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Max Slevogt (Verlag Fritz Gurlitt, Berlin) Des Künstlers Gattin

Nabobs, das weiß ich und wllßte ich. Freiwillig gefangen. Wieso
gefangen? .. . lind die Weiber sind zwar elegant, aber viel, viel zu
auffallend. Nein, ich mache die Mode nicht mit; wenn ich auch könnte,
ich würde mich niemals nach der Mode kleiden. Versteht ihr, liebe
Puppengesichter, liebe MehgerSgattinnen mit Büstenhalter und Punkt-
roller, ich verachte euch! Ihr seid Kleiderständer ohne jede Anmut; und
die Dauerwellen würden mir tausendmal besser stehen als euch. Aber
betrachten wir doch ruhig einmal die Dinge ohne Inhalt; besser so.

Heiß. Ich bin auSgcstiegen. Ich schlendere. Es ist ganz mondän,
zu schlendern; „Shopping“ ist an keine Jahreszeit gebunden. Ein kleiner
Unterschied: ich >v i I l mir gar nichts kaufen. Ich sehe mir die Sachen
einfach an, ich inspiziere. Von Neid keine Spur. Wie, der Wald wäre
vergeblich gewesen?? Denke an Fedja, Seidenhaar, Reine des Mars
gucritcsü Seidenhaar, Seidenhaar — ich habe schon eine Wut auf
den Namen. Ich will auch einen Wuschelkopf.

Für Schuhe habe ich eigentlich eine Schwäche! lind für Hüte! Ach,
dieser ekelhafte Filz, er brennt mich aus dem Kopf wie eine Dornen-
krone. Soll ich ihn abnehmen? Die Leute würden schön dreinschauen,
mitten auf der Hauptstraße! Ich bin ja ganz verrückt. Das macht die
Hitze. Db mir Fedja wenigstens treu ist? Was heißt „wenigstens"?
D, ich sterbe für Parfüms! Man soll nur einmal bedenken, was das
heißt: drei Jahre bloß mit Rau de Cologne sein Auskommen zu stnden!
Wieviel habe ich eigentlich bei mir? Jetzt, durch die Umschreibung,
kommt dock) Geld ins Haus, vortrefflich. Bloß, wenn ich anfangc mit
den Einkäufen, höre ich gar nicht mehr auf.

Lassen wir alles und biegen wir ab! Natürlich, auch die Seiten-

straßen sind voll schöner Geschäfte. Die Zeit ist verhext, kein Mann
steht mich mehr an. Die Weiber mit ihren Frisuren, mit ihren Schuh-
chen und Hütchen — ich hasse sie, ick) hasse diese Tipp-Mamsellen;
nein, ich ruiniere mir nicht meine Finger mit so einer Arbeit. Uebrigens
führe ick) ja die Wirtschaft; ich stnde, daö ist genug, >vaS ich da für
einen Maler mittleren Formates tue. Und überhaupt, ich kaufe mir
einen neuen Hut. Und ick) lasse mich auch ondulieren, niemand hat mir
Vorschriften zu machen; Zeit ist genug —

Der Friseur ist natürlich wieder toll geworden über die Dualität
meiner Haare. Wie, ist der neue Hut etwa nicht geschmackvoll? Ich
bin nun einmal eine extravagante Frau, ich bin nicht Dutzendware,
lieber Fedja. Und wenn du glaubst, du kannst mich einsperren in deinem
Wald, in diesem Kerker, irrst du dickst Liebe? Auch gut.

Aber es ist doch komisch, wie alle gucken! Hat der Kerl von Friseur
mich wieder zu übertrieben arrangiert! Drinnen, im Dunkel, war alles
schön und gut, im Dunkel vom Wald, nein, halt, von der Friseurstube,
Stubendunkel, Familienglück. Haha, wie ick, aussehe! Kutscher, acht-
gegeben, ich mustere mich in meiner Neuinszenierung!

Sie haben zu stoppen, wenn ich vor den Spiegeln paradiere.
Sie Auto ohne Chick und Charme!! — — Selber ohne Chick und
Charme, schreit mir der Spiegel zurück; denn es ist Mittag, und
man sieht alles. Alles, die Falten und den Staub auf der Jacke und
den Goldzahn und weiße Haare, weiße Haare, in dieser lächerlichen,
aufgeblasenen Mähne! Seidenhaar, das Unglück liegt in der Dualität;
das Seidige wird rasch weiß. Der Fedja hat mich weiß gemacht. Ick)
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Max Slevogt: Des Künstlers Gattin
 
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