weißem Grunde zerrieben, nicht etwa ihr zartes Grün, sondern ein
wunderschönes Ockerbraun hinterlassen, das beim Eintrocknen immer
kräftiger wird und Haltbarkeit verspricht. Noch behielt ich die Sache
sür mich und suchte nur eine Gelegenheit, um sie in großem Stil zu
erproben. Die Flächen des erneuerten Gaschofö leuchteten in reinstem
Weiß; blind hätte ich sein müssen, wenn ihre Verwendbarkeit mir
entgangen wäre. Zum Glück waren meine Rock- und Hosentaschen mit
den jungen Früchtchen bis zuin Platzen gefüllt, und schon trat ich aus
die Mauer zu, als eben zwei Bürger von Kading vorübergingen.
„Jetzt hat man eine Residenz und nicht einmal einen König darin,
eine Schand' ist so waö", hörte ich den einen sagen. — „Zerreiß dir
dein Maul nicht!" versetzte freundlich der andere, ■— „in München
droben wird jeder erschossen, der ausbegehrt!" — Mehr vernahm ich
nicht, und alles weitere geschah halb unbewußt; ich hatte plötzlich eine
Kastanie mit drei Fingern umfaßt und schrieb, mit aller Kraft auf-
drückend, unermüdlich, eine Tasche nach der anderen leerend, bis eS
endlich die ganze weiße Front entlang in Riefenbuchfiaben zu lesen
war, dieses Gebäude sei von heute an die Residenz, und ich der König
von Bayern. — „Wer aufbegehrt, wird erschossen!" — Diesen Zusatz
fand ich selbst ein wenig stark und wagte ihn auch nur mit kleinen,
schwer leserlichen Buchstaben in die Ecke zu kritzeln. Dann lief ich
in die Wohnung und fragte die Mutter, ob es nicht Staub abzu-
wischen, Teller zu spülen oder sonst etwas zu helfen gebe; ein inniger
Trieb, mich nützlich und angenehm zu machen, beherrschte mich auf
einmal. Doch zog ich auf alle Fälle mein SonntagSröckchen an. —
„Es ist nur dem König zu Ehren", erklärte ich zweideutig, als die
Mutter darüber ihre Verwunderung äußerte.
Die Tür ging auf, und schon machte ich mich aus etwas Glänzendes,
Huldigendes gefaßt; es war aber der Vater: -— „Bist du der Tropf,
der drunten die neugeweißte Mauer verschmiert?" — Er -war bleicher
als gewöhnlich; es blitzte hinter seiner Goldbrille, und gleich saß mir
eine Ohrfeige im Gesicht, die aber nicht genug Heilkraft besaß; noch
trotzte mein Herz und schrie nach bewaffneten Untertanen, die den
väterlichen Hochverräter in schwarze Verließe stießen. Er merkte dies
auch und sandte gleich eine zweite, kräftigere nach, die mich zur
Wirklichkeit bekehrte, ohne daß ich deshalb im stillen jeden Anspruch
aufgegeben hätte.
Die Hauptstrafe folgte erst; spießrutenlaufend zwischen tiefempörten,
hohnvoll sich verbeugenden, „Majestät" brüllenden Knaben und nach-
sichtig grinsenden Mädchen mußte ich quer über den breiten Markt-
platz zu dem alten Maurermeister Steinbeißer eilen und ihn anslohen,
daß er das Weiß der Wand noch am nämlichen Tag wiederherstcllc.
Diese Demütigung war erweckend genug, doch konnte sie nicht
verhüten, daß ich noch manches Jahr zwischen Herrschtrieb und
Selbsterniedrigung dahintaumelte, bis ich endlich jenes immernahe
Seelenreich entdeckte, wo Demut und Stolz vereinbar sind.
wunderschönes Ockerbraun hinterlassen, das beim Eintrocknen immer
kräftiger wird und Haltbarkeit verspricht. Noch behielt ich die Sache
sür mich und suchte nur eine Gelegenheit, um sie in großem Stil zu
erproben. Die Flächen des erneuerten Gaschofö leuchteten in reinstem
Weiß; blind hätte ich sein müssen, wenn ihre Verwendbarkeit mir
entgangen wäre. Zum Glück waren meine Rock- und Hosentaschen mit
den jungen Früchtchen bis zuin Platzen gefüllt, und schon trat ich aus
die Mauer zu, als eben zwei Bürger von Kading vorübergingen.
„Jetzt hat man eine Residenz und nicht einmal einen König darin,
eine Schand' ist so waö", hörte ich den einen sagen. — „Zerreiß dir
dein Maul nicht!" versetzte freundlich der andere, ■— „in München
droben wird jeder erschossen, der ausbegehrt!" — Mehr vernahm ich
nicht, und alles weitere geschah halb unbewußt; ich hatte plötzlich eine
Kastanie mit drei Fingern umfaßt und schrieb, mit aller Kraft auf-
drückend, unermüdlich, eine Tasche nach der anderen leerend, bis eS
endlich die ganze weiße Front entlang in Riefenbuchfiaben zu lesen
war, dieses Gebäude sei von heute an die Residenz, und ich der König
von Bayern. — „Wer aufbegehrt, wird erschossen!" — Diesen Zusatz
fand ich selbst ein wenig stark und wagte ihn auch nur mit kleinen,
schwer leserlichen Buchstaben in die Ecke zu kritzeln. Dann lief ich
in die Wohnung und fragte die Mutter, ob es nicht Staub abzu-
wischen, Teller zu spülen oder sonst etwas zu helfen gebe; ein inniger
Trieb, mich nützlich und angenehm zu machen, beherrschte mich auf
einmal. Doch zog ich auf alle Fälle mein SonntagSröckchen an. —
„Es ist nur dem König zu Ehren", erklärte ich zweideutig, als die
Mutter darüber ihre Verwunderung äußerte.
Die Tür ging auf, und schon machte ich mich aus etwas Glänzendes,
Huldigendes gefaßt; es war aber der Vater: -— „Bist du der Tropf,
der drunten die neugeweißte Mauer verschmiert?" — Er -war bleicher
als gewöhnlich; es blitzte hinter seiner Goldbrille, und gleich saß mir
eine Ohrfeige im Gesicht, die aber nicht genug Heilkraft besaß; noch
trotzte mein Herz und schrie nach bewaffneten Untertanen, die den
väterlichen Hochverräter in schwarze Verließe stießen. Er merkte dies
auch und sandte gleich eine zweite, kräftigere nach, die mich zur
Wirklichkeit bekehrte, ohne daß ich deshalb im stillen jeden Anspruch
aufgegeben hätte.
Die Hauptstrafe folgte erst; spießrutenlaufend zwischen tiefempörten,
hohnvoll sich verbeugenden, „Majestät" brüllenden Knaben und nach-
sichtig grinsenden Mädchen mußte ich quer über den breiten Markt-
platz zu dem alten Maurermeister Steinbeißer eilen und ihn anslohen,
daß er das Weiß der Wand noch am nämlichen Tag wiederherstcllc.
Diese Demütigung war erweckend genug, doch konnte sie nicht
verhüten, daß ich noch manches Jahr zwischen Herrschtrieb und
Selbsterniedrigung dahintaumelte, bis ich endlich jenes immernahe
Seelenreich entdeckte, wo Demut und Stolz vereinbar sind.