\ 29 stenographisches Protokoll:
{ftiterview ttttf <Po1ixei-
Wachtmeister Zirtigibl
„Ist es zutreffend, daß die Polizeiorgane
von ihrer Vorgesetzten Behörde besondere In-
struktionen für ihre Tätigkeit im Münchener
Fasching erhalten haben?"
„Freili stimmt dös, indem nämlich die Sitt-
lichkeit im Rcünchener Fasching ganz ab-
handen kommt und bereits schon Überhaupts
gar nicht mehr da ist."
„Es entspricht demnach den Tatsachen, daß
der Rtünchener Fasching Auswüchse zeitigt?"
„Oh mei, Auswüchsen gibt S das ganze
Jahr in München, sie verteil n sich halt nur
mehr, aber im Fasching da hab'n mir S bei-
einander, dö Auswüchsen, da kinnen S mir
besser kontrollier n."
„2OaS verstehen Sie unter .Auswüchsen des
Faschings'?"
„Zum Beispiel, net wahr, wann eine Dame
beispielsweise nix anhat als wia grad nur a
Schärpen und a Feder am Kopf drob'n."
„Sehen Sie nicht gerne Frauen, die spär-
lich bekleidet sind?"
„Dös spielt durchaus absolut gar keine
Nolle nicht, indem weil ich im Dienst nix
anderneS nicht bin als ein Organ und mich
instruktionSgeiiiäß, als ein Organ zum be-
trachten habe."
„Gut, das war eS, was ich von Ihnen
wissen wollte. Ihr Beruf versetzt Sie dem-
nach in schwere innere Konflikte zwischen dem
Menschen und dem pstichtgetreuen Beamten,
der persönlichen Neigung und dem StaatS-
wohl. Diesem Zwiespalt der seelischen Kräfte
nicht zu unterliegen, bedarf wohl eines ganzen
Mannes?"
„Dös glaubst, lvann so eine Dame nur a
Schärpen anhat und a Feder am Kops drob'n
daß man da als M e n s ch nur schwer Anstoß
nehmen kann! — Aber Überhaupts muaß i
jetzt geh n, indem weil ich nämlich heut' dienst-
frei Hab' und mich umziahg n muß als Lohen-
grin für'n Maskenball vom Rauchklub
.König Ludwig der Zweite'."
„Werden Sie sich hiebei als Beamter oder
als Mensch fühlen?"
„Bal ich selber Maschkera geh', bin ich
durchaus gar kein Organ mehr und brauch'
keinen Anstoß nicht nehmen. Ich sag' Ihnen,
das ist eine Erholung! So ein Abend gibt mir
wieder die Berufsfreide zum Kontrollier n von
den Auswüchfern auf den anderen Festen."
Werner ?. 8ekmi6t
„Seit die Schlüpfer aufkommen san, woaß man
als Polizist nimmer, wo die erlaubten Greiizen
aushör'n und das öffentliche Aergernis anfangt."
Konvolut A 32 (Aiz/ 18 fortlaufend numerierte,
aus Pappe gefertigte Bierseidel-Unterlagen
der Spatenbrauerei mit Tintenstift notiert.)
Betont national bayerischen Charakter tragen
die im Münchener Fasching veranstalteten
(Bauernhalle
Hier vermag sich das biderV Mplerische Wesen
des Müncheners und der Münchenerin so recht
in seiner ethnographischen Eigenart zu entfalten,
hier kommt noch die mit Alpenrosen schwer
bestickte Lederhose, der edelweißgeschmückte
Hosenträger, der aus Hirschhorn gefertigte, mit
den Motiven jagdlicher Szenen verzierte Krawat-
tenring, wie sie vielleicht als pietätvoll gehütetes
Erbe des als Wildschütz gefallenen Urgroßvaters
dem Erben überkommen sind, zur Geltung.
Wenn diesen Veranstaltungen eine gewisse or-
giastische Stimmung anhaftet, die sich in eksta-
tischen, oft bis zu Erscheinungen des Paroxismus
gesteigerten Lustausbrüchen, im akustisch auf-
reizenden Klang monoton aufstampfender Stiefel-
sohlen, in einem wohl von den Derwischen ent-
lehnten, in Verzückungen ausartenden Drehtanz
äußert, so darf als Grundmotiv dieser Faschings-
bälle mit Recht die nur leicht verschleierte Liebes-
werbung des Mannes um die Frau gelten. In der
Tat sind hier die Vorbedingungen einer wirk-
samen (von der psychologischen Erkenntnis der
Eingeborenen mit höchstem Raffinement erson-
nenen) Stimulierung des fraulichen Seelenlebens
in erschöpfendem Maße gegeben. Das entblößte,
kräftig knorrige Mannesknie, die offen zur Schau
gestellte, nicht selten behaarte Brust sind so recht
dazu angetan, im Bezirke zart weiblicher Wunsch-
vorstellungen den Gedanken an Ehe und Mutter-
schaft zwangsweise auszulösen. Die aus dem Fell
des werbenden Hirsches gefertigte Hose, die dem
Sterz des balzenden Spielhahnes entnommenen
„Du bist wohl so'n janz echter bayerischer Bua?"
„Jewiß doch, ick studiere schon seit drei Semestern in München!"
