Hexensabbath
Heinrich Kley
Ein richtiger Teufel ging in der Faschings-
epidemic des Jahres 1928 richtiggehend
tanzen. Den löwenähnlichen Ouastenschwanz
verbarg er in einer Hose, natürlich in der
seinen — die freilich eine geliehene, dennoch
aber eigene war, sosern und solange er sie
ausgeborgt hatte. Geborgt kann man beinahe
nicht sagen, denn sie gehörte längst zur Familie
— obenhin geborgt also und in ihr geborgen —•
Vonseiten und vor seiner Schwiegermutter,
die rosabarchentene trägt. Sagen Sie bitte
nicht, ich sei weitschwcisig! Bedenken Sie, daß
des Teufels Schweif mir ernstlich zu schassen
macht. Solche Dinge erzählt man mit ge-
wissenhaftem Talent entweder erschöpfend
oder gar nicht. — Wie, Sic glauben nicht an
die Schwiegermutter? Da muß ich schon ver-
langen: entweder Sie goutieren die robuste
Leibhaftigkeit dieser Dame oder Sie verzichten
darauf, an irgendeine meiner Geschichten je zu
glauben. Aber das wäre ein arger Verlust
für Sie. Daß die Originalität dieser erzählten
Schwiegcrmama nicht groß ist, stcht mich
wenig an; dafür ist sie echt. Seltsam: ich ver-
sichere hier, daß Echtheit echt ist; so ist das
Leben, es näht manchmal doppelt, damit
besser hält, was versprochen ist. Schweife ich
doch —? Also weiter.
Die Hörner umhüllte er mit einem Turban.
Cie waren gutes Gabelgerüst. So litt er nicht
das Mißgeschick anderer Maharadschahs,
denen die seidengedrehte Schnecke dauernd über
die Nase rutscht.
Im übrigen hatte der Teufel (hieß es vor-
hin: ein Teufel? falsch, es war Junker
Voland selber, Beelzebub, der Diktator der
Hölle, den es wirklich gibt; warum wollen
Sie das wieder ungern hinnehmen?) — nicht
Von A. M. Frey
mit der Gefahr zu kämpfen, als waschechter
Dämon entlarvt zu werden. Maskierte Zeit
kam ihm sehr zu Hilfe. Sein Bocksgesicht
wäre aber auch sonst kaum aus dem Rahmen
gefallen, denn heutzutage, nicht wahr, ist man
satanisch und macht Geschäfte, oder man ist
überhaupt nicht.
So trat er bei mir ein: abends 8 Uhr 13;
er wartete nicht einmal Mitternacht ab —
trat ein mit glimmendem Blick, darin mehr
Sorge lag als Selbstgefühl. Er brauchte
mich, wie sich zeigte, und zwar lebendig und
nicht zerrissen.
Indes er die Basaltnägel an den Kacheln
meines Ofens zu maniküren versuchte, wag
metaphysische Wetzgeräusche (bitte, sprechen
Sie das einmal laut!) zur Folge hatte, rückte
er leicht verlegen heraus mit dem, was ihn
bedrückte: Er sei parat für den Ball. Das
Faschingsfest „Die Flucht nach Afrika" komme
ihm sehr gelegen, denn zu erwarten sei wenig-
stens tropische Hitze im Saal. Er friere leicht,
wenn das Thermophor unter 80 Grad sinke.
Das Termophor?
Jawohl, so nenne er den eigenen oorpus.
Er gehe mit der Zeit in der Benennung der
Dinge; Name und Frisur sei alles und mache
alles immer ivicder neu. Mit dem Wesent-
lichen sei bekanntlich gar nichts anzufangen;
dag bestehe von je und je halsstarrig und sei
seit Jahrmillionen olle Kamelle, hahaha! —
Ob er hoffen könne, unter anderen den Dich-
ternestor W. anzutreffen, den zu holen er
Jahrzehnte hindurch vergessen habe. Die
Zunft werde doch nicht protestieren? Un-
sterbliche Werke seien von ihm wohl kaum
noch zu erwarten?
Nicht im mindesten, cntgegnete ich, habe
man etwas dawider. — Aber das könne der
Grund seiner Stippvisite nicht sein, er beehre
doch sonst, ohne zu fragen, mit seinen irrepara-
blen Liebenswürdigkeiten, wen er nur wolle.
