Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0011
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
pe«.zA^Ncs^rH/<f£

Das ideale Photo
oder

„Jeder Braut das ihre"

Von Louis Latzarus

Diele Parlamentarier sind abergläubisch
und Stammkunden bei den Wahrsagerinnen.
Weil sie genau wissen, daß Politik ein Glücks-
spiel ist.

*

Einzig der Ruhm ist ein Trost für Knecht-
schaft. Deshalb ist auch jeder Diktator, der
sich halten will, gezwungen, ein erfolgreicher
Soldat zu werden.

*

Wenn die Opposition zur Regierung ge-
langt, macht sie alles, was sie bekämpft hatte.
Glücklicherweise! Denn was für Umwälzungen
gäbe es sonst!

(Autorisierte Uebertragung von Käthe Mintz)

C^J^efioriers f/~)footlieose

Don Theodor Riegler

Llnd meinetwegen muß ein Zug entgleisen,
Llnd bunte Menschen jammern unter Rädern.
Ich brauche jährlich hundert neue Federn,
Llnd meine Seele ist aus kaltem Eisen.

Ich lauere gehetzt auf Sensationen.

Es freut mich, wenn ein Haus zusammenstürzt.
(Sonst wird mir ja das Honorar verkürzt.)
Wo soll ich dann (mit Bad und Lüster) wohnen?

Llnd wenn ein Auto wild sich überschlägt,
Dann bin ich gierig, ohne Scham, dabei;

Llnd ich notiere jeden grellen Schrei.
(Bedenken Sie, mein Herr, wieviel es trägt!)

Ich bin des Llnglücks höflichster Portier.

Lind geht eS dumpf mit jemandem zu Ende,
Dann reib ich mir vergnügt die bleichen Hände:
Ich bin aus Eisen, nichts mehr tut mir weh.

Leib vergnügt vor sich hin-. Er ist so

völlig gesundet, daß eS ihn nicht im mindesten
erregt, als jetzt die alte Dame draußen mit
dem Schirm an die Scheiben pocht, obwohl
ihn dies doch stören müßte. Auch die drohend-
feindlichen Mienen der anderen Wartenden
machen nicht den geringsten Eindruck aus ihn!
Das erfordert eiserne Nerven — nicht wahr?
Eine volle Viertelstunde spricht, lacht und
nickt er. Lim dann — ein Bild tiefster Zu-
friedenheit und strahlender Frische — das
Kabinett zu verlassen.

Haben Sie je eine solche Wandlung des
Menschen binnen weniger Sekunden erlebt?
Kennen Sie einen Nervenarzt, der dies fertig
brächte? Llnd Sie dürfen überzeugt sein, daß
das nervös-verzerrte, wut-bleiche Gesicht der
alten Dame sich ebenso glättet und sonnige
Ruhe in ihr Herz einzieht, sobald sich die Tür
hinter ihr geschlossen hat! Kann also ein ver-
nünftiger Mensch angesichts solcher Wunder-
wirkung leugnen, daß hier magisch-übersinn-
liche Kräfte walten —?!

W. Thäny, Graz

10
Register
Theodor Riegler: Reporters Apotheose
Louis Latzarus: Politik
Wilhelm Thöny: Der Reporter
Kurt Werth: Das ideale Photo
 
Annotationen