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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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Nr. 33
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https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0530
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Vater und Totenhandschuh von der Groschmutter, auS weißer Baum-
woll. In die Pfot kriegt der Sepp ein heiliges Büchte gedrückt und
eine Wachskerz, so groß wie er selbscht. Wie ein Hundle steht der
Sepp da in den seinen Kleidern und würd am liebschten wegrenne.
Zur Stadtmischte. Zum Feuerte. Die Groschmutter aber nimmt den
Sepp bei der Hand und geht mit ihm zur Kirche.

In der Kirche hat sich der Herr Pfarrer in einem Schrank verborge
und fragt den Sepp durchs Lächle nach feine Sünd.

Ob der Sepp etwas blnkeusches getan hätt?

— Ja, — sägt Sepp.

— Was hascht denn blnkeuscheS getan, Büble? — fragt der Herr
Pfarrer.

— Beim Bade — sägt Sepp — sind alle Büble und Mädle bekleide
gewese, ich aber habe gesprunge und gehupfe ohne Hösle. —

— So, so — sägt der Herr Pfarrer und fragt den Sepp, ob er
auch Unzüchtiges gefunge hätt?

— Jawohl, Herr Pfarrer — sägt der Sepp — ei freilich. —

— Wasch hast denn gesunge, Büble? — fragt der Herr Pfarrer.

— Ein Liedle — sägt Sepp. Und mit Träne in der Stimme:

Im Zirkus Sarrasani,
da ischt es wunderschön,
da kann man für zwei Pfennge
die Riesendame sehn. —

— Und weiter — fragt der Herr Pfarrer.

— Nix weiter — erwidert Sepp.

— Du willst es bloß nit sage. —

— Ich weisch nit, Herr Pfarrer, ich weisch nit! Ich Hab immer
ein saumäßiges Gedächtnis g habt, sägt die Schweschter Appolonia,
das lufchtige Obönnle aus dem Kloschter. —

Der Herr Pfarrer aber will unbedingt das Liedle weiter höre. Dem
Seppl rolle die Träne über die Wange. Immer wieder stüfchtert er:
— Ich weisch nit, Herr Pfarrer, ich weisch nit, ich Habs vergesse.
Josef und Maria, verflucht noch mal, der Teifl hol mich, ich hab'S
vergesse! —

f/~lus einer f^feburistagsrecle . . .

einer
VON A

Der einzige Unfug, der mit dem Tode bestraft wird, ist der Unfug
des Alterns. Doch obwohl man es weiß, kann man nicht davon lassen,
und die Mitwelt wünscht noch Glück dazu, daß einer der Exekution
immer näher rückt...

Weshalb die harte Strafe?

Weil Altern das abscheulichste Eigentumsdelikt ist, das wir kennen:
man eignet sich Jahre an, die eigentlich den Jungen gehören. Mit
Recht also sind sie entrüstet, wenn jemand gar nicht mehr aushören
will, alt zu werden, klnd rufen ihm schon vom sechzigsten an solange
„Hoch!" zu, bis er sich endgültig „erhebt" und verflüchtigt...

Allerdings stellt sich mancher gegen solche „Oho"vationen
taub (das Alter macht ja schwerhörig) und merkt kaum
mehr, daß er hinausgefeiert wird.

Er hält das für — Popularität.

Betrist't die Popularität Leute, die ohnehin langsam von
Begriff (wie Dichter, Gelehrte, Philosophen), dann dauert
dieser Zustand bis über ihren Tod, und sie lassen sich sogar
noch feiern, wenn sie gar nicht mehr da sind.

Dies nennt man — Unsterblichkeit. Unfug und Unrecht
des Alterns sind damit Fug und Recht geworden ...

DER DICHTER A. DE NORA
seit 30 Jahren unser Mitarbeiter, feierte seinen
65. Geburtstag

O^leine ffeburisicigsocle für ,(/-}. d)e Qlora

Manchem aber geschah wohl ein Blühn nur im Winter;
Immer, ach, waren es Jagden, die Beute gebracht —

Dir \vbod), Freund — o dein Herz blieb wohl kindlich und groß,
Kostbar und sommerlich — irrten auch Menschen dich oft.
Soll ich des Priesters gedenken, der über dich weinte,

Oder des blonden Mädchens, das Tränen gelächelt?

Tröstende Mutterhand, o von dir, guter Vater,

Schattender Baum du, dem Sterne und Sonne so nah!

Schilt auch die Torheit, wann wär' wohl die mal zufrieden;
Gut war dein Gott und dein Schicksal, es strahlt immer mehr,
Glücklich, wem so eine Freundin und Schwester wie dir —
Ehrlicher, tapferer warst du als Viele der Großen.

O, es ist Freude dein Wort, draus dein Kinderherz klopft,

Erde bist du, doch mit Sommer und Frühling und Sternen,
Freu dich mit uns wohl, die wir uns über dich erfreun!

Jakob Haringer

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Register
(Johann) Jakob Haringer: Kleine Geburtstagsode für A. de Nora
A. De Nora: Aus einer Geburtstagsrede
Erich Wilke: Der Dichter A. de Nora
Otto Herbig: Das Enkelkind
 
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