„Darf ich Ihnen vielleicht noch meine Zahnbürste anbieten?"
schrie ich.
Argwöhnisch witternd schaute die Pensionsmutter nach mir aus.
Stippe sah mich unsicher an und erwiderte zögernd:
„Es müßte allerdings eine ganz neue sein."
Mein Gelächter wurde als störend empfunden. Es zvg mir die
verachtungsvollen Blicke einer keimenden Miß und das Brauen-
gerunzel der Dame des Hauses zu. Was kümmerte mich das! Hier
ging es jetzt aufs Ganze. Ich mußte Stippe fassen, wenn auch auf
Umwegen. Laut begann ich über das mordende Klima dieses entsetz-
lichen Landes zu schimpfen, in dem gar kein Verständnis für den
tieferen Sinn einer ordentlichen Heizung zu finden sei.
Empört flüsternd übersetzte man, was ich sagte, t^uvsti Tedeschi!
Unerhört.
Stippe sah sich sichernd um und fand, daß die Chancen für ihn
standen.
„Warum sind Sic eigentlich hergekvumien, Hexr . . .?" fragte die
Hausmutter schneidend.
„Ja!" warf Stippe frech ein, „das möchte ich auch wissen. W i r
lassen uns nämlich unser Italien nicht verekeln."
Warmer Beifall folgte seinen Worten.
„Sv," sagte ich trocken. „Nun, Herr Stippe, Sie können ja ruhig
hier bleiben. Ich aber fahre morgen nach Neapel. Wollen Sic end-
lich so freundlich sein. . ."
„Neapel!" rief Stippe verklärt, „Ire—a—pel! O Traum meiner
Kinderjahre! Welch glücklicher Einfall! Ich fahre natürlich mit . . ."
„Wird mir ein Genuß sein. Dort unten brauchen wir aber keine
Wintersachen mehr. Wir können jie nach Hause schicken. Also er-
lauben Sie!"
Und ehe Stippe sich besinnen konnte, hatte ich inmitten eines
beträchtlichen Aufruhrs meine Schuhe von seinen Füßen und meine
Reisedecke von seinen Knien entfernt. Es >var ein Ueberfall auf mein
Eigentum, und man schrie nach der Polizei. Absolut gleichgültig.
„Ich werde mir den Tod holen, lieber Freund!" stotterte Stippe
blaß und fassungslos.
„Ausgeschlossen. Sie jind zähe. Außerdem gibt es in Neapel vor-
zügliche K rankenhäufer."
Stippe lächelte feindselig und säuselte:
„Nun, wir «vollen uns ja nicht zanken."
Draußen versicherte ich mich meines Mantels.
Natürlich erhielt ich zur selben Stunde meine Rechnung mit der
Aufforderung, die Pension baldmöglichst zu verlaßen. Auch soll am
nächsten Tage im „Corriere" eine Notiz über das unglaubliche Beneh-
men der Deutschen gestanden haben. Alles gleichgültig, denn ich >var
Stippe los.
Täuschung. Am nächsten Tage saß er schweigsam und fröstelnd
mir gegenüber im Abteil. Diese StippeS verfügen über eine über-
raschende Menschenkenntnis, aber diesmal >var ich ihm über. Inter-
essiert betrachtete ich diese belustigende Bestie und schaute dann fried-
lich rauchend zum Fenster hinaus. Die Schneedecke des Vesuvs lichtetr
sich hier und da, denn er ist ein heißer Berg, dagegen wirbelte in den
Tälern launiges Schneegestöber.
„Sehen Sie, He?r Stippe," sagte ich behaglich, „dieses ist nicht
immer so, denn hier hält sich die Temperatur mit südlicher Leiden-
schaft an die Grade ü b e r Null."
Stippe sah mich haßerfüllt an und lutschte an irgend etivaS. Was
wollte er eigentlich noch in meiner Nähe? Rätsel der menschlichen
Seele! Nun, er schwieg bis Neapel und verschwand dort. Ich war
ihn los.
Täuschung. Als ich mir ein Paar Handschuhe kaufte, traf ich
Stippe wieder. Anscheinend rüstete er sich zu einer Polarcrpedition.
Gute und teure Sachen hatte er erworben, dieser armselige kleine
Stippe. Auf meine teilnahmsvolle Frage, wie es ihm gehe, erwiderte
er königlich:
„Ich fahre nach Palermo, einer der heißesten Städte Südeuropas."
„Welch glücklicher Einfall!" rief ich begeistert. „Paler—mo, Traum
meiner Kindcrjahre. . ."
Selten habe ich einen Idealisten in so lächerliche Wut geraten
sehen. Ich -entfernte mich eilig, um nicht wieder Deutschland kom-
promittieren zu müssen.
i
schrie ich.
