten Wochen häusig gesehen, das ihre Träume
hold belebt hatte. Mary wandte sich nach
der Alten um, deren unsaubere Finger hastig
nach dem Bilde gristeu.
„Oh, entschuldigen Sic, die Photographie
uieines Sohnes ist nicht verkäusiich, sie ist
irrtümlich in diese Mappe geraten."
Ihres Sohnes! — Mary fühlte sich einer
Ohnmacht nahe bei der Entdeckung, daß die
alte Hexe die Marquesa in Person war, und
zwar nicht irgend eine Marquesa, sondern die
Mutter ihres Zukunftstrauines, des Marquese
von St. Fiore.
Sie schwieg in fassungslosem Entsetzen, und
über sie stürzten sich Kaskaden von nur halb
verständlicher Beredsamkeit, der sie immerhin
entnahm, daß die Marquesa sich von der
Sammlung ihres in Gott ruhenden Gatten
trenne, um ihrem geliebten Francesco ein
standesgemäßes Auftreten zu ermöglichen bis
zu feiner bevorstehenden Heirat mit einer
märchenhaft reichen Amerikanerin, womit dann
alle Not ein Ende habe.
Mary kaufte wahllos einige Stiche — die
später zu einer Ouelle grenzenloser Heiterkeit
für ihren Gatten wurden — und drückte der
überraschten Alten das Dreifache der gefor-
derten Summe in die Hand. Am selben Abend
zog sie in ein anderes Hotel und kehrte bald
darauf nach Chikago zurück. Dort entdeckte
sie, daß Fred, der sie beglückt und ahnungslos
in seine Arme nahm, das vorteilhafte Aeußere
eines italienischen Nobile mit soliden Eigen-
schaften verband, die diesem nach ihrer Er-
fahrung fehlten, und heiratete ihn, nachdem
sie ihrem Vater mitgeteilt hatte, daß sein
Widerstand gegen diese Ehe unberechtigt sei.
^pAommett
Nie hält sich eine Frau für klüger, als
wenn sie sagt: „dazu sind wir Frauen zu
dumm."
Erziehen kann nur, wer überzeu-
gen kann.
Kränkender als Taktlosigkeit ist
aufdringlicher Takt.
Der Ballast des Fortschritts sind die
Menschen, die viel wissen und nichts
können.
J. D. Warnken
HT| | i!!! LU-
i .. ~
„Na woaßt
Standesbewußtsein
, dös Windige von deine Taschendiebstähl' liegt mir net. I' bleib' ein el
Einbrecher!"
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