Von Wolfgang' Petzet
Auch sonst war der Staub nicht leicht zu
bekämpfen und wohl niemals ganz auszu-
tilgen. Das Schwerste aber blieb die Pflege
des Fußbodens. Die Katastrophe eines Be-
suches genagelter Schuhe brach — gottlob —
schon seit langer Zeit nicht mehr herein. Die
eigene Fußbekleidung erzeugte genügsame
Komplikationen. Es war selbstverständlich,
daß das breite und diclcnartig geräumige
Wohnzimmer, das den größten Teil des Land-
hauses einnahm, nur mit Pantoffeln betreten
werden konnte. Aber auch diese hinterließen
Spuren unliebsamer Art. Weit weniger hätten
bloße Socken geschadet. Das Begehen der
Zimmer ohne schützende Sohle war jedoch ans
anderen Erwägungen unstatthast: die Gefahr,
sich eine Nadel in die Ferse zu rennen, war
prinzipiell zu groß, wenn sie auch bei der
herrschenden Ordnung natürlich ganz aus-
gefchlosten war. Aber man bekämpft nun
einmal Unordnung an einer Stelle nicht da-
durch, daß man sie an einer anderen einrcißen
läßt. Es wäre schon das beste gewesen, in
Hausschuhen von Teppichvorlage zu Teppich-
vorlage — gleichsam von Landzunge zu Land-
zunge — über die spiegelblanken Seenarme
des Parkettfußbodens zu springen. Das Alter
erlaubte cs nicht mehr. Die Teppiche rutschten.
Wenn ein gebrochenes Bein das Aufstehen
verhinderte, würde eine Büstelherde stampfen-
der Nagelschuhe Hereinbrechen. Es mußte ein
fortlaufender Teppichdamm von der Türe zum
Schreibtisch geführt werden. Damit war aller-
dings die Frage noch nicht gelöst, wie zn den
Schränken der beiden Scitenwände zu ge-
langen wäre, was sich hin nnd wieder als
erforderlich erwies. Auch diese mittels Teppich-
bcücken dem Diagonaldamm zu verbinden,
verbot sich aus viererlei Gründen: erstens aus
Mangel an dazu erforderlichen Teppichen,
zweitens aus Mangel an den für eine Neu-
anschaffung erforderlichen finanziellen Mitteln,
drittens aus ästhetischer Rücksicht auf die
Schönheit der Parkettspiegelseenlandschaft,
für welche der nun einmal nötige Diagonal-
dannn gerade schädigend genug war, und
viertens und vor allem aus hygienischen
Gründen. Es wäre doch geradezu paradox
gewesen, hätte man die Gefahren des Staubes,
denen zu begegnen man letzten Endes die ganze
leidige Parkettbodcnpstege auf sich nehmen
mußte, hätte man nun hinwiederum um dieser
Pflege willen gerade die bekämpften Gefahren
durch Anlage neuer Staubfänger und Skaub-
bewahrer vermehren wollen. Diese gerade
noch zur rechten Zeit gekommene Einsicht in
die Paradoxie des gesamten bisherigen Ver-
haltens ließ auch den Wert des Diagonal-
dammes mehr als problematisch erscheinen.
Es blieb schlechterdings nichts anderes übrig,
als den Teppichsteig ohne Zaudern wieder
abzutragen, die wundervolle Einheit der
parkettierten Spiegelstäche wieder herznstellen,
sie jeden Tag einmal gründlich abzureiben und
zu polieren, indem man sich mit aller Vorsicht
auf den Knien von der äußersten Ecke big zu
der am entgegengesetzten Ende des Zimmers
befindlichen Türe rückwärts bewegte, — und
im übrigen den Raum zu meiden. Da die
beiden Seitenschränke sowieso unerreichbar
geworden, war das damit der Ordnung,
Sparsamkeit, Schönheit und Sauberkeit ge-
brachte Opfer schließlich nicht allzu groß.
Auch hatte das neue Verfahren das für sich,
I n t e r v i e w
Und wann befehlen Künstlerin geboren zu sein?"
