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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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Fahl und milchig blitzt deS Fensters Glas
2jn des Mondes grünem Zauberschein.
Meine Kerze sieht ullein
2^1 der Dämm'rung Niesenmaß.

Langsam und verschwiegen geht die lllhr.
Hinter dem Getäfel jagt die MauS
In das Dunkel ihres Nesterbaus,

Wind pfeiff aus dem Flur.

Herz für Herz schläst ein und wacht nicht mehr,
blnd der Himmel fällt herab in Schnee,

Leise stirbt im Winterwald das Reh,
blnd die Rabenwolke kommt aus Osten her.

Eine alte Spieluhr klingt im Schrank
Wie aus einem Traum heraus,
blnbekannt und überirdisch schlank
Tritt ein weißer Engel in das Haus. . .

Von Lina. Frender

„Wer jetzt stirbt irgendwo
in der Welt, sicht mich an."

Rainer Maria Rilke

Der Leuchtkegel eines Fahrrades, das durch
die Nacht saust. Ein Schuß. Zwei Männer
in verzweifeltem Handgemenge. Der eine stürzt
in den Graben am Wege. Der andere springt
nach. Eie rollen ins Gebüsch, bleiben dort,
kaum erkennbar im tiesen Dunkel, liegen.
Stille.-

Ein Mond strahl stiehlt sich durch die Wol-
ken, zittert über den beiden Männern. Der
eine liegt aus dem Rücken. Sein Gesicht ist
schmerzverzerrt. Die Lider zucken über den
geschlossenen Augen. Er röchelt aus qualvoll
geöffnetem Mund. Der eine Arm ruht kraft-
los an seinem Körper, während die Hand des
andern Arms angstvoll nach der Brust tastet.

Der zweite Mann kauert daneben. Sein
Blick hastet starr aus dem am Boden Liegen-
den. Jedes Ausstöhnen deS andern scheint ihn
wie ein elektrischer Schlag zu treffen. Immer
seltener werden die krampfhaften Zuckungen
des Getroffenen. Sein Aechzen wird schwächer
und schwächer. Da ist eS, als löse sich die
atemlose Spannung des Kauernden. Er macht
eine halbe Wendung und erlangt augenschein-
lich das Gefühl für die blmgebung wieder.
Er sieht die Landstraße, den nahen Wald,
den Himmel mit dem unsichtbaren Mondlicht,
er stößt an den steifen Körper dieses Menschen
an, der hart an seiner Seite hingestreckt ist.

Er atmet tief auf. Seine Hand streicht über
seine Stirn, wie nach einem traumschweren
Schlaf. Er betrachtet den neben ihm liegenden
Mann, versucht, seine Gesichtszüge zu unter-
scheiden, zu erforschen. Er kennt dieses Gesicht.
Don lange her. Aus der Jugend. Aus der
Kindheit. Zwei Burschen waren sie, im selben
Dorf. Wuchsen zusammen heran, Genossen
in Freud und Leid. Gewannen dasselbe Mädel

lieb. Einer nur konnte cS haben. Aber das
Mädel gehörte einem Dritten. Sie schwuren
einander, es diesem abzujagen, koste eS, was
eS wolle, und der Preis für den Sieger sollte
das Mädel selber sein. Der Plan gelang, aber
die Sache ging übel aus. Der Dritte hatte
fein Teil, der kam nicht mehr in Frage. Aber
der Sieger, welcher von beiden war es? Wem
kam das Mädchen zu? Einer war zu viel
im Lande. Eine häßliche Nacht. Nur die Flucht
des einen konnte Rettung bringen durch den
schweren Verdacht, mit dem sie ihn belasten
mußte. Das Los entschied: ihn traf eS. Der
andere konnte in der Heimat bleiben, unbe-
scholten.

Amerika. Jahre schwerster Arbeit, bittersten
Lebenskampfes. Kein Vergessen. Der andere
hatte daS Mädchen zum Weibe genommen,
der andere hatte Heim und Kind.

Der Ueberfall

Je mehr Jahre vergingen, je mehr wuchs
der Zorn, wuchs drr Neid in ihm an. Sein
Ziel wurde ihm immer klarer: in die Heimat
zurückkehren, Rache nehmen für ein verfehltes
Leben.

lind nun ist er da. Ist er hier. Dicht neben
dem andern, dein er aufgelauert hat wie der
Jäger dem Wild.

Wieder neigt er sich über den Hingestreckten.
Dessen Lider zucken noch immer. Jetzt, wohl
unter seinem Blick, schlägt er sie auf. In dem
fahlen Licht ist eS, als erschlössen sich zwei
Abgründe, ewigkeitstief. Ein eisiger Schauer
überrieselt den Schauenden. Was mochte der
andere sehen? Seine Lippen scheinen ein
Wort zu formen, vielleicht einen Namen.
Seine hilflose Hand zittert in einer letzten
Bewegung, als wollte sie noch einmal lieb-
kosen, noch einmal Trost suchen, Illnd plötzlich

Anton Machek

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Register
Anton Machek: Der Überfall
Anton Schnack: Winternacht
Lina Frender: Das Auge
 
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