74
{ftiterview ttttf <Po1ixei-
Wachtmeister Zirtigibl
„Ist es zutreffend, daß die Polizeiorgane
von ihrer Vorgesetzten Behörde besondere In-
struktionen für ihre Tätigkeit im Münchener
Fasching erhalten haben?"
„Freili stimmt dös, indem nämlich die Sitt-
lichkeit im Rcünchener Fasching ganz ab-
handen kommt und bereits schon Überhaupts
gar nicht mehr da ist."
„Es entspricht demnach den Tatsachen, daß
der Rtünchener Fasching Auswüchse zeitigt?"
„Oh mei, Auswüchsen gibt S das ganze
Jahr in München, sie verteil n sich halt nur
mehr, aber im Fasching da hab'n mir S bei-
einander, dö Auswüchsen, da kinnen S mir
besser kontrollier n."
„2OaS verstehen Sie unter .Auswüchsen des
Faschings'?"
„Zum Beispiel, net wahr, wann eine Dame
beispielsweise nix anhat als wia grad nur a
Schärpen und a Feder am Kopf drob'n."
„Sehen Sie nicht gerne Frauen, die spär-
lich bekleidet sind?"
„Dös spielt durchaus absolut gar keine
Nolle nicht, indem weil ich im Dienst nix
anderneS nicht bin als ein Organ und mich
instruktionSgeiiiäß, als ein Organ zum be-
trachten habe."
„Gut, das war eS, was ich von Ihnen
wissen wollte. Ihr Beruf versetzt Sie dem-
nach in schwere innere Konflikte zwischen dem
Menschen und dem pstichtgetreuen Beamten,
der persönlichen Neigung und dem StaatS-
wohl. Diesem Zwiespalt der seelischen Kräfte
nicht zu unterliegen, bedarf wohl eines ganzen
Mannes?"
„Dös glaubst, lvann so eine Dame nur a
Schärpen anhat und a Feder am Kops drob'n
daß man da als M e n s ch nur schwer Anstoß
nehmen kann! — Aber Überhaupts muaß i
jetzt geh n, indem weil ich nämlich heut' dienst-
frei Hab' und mich umziahg n muß als Lohen-
grin für'n Maskenball vom Rauchklub
.König Ludwig der Zweite'."
„Werden Sie sich hiebei als Beamter oder
als Mensch fühlen?"
„Bal ich selber Maschkera geh', bin ich
durchaus gar kein Organ mehr und brauch'
keinen Anstoß nicht nehmen. Ich sag' Ihnen,
das ist eine Erholung! So ein Abend gibt mir
wieder die Berufsfreide zum Kontrollier n von
den Auswüchfern auf den anderen Festen."
Werner ?. 8ekmi6t
„Seit die Schlüpfer aufkommen san, woaß man
als Polizist nimmer, wo die erlaubten Greiizen
aushör'n und das öffentliche Aergernis anfangt."
Konvolut A 32 (Aiz/ 18 fortlaufend numerierte,
aus Pappe gefertigte Bierseidel-Unterlagen
der Spatenbrauerei mit Tintenstift notiert.)
Betont national bayerischen Charakter tragen
die im Münchener Fasching veranstalteten
(Bauernhalle
Hier vermag sich das biderV Mplerische Wesen
des Müncheners und der Münchenerin so recht
in seiner ethnographischen Eigenart zu entfalten,
hier kommt noch die mit Alpenrosen schwer
bestickte Lederhose, der edelweißgeschmückte
Hosenträger, der aus Hirschhorn gefertigte, mit
den Motiven jagdlicher Szenen verzierte Krawat-
tenring, wie sie vielleicht als pietätvoll gehütetes
Erbe des als Wildschütz gefallenen Urgroßvaters
dem Erben überkommen sind, zur Geltung.
Wenn diesen Veranstaltungen eine gewisse or-
giastische Stimmung anhaftet, die sich in eksta-
tischen, oft bis zu Erscheinungen des Paroxismus
gesteigerten Lustausbrüchen, im akustisch auf-
reizenden Klang monoton aufstampfender Stiefel-
sohlen, in einem wohl von den Derwischen ent-
lehnten, in Verzückungen ausartenden Drehtanz
äußert, so darf als Grundmotiv dieser Faschings-
bälle mit Recht die nur leicht verschleierte Liebes-
werbung des Mannes um die Frau gelten. In der
Tat sind hier die Vorbedingungen einer wirk-
samen (von der psychologischen Erkenntnis der
Eingeborenen mit höchstem Raffinement erson-
nenen) Stimulierung des fraulichen Seelenlebens
in erschöpfendem Maße gegeben. Das entblößte,
kräftig knorrige Mannesknie, die offen zur Schau
gestellte, nicht selten behaarte Brust sind so recht
dazu angetan, im Bezirke zart weiblicher Wunsch-
vorstellungen den Gedanken an Ehe und Mutter-
schaft zwangsweise auszulösen. Die aus dem Fell
des werbenden Hirsches gefertigte Hose, die dem
Sterz des balzenden Spielhahnes entnommenen
„Du bist wohl so'n janz echter bayerischer Bua?"
„Jewiß doch, ick studiere schon seit drei Semestern in München!"
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