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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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Nr. 37
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https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0597
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Qer QTlenfcli nni Ql'laß/ie

<homo mappensis. communis)

Diese modernste Entwicklung des Individu-
ums ist ein Resultat der Nachkriegszeit. Sie
tritt zutage ebensogut auf dem stachen Lande
wie in den Bergen, in der großen Stadt wie
in der menschenleeren Weite der Heide oder
an der See oder auch auf dem Gipfel des
MatterhornS. In der Stadt ist der homo
mappensis communis in Eile; auf dem stachen
Lande, im Gebirge und an der See weniger.
Sein Attribut jedoch: eine Aktenmappe, ent-
weder unter den Arm gepreßt oder an einem
Henkel getragen, bleibt das gleiche. Die Form
der Mappe variiert nicht, wohl aber ihre
Beschaffenheit. Sie ist aus Schweinsleder,
aus Krokodilleder, aus braunem Lederstoff,
auS Wachstuch; sie ist manchmal mit schlan-
kem Inhalt versehen, manchmal erkennt man
jedoch an ihrem Aeußeren schon die Dicke der
darin befindlichen Schuhe. Es ist gut, wenn

man das Oeft'nen solcher dicker Mappen nicht
miterlebt; denn die Vereinigung von Kamm,
Nachthemd, Butterbrot in ZeitungSpapier und
einem fettigen, kleinen Detektivroman ist kein
erfreulicher Anblick. Diese Enthüllung geschieht
jedoch nur auf Eisenbahnen oder auf einem
besonders schönen Aussichtspunkt, weshalb der
Rat gegeben wird, den homus mappensis an
solchen Art Stellen zu meiden. Weniger
schlimm ist er, wenn er zugleich weiblichen
Geschlechts und jung, mit den Allüren der
Klapperschlange auSgestattet, der Mappe
einen zarten Bubikamm entnimmt, wobei man
Gelegenheit hat, ein seidenes, weiches Pyjama
zu betrachten. Hierein geschmiegt verbirgt sich
schamvoll das Stenogrammbuch, leise an-
geduftet von der Puderdose. Die Erwägungen,
wohin die homa mappensa (Wortmusterschuß,
D.R.M. 4Ö 96 27 ZOz, vor Nachahmung wird
gewarnt!) sich also auSgestattet leicht be-
schwingt begibt, lassen der Phantasie ausge-
dehnten Spielraum. Wohlgeruch ausströmend
ist auch die Mappe des Friseurs, der zur

Kundin ins Hotel eilt; edenso die der Mani-
ceuse, auf ihren wohltätigen Wegen. Weniger
erfreulich ist die weibliche Ak>art, wenn in einer
schwarzen Wachstuchmappe sich die Hand-
werkszeuge der Scheuerfrau verbergen, oder
auch der Kochfrau, welche eine Kleinigkeit mit
nach Hause nimmt. Die Nähe dieser Mappen-
trägerin ist zu meiden. Bemerkenswert erfreu-
lich ist die Mappe des Jungen in Sportdreß,
der seine Laufschuhe in ihr verbirgt; öffnet er
sie, so riecht sie förmlich nach frischer Luft,
weil sie immer wartend am Sportplatz liegt,
neugierig offenen Auges alles beobachtend,
während er läuft. Hier kann man zuschauen.
Auch kann man es, ist man so eingestellt,
wenn der Mann aus der Provinz eine Akte
hervorholt aus der dunkellederbraunen und
mit sehr spitzem Bleistift beginnt, auf dem
hellblauen Deckel sich Notizen über den Inhalt
zu machen, während die dünnen, beschriebenen
Bogen erregt auf und nieder rauschen. Man
weiß, er geht zur Konferenz, und eS erscheint
ihm furchtbar wichtig. Er ist einer von jenen,


J. Fenneker


Der letzte Badegast

„Jucht wahr, mein Fräulein, erst die Einsamkeit vermittelt den ganzen Zauber des Meeres." — „Ja, wann reisen Sie denn ab?"



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Josef Fenneker: Der letzte Badegast
Else Marquardsen-Kamphövener: Der Mensch mit der Mappe
 
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