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Werner P. Schmidt
Das Atelierfest wird erlesen,
wer gern genießt mit wenig Spesen, (?)
der Herr als Neger oder Schratt,
die Dame nur mit Feigenblatt.
Zu V o r s L ad L b ä l l e n kommt hingegen,
wem mehr am „Menschlichen" gelegen:
Der Herr als Mitglied der Marin',
die Dame mit entblößten Knien.
Den Bauernball besuchen solche,
die jern jemütlich mit dem Dolche:
Der Herr mit den entblößten Knien,
die Dame Dearndöl aus Berlin.
Wer sich an diese Regeln hält,
ist gut bedient und wohlgestellt.
auSgenützten allerletzten M ö g -
l i ch k e i Le n" sucht, fehlt dem Münchener
Fasching. Man geht schließlich immer noch
— zum DoniSl! —
Der echte Münchener maskiert sich gut und
glaubhaft als Südseeinsulaner, als Eskimo,
Chinese, Türke, Kaffer oder Sioux, Hndenk-
bar ist er nur als — Berliner!
„Laß' mich, frecher Türke, ich bin ein anstän-
diges Mädchen!"
„Nur keinen Hochmut, Kleine, Fasching
kommt vor d e m Fall!"
Blatt T 37 (Quartformat, Tinte)
Karnevals-fliege ln
A 74 (auf einfachem Briefbogen in frem-
der Handschrift, mit Notiz van der
Wolltes: „Diese Verse von A. D. N.
scheinen mir als Leitfaden für Anfänger
höchst nützlich“).
Zwei Fragen fragt man vor Beginn:
Wo geht man hin? Wie geht man hin?
Wer sich feudal wünscht auszuleben,
wird sich zum B a l p are begeben,
der Herr in Smoking oder Frack,
die Dame mit entblößtem G'nack.
Eines Erlebnisses, das ich mit Mizzi auf
einer Redoute hatte, möchte ich nicht ver-
gessen. Mit wachsender Nervosität bat
mich nämlich meine Begleiterin um ein
„Zehnerl“ (Zehn Pfennige) und gestand mir
nach lange ausweichenden Antworten end-
lich unter schamvollem Erröten den End-
zweck ihres Ersuchens. Sie erklärte mir
nach ihrer Rückkehr, daß auf diese zwang-
lose Weise nicht selten Bekanntschaften
entstünden, die mitunter sogar zum Ab-
schluß einer Ehe führten. — Welch tiefes,
echtes, unverfälschtes Menschentum spricht
doch aus den Herzen der Münchener!
Auf der Rückseite desselben Blattes fan-
den sich folgende J. A. S. Unterzeichnete
Anthologie
der ^rGSchings-£*yrifc
A 88 (das wie oben bezeichnete Heft ent-
hält auf der ersten Seite~ zwei recht
gegensätzliche, aber mit der gleichen
Signatur hs. versehene Gedichte).
Ansprache an das Weltall (Hymnus)
Welten! Aeonen! Kosmisch überdämmert
mich tanzenden Gestirns erhabner Schwung.
Lichtstuten, Lebensströme glühen ewig jung,
im SternenrhythmuS mir ins Blut gehämmert.
Gefühle-Sturmwind! Sinken lust-ermattet
in Masken-Menfchen-Wirrnis, Tonrausch-
Flut.
Ein Samenkorn, das in der Erde ruht,
von goldner Tiefe purpurn überschattet.
iß/eistf/ttfofizetf
Jener sublime Reiz des Tanzvergnügens,
den die moderne Psychoanalyse in den „u n -
Redoute. (Neue Sachlichkeit.)
Ball privilegierter Zuckerbäcker.
Schlagzeug. Banjo. Saxophon-Gemecker.
Bajadere Meyer. Neunzehnjährig.
Dem Torero Schultze zugehörig.
Tango, Foxtrott, Charleston, Twostep, Blues.
Müde. Loge. Rotlicht. Vorhang. Kuß.
Auto. Heimfahrt. Angenehme Nacht.
Endergebnis:
Peter, unehelich. Standesamts-Register 11/1208.
Wer leidenschaftlich, geht am besten
zu indischen und derlei Festen,
der Herr als Raja, pumpbehöst,
die Dame bis zum Bauch entblößt.