Argwöhnisch witternd schaute die Pensionsmutter nach mir aus.
Stippe sah mich unsicher an und erwiderte zögernd:
„Es müßte allerdings eine ganz neue sein."
Mein Gelächter wurde als störend empfunden. Es zvg mir die
verachtungsvollen Blicke einer keimenden Miß und das Brauen-
gerunzel der Dame des Hauses zu. Was kümmerte mich das! Hier
ging es jetzt aufs Ganze. Ich mußte Stippe fassen, wenn auch auf
Umwegen. Laut begann ich über das mordende Klima dieses entsetz-
lichen Landes zu schimpfen, in dem gar kein Verständnis für den
tieferen Sinn einer ordentlichen Heizung zu finden sei.
Empört flüsternd übersetzte man, was ich sagte, t^uvsti Tedeschi!
Unerhört.
Stippe sah sich sichernd um und fand, daß die Chancen für ihn
standen.
„Warum sind Sic eigentlich hergekvumien, Hexr . . .?" fragte die
Hausmutter schneidend.
„Ja!" warf Stippe frech ein, „das möchte ich auch wissen. W i r
lassen uns nämlich unser Italien nicht verekeln."
Warmer Beifall folgte seinen Worten.
„Sv," sagte ich trocken. „Nun, Herr Stippe, Sie können ja ruhig
hier bleiben. Ich aber fahre morgen nach Neapel. Wollen Sic end-
lich so freundlich sein. . ."
„Neapel!" rief Stippe verklärt, „Ire—a—pel! O Traum meiner
Kinderjahre! Welch glücklicher Einfall! Ich fahre natürlich mit . . ."
„Wird mir ein Genuß sein. Dort unten brauchen wir aber keine
Wintersachen mehr. Wir können jie nach Hause schicken. Also er-
lauben Sie!"
Und ehe Stippe sich besinnen konnte, hatte ich inmitten eines
beträchtlichen Aufruhrs meine Schuhe von seinen Füßen und meine
Reisedecke von seinen Knien entfernt. Es >var ein Ueberfall auf mein
Eigentum, und man schrie nach der Polizei. Absolut gleichgültig.
„Ich werde mir den Tod holen, lieber Freund!" stotterte Stippe
blaß und fassungslos.
„Ausgeschlossen. Sie jind zähe. Außerdem gibt es in Neapel vor-
zügliche K rankenhäufer."
Stippe lächelte feindselig und säuselte:
„Nun, wir «vollen uns ja nicht zanken."
Draußen versicherte ich mich meines Mantels.
Natürlich erhielt ich zur selben Stunde meine Rechnung mit der
Aufforderung, die Pension baldmöglichst zu verlaßen. Auch soll am
nächsten Tage im „Corriere" eine Notiz über das unglaubliche Beneh-
men der Deutschen gestanden haben. Alles gleichgültig, denn ich >var
Stippe los.
Täuschung. Am nächsten Tage saß er schweigsam und fröstelnd
mir gegenüber im Abteil. Diese StippeS verfügen über eine über-
raschende Menschenkenntnis, aber diesmal >var ich ihm über. Inter-
essiert betrachtete ich diese belustigende Bestie und schaute dann fried-
lich rauchend zum Fenster hinaus. Die Schneedecke des Vesuvs lichtetr
sich hier und da, denn er ist ein heißer Berg, dagegen wirbelte in den
Tälern launiges Schneegestöber.
„Sehen Sie, He?r Stippe," sagte ich behaglich, „dieses ist nicht
immer so, denn hier hält sich die Temperatur mit südlicher Leiden-
schaft an die Grade ü b e r Null."
Stippe sah mich haßerfüllt an und lutschte an irgend etivaS. Was
wollte er eigentlich noch in meiner Nähe? Rätsel der menschlichen
Seele! Nun, er schwieg bis Neapel und verschwand dort. Ich war
ihn los.
Täuschung. Als ich mir ein Paar Handschuhe kaufte, traf ich
Stippe wieder. Anscheinend rüstete er sich zu einer Polarcrpedition.
Gute und teure Sachen hatte er erworben, dieser armselige kleine
Stippe. Auf meine teilnahmsvolle Frage, wie es ihm gehe, erwiderte
er königlich:
„Ich fahre nach Palermo, einer der heißesten Städte Südeuropas."
„Welch glücklicher Einfall!" rief ich begeistert. „Paler—mo, Traum
meiner Kindcrjahre. . ."
Selten habe ich einen Idealisten in so lächerliche Wut geraten
sehen. Ich -entfernte mich eilig, um nicht wieder Deutschland kom-
promittieren zu müssen.
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