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Von Acfiille Campanile
Auch ich habe einmal eine von jenen LicbeS-
tragödien erlebt, wie man sie alltäglich in
den Zeitungen liest; damals, als ich in ein
entzückendes Mädchen verliebt war, die eine
Musterkollektion sämtlicher guten Eigenschaf-
ten darstellte ■— bis ans einen kleinen Fehler:
sie wollte nichts von mir wissen.
Da beschloß ich, mich als Räuber zu ver-
kleiden und sie zu entführen, sssch erstand einen
kompletten Räuberanzug: Samtkittcl, >veite
Hosen aus Schaffell, Bauernsandalen, eine
rote Schärpe und ein Taschentuch, um mein
Gesicht damit zu maskieren; das unerläßliche
Zubehör nicht zu vergessen: einen Kalabreser,
hoch und schwer wie ein Zuckerhut, und eine
Donnerbüchse, die wie eine verbeulte Posaune
aussah.
f)n dieser Kleidung nahm ich vor dem Hause
Aufstellung, in welchem meine Angebetete
wohnte; aber ein Tag verging, ein zweiter,
ohne daß ich das Mädchen allein ausgehen
sah, so daß ich sie hätte rauben können.
Allmählich wurde ich müde. Stellen Sie
sich nur vor: Tag und Nacht auf demselben
Fleck zu stehen, immer acht zu geben, mitten
in der Stadt und in der unbequemen Räuber-
kleidnng, die mich den unfeinen Spässen der
Straßenjungen aussetzte; und dabei die Don-
nerbüchse im Arm und den schweren Kala-
breser auf dem Kopf, der bei jeder Bewegung
das Gleichgewicht zu verlieren drohte.
Am dritten Morgen sah ich sie endlich allein
daherkommen, und als sie in Schußweite der
Donnerbüchse war, sagte ich rauh: „Mein
Fräulein, gestatten Sie, daß ich Sie begleite?"
Aber sie gestattete nicht. „Für wen halten
Sie mich eigentlich?" gab sie empört zur
Antwort, „belästigen Sie mich nicht!"
Ach faßte ihre Hand und sang: „Wie eis-
kalt ist dies Händchen —"
Allein sie riß sich loö und ging davon, ohne
auf mich zu hören. Ich folgte ihr.
„Wenn ich sic wärmen dürfte —" setzte
ich schüchtern hinzu.
Worauf sie sich umdrehte und mir eine
Ohrfeige versetzte.
Der Kalabreser benützte diese Gelegenheit,
um zu Boden zu fallen; besinnungslos vor
Wut legte ich die Donnerbüchse auf die Treu-
lose an und —
Himmelherrgott! Der Schuß ging nicht los.
Was war geschehen?
Ein Wunder?
Nein.
Anstatt der Donnerbüchse, der ich von
Anfang an mißtraut hatte, war es diesem
Hund von einem Händler gelungen, mir eine
wirkliche Posaune anzudrehcn.
Aber jedes Ding hat zivei Seiten; ich er-
griff rasch entschlossen die Posaune und blies
auf ihr eine Arie mit soviel Schmelz und
Wehmut, daß sich nicht nur das Mädchen,
sondern auch einige Passantinnen vom Fleck
weg in mich verliebten.
<Übertrazen voll Ernst v. Csala)
Herbert Marxei
Wer Haler
» n d die Mafia
olcfie Abbild
ungen
Auflage de«
Kataloges
>igen Kunstblätter
JUGEND
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehme11
786
1928 / JUGEND Nr.49
Von Acfiille Campanile
Auch ich habe einmal eine von jenen LicbeS-
tragödien erlebt, wie man sie alltäglich in
den Zeitungen liest; damals, als ich in ein
entzückendes Mädchen verliebt war, die eine
Musterkollektion sämtlicher guten Eigenschaf-
ten darstellte ■— bis ans einen kleinen Fehler:
sie wollte nichts von mir wissen.
Da beschloß ich, mich als Räuber zu ver-
kleiden und sie zu entführen, sssch erstand einen
kompletten Räuberanzug: Samtkittcl, >veite
Hosen aus Schaffell, Bauernsandalen, eine
rote Schärpe und ein Taschentuch, um mein
Gesicht damit zu maskieren; das unerläßliche
Zubehör nicht zu vergessen: einen Kalabreser,
hoch und schwer wie ein Zuckerhut, und eine
Donnerbüchse, die wie eine verbeulte Posaune
aussah.
f)n dieser Kleidung nahm ich vor dem Hause
Aufstellung, in welchem meine Angebetete
wohnte; aber ein Tag verging, ein zweiter,
ohne daß ich das Mädchen allein ausgehen
sah, so daß ich sie hätte rauben können.
Allmählich wurde ich müde. Stellen Sie
sich nur vor: Tag und Nacht auf demselben
Fleck zu stehen, immer acht zu geben, mitten
in der Stadt und in der unbequemen Räuber-
kleidnng, die mich den unfeinen Spässen der
Straßenjungen aussetzte; und dabei die Don-
nerbüchse im Arm und den schweren Kala-
breser auf dem Kopf, der bei jeder Bewegung
das Gleichgewicht zu verlieren drohte.
Am dritten Morgen sah ich sie endlich allein
daherkommen, und als sie in Schußweite der
Donnerbüchse war, sagte ich rauh: „Mein
Fräulein, gestatten Sie, daß ich Sie begleite?"
Aber sie gestattete nicht. „Für wen halten
Sie mich eigentlich?" gab sie empört zur
Antwort, „belästigen Sie mich nicht!"
Ach faßte ihre Hand und sang: „Wie eis-
kalt ist dies Händchen —"
Allein sie riß sich loö und ging davon, ohne
auf mich zu hören. Ich folgte ihr.
„Wenn ich sic wärmen dürfte —" setzte
ich schüchtern hinzu.
Worauf sie sich umdrehte und mir eine
Ohrfeige versetzte.
Der Kalabreser benützte diese Gelegenheit,
um zu Boden zu fallen; besinnungslos vor
Wut legte ich die Donnerbüchse auf die Treu-
lose an und —
Himmelherrgott! Der Schuß ging nicht los.
Was war geschehen?
Ein Wunder?
Nein.
Anstatt der Donnerbüchse, der ich von
Anfang an mißtraut hatte, war es diesem
Hund von einem Händler gelungen, mir eine
wirkliche Posaune anzudrehcn.
Aber jedes Ding hat zivei Seiten; ich er-
griff rasch entschlossen die Posaune und blies
auf ihr eine Arie mit soviel Schmelz und
Wehmut, daß sich nicht nur das Mädchen,
sondern auch einige Passantinnen vom Fleck
weg in mich verliebten.
<Übertrazen voll Ernst v. Csala)
Herbert Marxei
Wer Haler
» n d die Mafia
olcfie Abbild
ungen
Auflage de«
Kataloges
>igen Kunstblätter
JUGEND
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehme11
786
1928 / JUGEND Nr.49