Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VON MARIA DAUT

Nein, ich habe keinen Festesjubel im Herzen. Ich gehe an den duft-
grünen Waldinseln der Stadt vorüber, und fast möchte ein wenig
Wärme aufkommen in mir: Ein Bäumchen kaufen! — — Aber ich
habe keinen Mann, dem ich das Fest bereiten könnte, — nicht zu
denken an den Jubelrausch einer Mutter — ich habe kein Kind.

Ich habe einen Geliebten, der ist gestern weggefahren, und >vir haben
schon vorher Weihnacht gefeiert. Einen Mistelzweig Hab' ich gekauft
und rote Bänder der Freude daran gebunden. Er sah schön aus,
schwebend unter meiner Lampe. Ich habe den Tisch gedeckt und heissen
Herzens meine kleinen Geschenke aufgestellt neben dem Teller mit
Gebäck und rotwangigen Aepfeln. So wie es Mutter immer macht
zu Haus. Und ich habe den schönen alten Leuchter mit fünf neuen
Lichtern geschmückt.

Wir haben den ganzen Abend in ihrem sanften Schein gesessen.

Wir haben Wein getrunken und uns geküßt. Draußen schneite es
sogar ein bißchen. Und du sagtest: „Eigentlich ist eö viel schöner,
Weihnacht zu feiern, ohne daß alle davon wissen. Ucberall weiß man:
am 2/j. Dezember, wenn eS dunkelt, zünden sie in all den vielen neben-
und übereinander geschachtelten Behausungen chren Christbaum an, die
Familie singt ein paar Lieder ab und schielt dabei auf die Geschenke.
Das löst fast einen Angstzustand aus in mir. Diese vielen Zimmer,
diese vielen Christbäume, diese vielen Münder, die sich öffnen, um
aukomatenhast das .Stille Nacht, heilige Nacht' zu singen. Eine
Schematisierung der Freude. Ja, auf einer Almhütte, verloren in
Wintereinsamkeit, den glitzernden Sternhimmel über mir, weit, unend-
lich weit, da möchte ich wohl Weihnacht halten. Und ein Bäumlein
in die Hütte bringen-."

Das saglest du, du Guter! Um mich zu trösten, nahmst du dem Fest

793
Register
Maria Daut: Vor-Weihnacht
Walter Teutsch: Nikolaus
 
Annotationen