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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0752
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auf Leonid richtete. Der Vater, Konsul,
war bali) zurückgekehrt in das Büro. —
„Das -ist ein Kerl", hatte er gesagt, „das
ist ein Kerl, der Leonid", minder herzlich in-
des, als einer lästigen Pflicht genügend. Die
Mutter fragte £)en Sohn, sie nahm ihn
völlig in Anspruch, es waren hunderterlei
zerrissene Fragen, Weltbild an Mosaik. Sie
scherzte sogar, sie hob den Finger schalkhaft
zu einer warnenden Gebärde, die ihr sonst
keineswegs eigentümlich war und die ihr
darum auch durchaus nicht wohl anstand.
„Die kleinen Mädchen", fragte sie, „die kleinen
Mädchen oder Damen gar in Amerika?"
Wahrlich, es sollte Scherz sein, eine seine,
unbedeutende Neckerei; je nun, es klang doch
ein klnterton darin, verräterisch fast, es gab
einen Hintergrund, dessen Farbe stimmte
nicht zu der leicht vibrierenden, scherzenden
Stimme.

„Sinnlos, solche Frage", empörte sich
Rene. Er hatte nur den dunklen blnterton
gehört, daraus reagierte er, „sinnlos, eine

solche Frage, wie kannst du so etwas fragen,
Mama, das ist doch..."

„Unmöglich" wollte er sagen, „unmöglich"
wollte er schreien, laut heraus, jedoch er
brach hastig ab. Die Torheit seiner Worte
war ihm jäh bewußt geworden.

Die beiden andern waren verstummt, sie
sahen Rene fragend an, als erwarteten sie
nun eine Erklärung. Es schien auch, als
seien sie lebhaft darüber verwundert, daß er,
obgleich völlig unbeteiligt, dem Gespräch
gleichwohl gefolgt war.

„Du bist heute eigenartig, Rene", tadelte
die Mutter, „du bist sehr komisch und un-
genießbar . . ."

„WaS hast du nur?" meinte Leonid, ohne
jedes Verständnis.

#• # *

Das waren seltsame Tage, die nun
kamen, seltsame Tage für Rene. Sonderlich
ein Gefühl drohender Einsamkeit belastete
ihn.

Leonid war selten zu Hause. Es gab

Visiten, es kamen Einladungen, und die hellen
Tage des Sommers brachten junge Mäd-
chen, lachende, schöne Damen -in Weiß.
Scherze folgten, Spiele, Tennisspiele.

Rene begleitete den Bruder häufig. Er
beteiligte sich auch an den Spielen, doch schier
ein wenig hochmütig, ziemlich interesselos oder
mit gewollter Lustigkeit. Vorzüglich be-
schäftigte ihn Leonid: der glitzernde Bariton
seiner Stimme jetzt, seine Augen nun, sein
Mund hernach, seine Bewegungen. . . alles
an ihm. . . alles. . .

Letzthin war er mit Rene zum Baden
gegangen — war er nicht erstaunt gewesen
über die Geschmeidigkeit, die Leonid , offen-
barte? Sein Körper war nicht voll, das
konnte man wohl nicht sagen, eher hager .. .
Hingegen seine Haut, die schimmerte wahr-
haft wie Bronze, durchaus wie Bronze oder
Kupfer, gleißendes Kupfer in der Sonne.

Sie schwammen beide in dem tiefen
Bast in. Leonid schwamm sicherer als
er, das erkannte Rene bald. Daraus übte
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Heinrich Brüne: Die blonde Marcel
 
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