DIE KÖNIGE
VON GEORG BRITTING
Mit zwei Zeichnungen
Otto Nückel
V
J. Straub
j er Schnee fiel schon seit Stunden,
diek und fett und weiß, und so war
nicht zu sehen, ob es Kartoffelfelder
waren, die sich da hindehnten, ob Weizensaat
hier keimte oder junger Roggen, vielleicht waren
eg Wiesen, weil ja alles weiß war, gleichmäßig
weiß, wattebauschig weiß. Ein glanzweißeg
Dorf, nicht allzu fern, das sah aus, als habe ein großmächtiger
Maulwurf einen überschneiten Berg aufgewühlt, und vielleicht würde
er, der unsichtbare, schwarze Vierpfotenschauster, den Berg noch
höher wölben, immer höher, immer höher! Und immer noch siel
Schnee, das würde nimmer aufhören heut, morgen auch nicht, viel-
leicht übermorgen, lvenn überhaupt je.
Wahrscheinlich lief neben der Straße ein Straßengraben. Aber
zu sehen war er nicht, so war er angefüllt mit Schnee.
Drei Männer kamen die Straße daher, und eg war wunderbar
genug, daß sie immer noch die Straße unter den Füßen hatten, sie
wußten auch nicht, ob es immer noch die Straße war, vielleicht gingen
sie schon längst querfeldein. Bis an die Knie reichte ihnen der Schnee,
und besonders der schwarze Balthasar, der Neger, der plattnäsige,
kraushaarige, litt unter der Kälte, an die er nicht gewöhnt war, und
sein roter Mantel sah blutig aus und auffallend, hätte bester zum
gelben Wüstensand seiner Heimat gepaßt (wie war sie fern!), als
zu dieser weißen Winterlandschaft, aber er ging unverdrossen hinter
Kaspar und Melchior drein. Was die aushielten, ertrug er auch!
Kaspar hatte einen langen spitzen Bart, weiß wie der Schnee, und
trug einen schwarzen Mantel, der geräumig um ihn wogte, und
Melchior war bartlog und faltensrei im Gesicht, und sein Mantel
war gelb, dottergelb, und um die Hüften herausfordernd eng geschnitten.
Sie gingen im Gänsemarsch, einer trat in die Fußtapfen des andern,
und da zeigte es sich, daß der Neger die kleinsten Füße hatte von
den dreien, denn seine silbergestochtenen Schuhe hätten gut zweimal
Platz gehabt in den tiefen Gruben, die seine Vorgänger traten.
Und einmal machte es ihm Spaß, das zu versuchen, in einer Grube
Fuß vor Fuß zu setzen, Silberschuh vor Silberschuh, und so stehen
zu bleiben. Wie komisch der schwarze Mantel Kaspars sich blähte!
So gingen sie im Gänsemarsch und sahen manchmal zum Himmel
auf. Der war nicht zu sehen, nur Schnee sah man herunterfallen,
aber der Himmel war schon noch da, o ja, unerschütterlich, der
Himmel, denn sie sahen den Stern, der sie führte. Klein zwar nur,
laternenlichtklein, zartrosafarbig war der Stern, ein Sternlein nur,
winzig im schwarzgrauen Flockenfall, aber er war da, war noch da,
und führte sie.
Das Dorf, das Maulwurfsdorf, blieb auch schon zurück, und sie
VON GEORG BRITTING
Mit zwei Zeichnungen
Otto Nückel
V
J. Straub
j er Schnee fiel schon seit Stunden,
diek und fett und weiß, und so war
nicht zu sehen, ob es Kartoffelfelder
waren, die sich da hindehnten, ob Weizensaat
hier keimte oder junger Roggen, vielleicht waren
eg Wiesen, weil ja alles weiß war, gleichmäßig
weiß, wattebauschig weiß. Ein glanzweißeg
Dorf, nicht allzu fern, das sah aus, als habe ein großmächtiger
Maulwurf einen überschneiten Berg aufgewühlt, und vielleicht würde
er, der unsichtbare, schwarze Vierpfotenschauster, den Berg noch
höher wölben, immer höher, immer höher! Und immer noch siel
Schnee, das würde nimmer aufhören heut, morgen auch nicht, viel-
leicht übermorgen, lvenn überhaupt je.
Wahrscheinlich lief neben der Straße ein Straßengraben. Aber
zu sehen war er nicht, so war er angefüllt mit Schnee.
Drei Männer kamen die Straße daher, und eg war wunderbar
genug, daß sie immer noch die Straße unter den Füßen hatten, sie
wußten auch nicht, ob es immer noch die Straße war, vielleicht gingen
sie schon längst querfeldein. Bis an die Knie reichte ihnen der Schnee,
und besonders der schwarze Balthasar, der Neger, der plattnäsige,
kraushaarige, litt unter der Kälte, an die er nicht gewöhnt war, und
sein roter Mantel sah blutig aus und auffallend, hätte bester zum
gelben Wüstensand seiner Heimat gepaßt (wie war sie fern!), als
zu dieser weißen Winterlandschaft, aber er ging unverdrossen hinter
Kaspar und Melchior drein. Was die aushielten, ertrug er auch!
Kaspar hatte einen langen spitzen Bart, weiß wie der Schnee, und
trug einen schwarzen Mantel, der geräumig um ihn wogte, und
Melchior war bartlog und faltensrei im Gesicht, und sein Mantel
war gelb, dottergelb, und um die Hüften herausfordernd eng geschnitten.
Sie gingen im Gänsemarsch, einer trat in die Fußtapfen des andern,
und da zeigte es sich, daß der Neger die kleinsten Füße hatte von
den dreien, denn seine silbergestochtenen Schuhe hätten gut zweimal
Platz gehabt in den tiefen Gruben, die seine Vorgänger traten.
Und einmal machte es ihm Spaß, das zu versuchen, in einer Grube
Fuß vor Fuß zu setzen, Silberschuh vor Silberschuh, und so stehen
zu bleiben. Wie komisch der schwarze Mantel Kaspars sich blähte!
So gingen sie im Gänsemarsch und sahen manchmal zum Himmel
auf. Der war nicht zu sehen, nur Schnee sah man herunterfallen,
aber der Himmel war schon noch da, o ja, unerschütterlich, der
Himmel, denn sie sahen den Stern, der sie führte. Klein zwar nur,
laternenlichtklein, zartrosafarbig war der Stern, ein Sternlein nur,
winzig im schwarzgrauen Flockenfall, aber er war da, war noch da,
und führte sie.
Das Dorf, das Maulwurfsdorf, blieb auch schon zurück, und sie