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DER DÄMONISCHE ALTPENSIONIST

Von Bruno

Der Finanzminister begrüßte die zum Ministerrate versammelten
Herren und sprach:

„Meine Herren, es ist folgendes Gesuch eingelangt:

An das Finanzministerium!

Der unterfertigte Altpensionist ersucht um einen in hundert-
zwanzig Jahren ü zwölf Monatsraten, also in iffffo Monatsraten
rückzahlbaren unverzinslichen Vorschuß auf seine AlterSpension
behufs Anschaffung eines Asten und Verjüngung des Gesuchstellers
nach dem System Doronoff. Der Unterzeichnete bedauert, dem
von ihm hochgeschätzten Grundsatz: ,Kauft inländische Waren* in
diesem Falle nicht entsprechen zu können, da es bekanntlich in
unserem Lande an Affen mangelt. Mit Rücksicht auf die immerhin
löbliche Tendenz des GcsuchstellerS und seine vorgeschrittene Ver-
kalkung hofft derselbe zuversichtlich aus eine wohlwollende Er-
ledigung seines Gesuches.

Ergebenst

Bockmeyer, Altpensionist.

Sie werden nicht mehr lachen, meine Herren," fuhr der Finanz-
minister fort, „wenn ich Ihnen den geradezu teustischen Sinn dieses
Gesuches klargemacht haben werde. Bedenken Sie folgendes: Wir
haben rund 100 ooo Pensionisten, mit einem jährlichen Zuwachs von
rund ZOOO Neupensionisten und einem jährlichen Abgang von 10 000
Köpfen, die zumeist der Gruppe der Altpensionisten entstammen, deren
Bezüge an den Erhöhungen der letzten Jahre nicht teilgenommen
haben, weil das budgetäre Gleichgewicht die genaue Einhaltung der
von uns kalkulierten Mortalität gebieterisch verlangt. Da also jähr-

Wolfgang

lieh 5000 Pensionisten hinzukommen, hingegen 10 000 Wegfällen, ver-
mindert sich der Pensionistenstand jährlich um 5000 Köpfe, so daß wir
in 20 Jahren überhaupt keine Pensionisten mehr hätten. Es wäre
vielmehr der ideale Zustand erreicht, daß die Pensionierung eines jeden
Beamten mit seinem natürlichen Tode zusammenfällt. Unser un-
geheurer PensionSetat wäre aus dem Staatshaushalte verschwunden.

Nun beachten Sie aber folgendes: Wenn sich unsere 100 000 Pen-
sionisten verjüngen lassen und etwa IZO Jahre lang leben wie
Elefanten und Krokodile, wenn sie noch etlichemale heiraten und ihre
Frauen gleichfalls verjüngen lassen, so daß diese Leute, durch keinerlei
Beschäftigung mehr gebändigt, hemmungslos Kinder zeugen, die uns
Kinderzulagen kosten, wenn, sage ich, dieser ganze Berg von Pensio-
nisten samt Zubehör niemals kleiner, sondern immer größer wird,
wenn wir in zwanzig Jahren nicht null, sondern 200 000 Pensionisten,
kurz, in nicht allzu ferner Zeit überhaupt nur noch Pensionisten haben:
Was dann, frage ich, meine Herren. Was dann? Es handelt sich um
Sein oder Nichtsein, bedenken Sie dies wohl. Denn der Staat kann
nur leben, wenn seine Bürger sterben."

Nach diesem denkwürdigen, für das Buch der Weltgeschichte be-
rechneten Ausdruck sank der Minister erschöpft in seinen Stuhl zurück.

Der Handelsminister schlug vor, ein Einfuhrverbot für Affen zu
erlassen. Darauf wurde ihm erwidert, daß die Interessenten nicht
verhindert werden könnten, ins Ausland zu fahren und das Nötige
dort besorgen zu lassen, wodurch dem Staate nur noch Steuern und
Gebühren entgingen.

Nun stellte der findige Eisenbahnminister den Antrag, die Personen-
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