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33. JAHRGANG

M O IR ID

G E N D

1928 / NR. 41

AM WÜSCHE IL IK O IP IF

VON HANS FLESCH

„Lebwohl, lebwohl! Liebster, liebsten Fedja, Fedjuschka.au,

au. Du zerdrückst mich ja!"

„Seidenhaar! Seiden—"

Da fährt schon der Zug. Ein lieber Kerl; ja, ja, Gott behüte dich,
du — auch nur für die paar Stunden —. Tatsächlich hat er mir
Falten in die Bluse gemacht mit seinen stürmischen Umarmungen, in
die einzige Bluse!

Der Wald, der liebe Wald! Der liebe Fedja! Ich liebe beide, sic
gehören irgendwie zusammen. Ram tamm tamm; ram tamm tamm ...
Bäume, frische, lebende Bäume... ich muß nur achtgeben, daß mir
der Ruß von der Lokomotive nicht die Bluse verdirbt, die einzige
Bluse. Besser, ich schließe das Fenster.

Das Publikum ist natürlich dementsprechend. Gottlob, ich habe jede
Verbindung zu dieser Zeit verloren. Neid? Höchstens, daß ich sie um
ihre Wuschclköpfe beneide. Alle tragen jetzt Wuschelköpfe, wenn sie
nur ein bißchen blond sind; aber Fedja will ja nicht, daß ich mir die
Dauerwellen mache, die mir so gut zu Gesicht stehen. Seidenhaar!
Nun, sehr gut, sehr poetisch, eigentlich ist cs mir langweilig. Und
dieses fade Hütchen ...

Wir führen eben eine Künstlermenage; wir lieben uns doch! Wie
glücklich er nur war, daß ich sofort einwilligte, die Umschreibung der
Rente zu veranlassen. Ich halte das für selbstverständlich, daß eins
dem andern hilft. Bloß, daß ich persönlich aufs Gericht muß, in den
„Hexenkessel", in die Stadt, das hat ihn gegrämt. Für ein paar
Stunden ... so ein Kind! So ein liebes Kind! ...

Schluß ists mit den Wäldern! Diese Hitze gleich, wenn man draußen
ist, ich werde schön schwitzen in der dicken Jacke und mit dem Filz-
hükchen! Da sind wir schon —

Ich hasse den Lärm und das Hin und Her von Menschen. Das
hak mich auch seinerzeit vom Theater gejagt. Weil ich keine Neben-
buhler vertragen habe? Lächerlich. Ich war ja d o ch die Schönste,
bin die Schönste. Sagt Fedja. Haben alle gesagt...

Na, das war ein harter Schlag! Ich spüre es wie eine körperliche
Uebelkeit. Ein wenig grelleres Licht, von keinem Wald beschönigt: und
alle Illusionen sind hin. Ist das inöglich, so sehe ich aus?! Pfui
Teufel, ich hasse mich; wie ich häßlich bin! Und angezogen wie eine
Kuhmagd am Sonntag. Die andern gefallen mir ja auch nicht; aber
ich, ich!! Seidenhaar... scheußlich finde ich die glatten Haare.
Eben, wenn man sich immer nur mit den Augen des Liebsten sieht!
Und in einem Wald- und Wiesenspiegel, der einen Duadratzentimetcr
groß ist... aber weiter, ich muß mich beeilen, damit ich nicht, wie
gewöhnlich, zu spät komme. Aufs Gericht. Ganz einfach, ich sehe
bloß geradeaus, nicht rechts und nicht links, dann ärgere ich mich nicht.
Nehmen wir die Straßenbahn-

Unmöglich. Ich finde die Männer brutaler und häßlicher als früher;
kein einziger hat mir seinen Platz angeboten! La Reine des Margueritcs
steht aus der hinteren Plattform einer Straßenbahn! Steht! Das ist
eigentlich bloß zum Lachen, gar nichts ist daran tragisch zu nehme».
Ich liebe Fedja. Und er liebt mich. Punktum. Künstler sind keine


Gärtnerei

M. gri f ch in nii u
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Marcel Frischmann: Gärtnerei
Hans Flesch: Mord am Wuschelkopf
 
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