Allemal! betonte er und mußte halbwegs
niesen, weil er ein Kreuz, das kein richtiges
war und doch ein rechtes Kreuz ist: ein Haken-
Niggcrkänzcr
69
Heinrich Kley
Ein richtiger Teufel ging in der Faschings-
epidemic des Jahres 1928 richtiggehend
tanzen. Den löwenähnlichen Ouastenschwanz
verbarg er in einer Hose, natürlich in der
seinen — die freilich eine geliehene, dennoch
aber eigene war, sosern und solange er sie
ausgeborgt hatte. Geborgt kann man beinahe
nicht sagen, denn sie gehörte längst zur Familie
— obenhin geborgt also und in ihr geborgen —•
Vonseiten und vor seiner Schwiegermutter,
die rosabarchentene trägt. Sagen Sie bitte
nicht, ich sei weitschwcisig! Bedenken Sie, daß
des Teufels Schweif mir ernstlich zu schassen
macht. Solche Dinge erzählt man mit ge-
wissenhaftem Talent entweder erschöpfend
oder gar nicht. — Wie, Sic glauben nicht an
die Schwiegermutter? Da muß ich schon ver-
langen: entweder Sie goutieren die robuste
Leibhaftigkeit dieser Dame oder Sie verzichten
darauf, an irgendeine meiner Geschichten je zu
glauben. Aber das wäre ein arger Verlust
für Sie. Daß die Originalität dieser erzählten
Schwiegcrmama nicht groß ist, stcht mich
wenig an; dafür ist sie echt. Seltsam: ich ver-
sichere hier, daß Echtheit echt ist; so ist das
Leben, es näht manchmal doppelt, damit
besser hält, was versprochen ist. Schweife ich
doch —? Also weiter.
Die Hörner umhüllte er mit einem Turban.
Cie waren gutes Gabelgerüst. So litt er nicht
das Mißgeschick anderer Maharadschahs,
denen die seidengedrehte Schnecke dauernd über
die Nase rutscht.
Im übrigen hatte der Teufel (hieß es vor-
hin: ein Teufel? falsch, es war Junker
Voland selber, Beelzebub, der Diktator der
Hölle, den es wirklich gibt; warum wollen
Sie das wieder ungern hinnehmen?) — nicht
Von A. M. Frey
mit der Gefahr zu kämpfen, als waschechter
Dämon entlarvt zu werden. Maskierte Zeit
kam ihm sehr zu Hilfe. Sein Bocksgesicht
wäre aber auch sonst kaum aus dem Rahmen
gefallen, denn heutzutage, nicht wahr, ist man
satanisch und macht Geschäfte, oder man ist
überhaupt nicht.
So trat er bei mir ein: abends 8 Uhr 13;
er wartete nicht einmal Mitternacht ab —
trat ein mit glimmendem Blick, darin mehr
Sorge lag als Selbstgefühl. Er brauchte
mich, wie sich zeigte, und zwar lebendig und
nicht zerrissen.
Indes er die Basaltnägel an den Kacheln
meines Ofens zu maniküren versuchte, wag
metaphysische Wetzgeräusche (bitte, sprechen
Sie das einmal laut!) zur Folge hatte, rückte
er leicht verlegen heraus mit dem, was ihn
bedrückte: Er sei parat für den Ball. Das
Faschingsfest „Die Flucht nach Afrika" komme
ihm sehr gelegen, denn zu erwarten sei wenig-
stens tropische Hitze im Saal. Er friere leicht,
wenn das Thermophor unter 80 Grad sinke.
Das Termophor?
Jawohl, so nenne er den eigenen oorpus.
Er gehe mit der Zeit in der Benennung der
Dinge; Name und Frisur sei alles und mache
alles immer ivicder neu. Mit dem Wesent-
lichen sei bekanntlich gar nichts anzufangen;
dag bestehe von je und je halsstarrig und sei
seit Jahrmillionen olle Kamelle, hahaha! —
Ob er hoffen könne, unter anderen den Dich-
ternestor W. anzutreffen, den zu holen er
Jahrzehnte hindurch vergessen habe. Die
Zunft werde doch nicht protestieren? Un-
sterbliche Werke seien von ihm wohl kaum
noch zu erwarten?
Nicht im mindesten, cntgegnete ich, habe
man etwas dawider. — Aber das könne der
Grund seiner Stippvisite nicht sein, er beehre
doch sonst, ohne zu fragen, mit seinen irrepara-
blen Liebenswürdigkeiten, wen er nur wolle.
Allemal! betonte er und mußte halbwegs
niesen, weil er ein Kreuz, das kein richtiges
war und doch ein rechtes Kreuz ist: ein Haken-
Niggcrkänzcr
69