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3 3. JAHRGANG

N

19 2 8

NR. 52

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VON F L ORIAN SEI D L

Weihnacht! Es i|I ein Zauber um das Wort und ein Zauber um
die Nacht, ein Schimmer, Licht, Liebe, Güte, ein Glanz, der nicht
vergeht, von dem noch bleibt, auch wenn wir weit, weit fort jind,
weit, ivcit gewandert.

Der Baum strahlt, die Türe öffnet sich, und die Frau kommt herein,
das Kind auf dem Arm. Behaglich ist die Stube durchwärmt, das
Kind jauchzt, streckt die Aermchen nach dem Baume, sieht nicht auf die
Geschenke, die die Eltern darunter gelegt, greift nach dem Apfel, greift
nach dem Licht, und lallt, lallt. Heilige Nacht.

Das war einmal, Und ich weiß eine Nacht, nein, von ihr will ich
schweigen, da bin ich durch die Straßen der Großstadt geirrt, es
glänzten die Bäume auf, da und da, hinter den Scheiben jubelten
Kinder, einer eilt noch und trachtet nach Hanfe, leer werden die Gassen,
cg verlöschen die Lichter, der Wind heult um die Ecken, dn kommst in
die äußeren Stadtteile, einem Kanal gehst du entlang, klopfst an
Schenken und Gaststätten, sie sind verschlossen, und du bist ausgesperrt,
ohne Heim, ein Verstoßener bist dn und fühlst dag heute.

ffch erlebte Weihnacht unter fremden Völkern, mit lachenden

Menschen, und mußte inilten in der Nacht verstummen und znrück-
denkcn und mich sehnen, daß die anderen lachten: „Was hast du nur
heute? Nicht mehr zu kennen bist dn." Einmal war ich im HochgebirgS-
tal, die Wände schimmerten bläulich, Schnee, Schnee, bei jedem
Schritt sinkt der Fuß über das Knie ein. Nur weiter, immer zu. Da
oben ist eine Hütte, eine verlassene Alm, da willst du die Nacht ver-
bringen. Ferne von allen. Was sollen dir Menschen noch?

Und einmal war ich um diese Zeit am Meer, an der Nordsee, auf
einem der Znselchen, die im Watt liegen. Wenn Ebbe ist, kann man
über den festen, fast ebenen Meeresboden zur nächsten größeren 3°^!
oder auch zum Lande gehen, in zwei Stunden ist man drüben, und
wenn man eilt, kommt man noch zurück, ehe die Flut nabt und das
Jnselchen wieder absperrt. Aber man muß rechtzeitig den Heimweg
antreten und sich sputen, sonst füllen sich die Priele, die MeereSarmc,
schon mit Wasser, und während man über das Watt geht, und dag
Wasser reicht kaum bis zu den Knöcheln, ist man vielleicht schon
umschlossen, vom Lande abgetrennt, und auch von der Hallig, die da
vor dir liegt, und aus die du zuschreitest.

Wcihnachtsinarkt

Erich Bütlncr
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Florian Seidl: Stille Nacht
Erich Büttner: Weihnachtsmarkt
 
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