El5a Wiemeyer
&
Werner P. Schmidt
Das Atelierfest wird erlesen,
wer gern genießt mit wenig Spesen, (?)
der Herr als Neger oder Schratt,
die Dame nur mit Feigenblatt.
Zu V o r s L ad L b ä l l e n kommt hingegen,
wem mehr am „Menschlichen" gelegen:
Der Herr als Mitglied der Marin',
die Dame mit entblößten Knien.
Den Bauernball besuchen solche,
die jern jemütlich mit dem Dolche:
Der Herr mit den entblößten Knien,
die Dame Dearndöl aus Berlin.
Wer sich an diese Regeln hält,
ist gut bedient und wohlgestellt.
auSgenützten allerletzten M ö g -
l i ch k e i Le n" sucht, fehlt dem Münchener
Fasching. Man geht schließlich immer noch
— zum DoniSl! —
Der echte Münchener maskiert sich gut und
glaubhaft als Südseeinsulaner, als Eskimo,
Chinese, Türke, Kaffer oder Sioux, Hndenk-
bar ist er nur als — Berliner!
„Laß' mich, frecher Türke, ich bin ein anstän-
diges Mädchen!"
„Nur keinen Hochmut, Kleine, Fasching
kommt vor d e m Fall!"
Blatt T 37 (Quartformat, Tinte)
Karnevals-fliege ln
A 74 (auf einfachem Briefbogen in frem-
der Handschrift, mit Notiz van der
Wolltes: „Diese Verse von A. D. N.
scheinen mir als Leitfaden für Anfänger
höchst nützlich“).
Zwei Fragen fragt man vor Beginn:
Wo geht man hin? Wie geht man hin?
Wer sich feudal wünscht auszuleben,
wird sich zum B a l p are begeben,
der Herr in Smoking oder Frack,
die Dame mit entblößtem G'nack.
Eines Erlebnisses, das ich mit Mizzi auf
einer Redoute hatte, möchte ich nicht ver-
gessen. Mit wachsender Nervosität bat
mich nämlich meine Begleiterin um ein
„Zehnerl“ (Zehn Pfennige) und gestand mir
nach lange ausweichenden Antworten end-
lich unter schamvollem Erröten den End-
zweck ihres Ersuchens. Sie erklärte mir
nach ihrer Rückkehr, daß auf diese zwang-
lose Weise nicht selten Bekanntschaften
entstünden, die mitunter sogar zum Ab-
schluß einer Ehe führten. — Welch tiefes,
echtes, unverfälschtes Menschentum spricht
doch aus den Herzen der Münchener!
Auf der Rückseite desselben Blattes fan-
den sich folgende J. A. S. Unterzeichnete
Anthologie
der ^rGSchings-£*yrifc
A 88 (das wie oben bezeichnete Heft ent-
hält auf der ersten Seite~ zwei recht
gegensätzliche, aber mit der gleichen
Signatur hs. versehene Gedichte).
Ansprache an das Weltall (Hymnus)
Welten! Aeonen! Kosmisch überdämmert
mich tanzenden Gestirns erhabner Schwung.
Lichtstuten, Lebensströme glühen ewig jung,
im SternenrhythmuS mir ins Blut gehämmert.
Gefühle-Sturmwind! Sinken lust-ermattet
in Masken-Menfchen-Wirrnis, Tonrausch-
Flut.
Ein Samenkorn, das in der Erde ruht,
von goldner Tiefe purpurn überschattet.
iß/eistf/ttfofizetf
Jener sublime Reiz des Tanzvergnügens,
den die moderne Psychoanalyse in den „u n -
Redoute. (Neue Sachlichkeit.)
Ball privilegierter Zuckerbäcker.
Schlagzeug. Banjo. Saxophon-Gemecker.
Bajadere Meyer. Neunzehnjährig.
Dem Torero Schultze zugehörig.
Tango, Foxtrott, Charleston, Twostep, Blues.
Müde. Loge. Rotlicht. Vorhang. Kuß.
Auto. Heimfahrt. Angenehme Nacht.
Endergebnis:
Peter, unehelich. Standesamts-Register 11/1208.
Wer leidenschaftlich, geht am besten
zu indischen und derlei Festen,
der Herr als Raja, pumpbehöst,
die Dame bis zum Bauch entblößt.
El5a Wiemeyer
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