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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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Nr. 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0063
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Philosophie der praktischen Vernunft

„Aber Junge, darfst du denn in deinem Alter schon eine Frau besuchen?"

„Ich halte es für pädagogisch richtig, nach dem Abitur nicht unvorbereitet dem Mysterium
,Weib' gegenübergestellt zu werden."

egegnung

Mitten im ausgelassensten
Maskentrubel stand plötzlich ein
Herr vor mir. Sehr gepflegt,
sehr korrekt, sehr bürgerlich-
schlicht. Seine Augen blickten
traurig verlangend in das bunte
Treiben; aber um den Mund
zuckte spöttisches Lächeln. Ich
sprach ihn an:

„Nun, schöne Maske, so ein-
sam? Worauf wartest du?"

Der Unbekannte sah mir mit
leisem Tadel inS Gesicht.

„Lassen Sie das! Bedienen Sie
sich der im gebildeten Abendlande
üblichen Form der Anrede, der
dritten Person PluraliS, wenn ich
bitten darf! Es steht Ihnen gar
nicht zu Gesicht, worin Sie sich
da versuchen."

„Aber wieso? Wir haben
Karneval! Es ist allgemein
akzeptiert heute abend."

„Ja, um eines ungesitteten
Reizes willen. Das ,Du' unter
Fremden, das heißt unter Per-
sonen, die einander von Rechtes
wegen .Sie' nennen, ist eine
widerwärtige Wildheit, ein Spiel
mit dem Urstande, ein liederliches
Spiel, das .ich verabscheue, weil
es sich im Grunde gegen Zivili-
sation und entwickelte Mensch-
lichkeit richtet, — sich frech und
schamlos dagegen richtet."

Endlich kam ich zu Wort:

„Aber das ist ja aus dem
,Zauberberg', mein Lieber!"

„Wohl möglich. Ich bin näm-
lich Thomas Mann." hs.

J. Mammen

<43

olssen chie Den

Ein Münchner Kaufmann, dessen Ver-
mögen nicht mehr zur Befriedigung seiner
Gläubiger auSreichte, kaufte sich von der
bayerischen Regierung mit den letzten 15 000
Mark den Kommerzienrat-Titel auf Abzah-
lung; als er die letzte Rate bezahlt hatte,
wurde den Gläubigern mitgeteilt, daß er pleite
sei. — Ein Glück kommt selten allein.

Die Opernsängerin Frieda Hempel hat zur
besseren Verwertung ihrer Einnahmen eine
Verkaufsgesellschaft für zeitgemäße Kosmetika
mit zahlreichen Filialen in Europa und
Amerika gegründet; die Künstlerin wird von
Zeit zu Zeit persönlich in den Läden nach dem
Rechten sehen. — Ganz wie Max Reinhardt:
er hat a u ch schon wieder einige Bühnen
aufgemacht.

Die Preußische Regierung läßt durch Amts-
blatt den im Jahre 1851 gestorbenen König
Ernst August von Hannover auffordern, sich
spätestens bis zum 20. Februar 1929, vor-
mittags 9 Uhr, auf dem Amtsgericht in Han-

nover einzuflnden und feine Eigentumsrechte
an dem dortigen Leibniz-HauS geltend zu
machen, widrigenfalls seine Ausschließung auS
dem Besitz erfolge. — So forsch ist die Repu-
blik Preußen noch in keiner Abstndungsaffäre

mit einem Fürsten umgesprungen.

«<

Da in Chemnitz seit einiger Zeit zu wenig
Niederschläge erfolgen, hat der Stadtrat an-
geordnet, daß kein Einwohner mehr als ein
Bad wöchentlich nehmen darf, und zwar
Freitags, mit vorgeschriebener Wassermenge;
die Befolgung der Vorschrift wird durch
städtische Beamte kontrolliert. — Die Chem-
nitzer werden bald wie die Wilden die Gottheit
um Wasser anflehen.

*

Um die Diamanten nicht zur Wertlosigkeit
von Simili-Steinen sinken zu lassen, hat die
englische Regierung in Johannisburg die
Diamantfelder gesperrt; kürzlich haben Dia-
mantsucher die Felder zu stürmen versucht;
daraufhin sind mehrere Infanterie-Regimenter
zum Schutz auSgerückt und schießen auf jeden
Zudringling. — Apart wäre eS, die Brillanten
in das Metall der Patr '.enhülsen zu fassen.

T.

DI

7st deine Brieftasche, sonst sin
w> mmt!"

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Index
Ernst Wallenburger: Philosophie der praktischen Vernunft
Jeanne Mammen: Vorbedingung
hs.: Begegnung
T.: Bolzenschießen
 
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