812
Auch sonst war der Staub nicht leicht zu
bekämpfen und wohl niemals ganz auszu-
tilgen. Das Schwerste aber blieb die Pflege
des Fußbodens. Die Katastrophe eines Be-
suches genagelter Schuhe brach — gottlob —
schon seit langer Zeit nicht mehr herein. Die
eigene Fußbekleidung erzeugte genügsame
Komplikationen. Es war selbstverständlich,
daß das breite und diclcnartig geräumige
Wohnzimmer, das den größten Teil des Land-
hauses einnahm, nur mit Pantoffeln betreten
werden konnte. Aber auch diese hinterließen
Spuren unliebsamer Art. Weit weniger hätten
bloße Socken geschadet. Das Begehen der
Zimmer ohne schützende Sohle war jedoch ans
anderen Erwägungen unstatthast: die Gefahr,
sich eine Nadel in die Ferse zu rennen, war
prinzipiell zu groß, wenn sie auch bei der
herrschenden Ordnung natürlich ganz aus-
gefchlosten war. Aber man bekämpft nun
einmal Unordnung an einer Stelle nicht da-
durch, daß man sie an einer anderen einrcißen
läßt. Es wäre schon das beste gewesen, in
Hausschuhen von Teppichvorlage zu Teppich-
vorlage — gleichsam von Landzunge zu Land-
zunge — über die spiegelblanken Seenarme
des Parkettfußbodens zu springen. Das Alter
erlaubte cs nicht mehr. Die Teppiche rutschten.
Wenn ein gebrochenes Bein das Aufstehen
verhinderte, würde eine Büstelherde stampfen-
der Nagelschuhe Hereinbrechen. Es mußte ein
fortlaufender Teppichdamm von der Türe zum
Schreibtisch geführt werden. Damit war aller-
dings die Frage noch nicht gelöst, wie zn den
Schränken der beiden Scitenwände zu ge-
langen wäre, was sich hin nnd wieder als
erforderlich erwies. Auch diese mittels Teppich-
bcücken dem Diagonaldamm zu verbinden,
verbot sich aus viererlei Gründen: erstens aus
Mangel an dazu erforderlichen Teppichen,
zweitens aus Mangel an den für eine Neu-
anschaffung erforderlichen finanziellen Mitteln,
drittens aus ästhetischer Rücksicht auf die
Schönheit der Parkettspiegelseenlandschaft,
für welche der nun einmal nötige Diagonal-
dannn gerade schädigend genug war, und
viertens und vor allem aus hygienischen
Gründen. Es wäre doch geradezu paradox
gewesen, hätte man die Gefahren des Staubes,
denen zu begegnen man letzten Endes die ganze
leidige Parkettbodcnpstege auf sich nehmen
mußte, hätte man nun hinwiederum um dieser
Pflege willen gerade die bekämpften Gefahren
durch Anlage neuer Staubfänger und Skaub-
bewahrer vermehren wollen. Diese gerade
noch zur rechten Zeit gekommene Einsicht in
die Paradoxie des gesamten bisherigen Ver-
haltens ließ auch den Wert des Diagonal-
dammes mehr als problematisch erscheinen.
Es blieb schlechterdings nichts anderes übrig,
als den Teppichsteig ohne Zaudern wieder
abzutragen, die wundervolle Einheit der
parkettierten Spiegelstäche wieder herznstellen,
sie jeden Tag einmal gründlich abzureiben und
zu polieren, indem man sich mit aller Vorsicht
auf den Knien von der äußersten Ecke big zu
der am entgegengesetzten Ende des Zimmers
befindlichen Türe rückwärts bewegte, — und
im übrigen den Raum zu meiden. Da die
beiden Seitenschränke sowieso unerreichbar
geworden, war das damit der Ordnung,
Sparsamkeit, Schönheit und Sauberkeit ge-
brachte Opfer schließlich nicht allzu groß.
Auch hatte das neue Verfahren das für sich,
I n t e r v i e w
Und wann befehlen Künstlerin geboren zu sein?"
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