Sahen frei durch die Pupille
früher viele in die Welt:
Heut' hat jeder eine Brille
feiner Nase zugesellt.
Scharf geschliffen, liebe Leser,
und gefärbt sind beide Gläser
je nach Wahl und Sympathie. —
Die Parteien liefern sie!
Scheint ein Gegenstand nun rötlich
einem ohne Gläferfchau,
sagt sofort ein andrer tödlich-
sicher: „Dieses Ding ist blau!"
und ein dritter hält denselben
Gegenstand für einen gelben,
einem vierten scheint er grün,
wie sich auch die Augen mühn!
Manches Brillenglas verkleinert,
manches macht die Dinge groß,
fälscht, vergröbert und verfeinert:
Ach, kein Bild ist fehlerlos!
Zwanzig grundverfchied'ne Brillen
haben wir: init bestem Willen
kann kein Einheitsbild entsteh n,
wie wir voll Betrübnis feh'n!
Beda Hafen
Der Reichskanzler Müller
EINE NACHDENKLICHE GESCHICHTE
VON SALPETER
„Guten Morgen, Lora!" sagte Siegmund
Fischbein, Chef der altrenommierten Textil-
sirma Fischbein & Co., wenn er frühmorgens
den Kopf in das noch unaufgeräumte Wohn-
zimmer steckte.
„Guten Morgen! guten Morgen!" kreischte
der buntgefiederte Liebling der Familie ver-
gnügt, „gut geschlafen?"
So wohlerzogen war Lora, der Papagei.
Knapp zehn Monate mochte es her sein,
seit Papa Fischbein seinen Kindern den Vogel
gekauft hatte, Und in dieser kurzen Zeit hatte
sich das gelehrige Tier nicht nur gründliche
Sprachkenntm'sfe, sondern auch die denkbar
besten Umgangssormen angeeignet.
So hätte sich Lora wohl noch jahrzehnte-
lang der Liebe seines Herrn und der Zu-
neigung sämtlicher Verwandten und Be-
kannten der Fischbem'schen Fainilie erfreuen
können, wenn nicht . . .
Die Fischbein'sche Familie unternahm näm-
lich im Sommer eine kleine Urlaubsreife, auf
die man einen Papagei natürlich nicht mit-
nimmt. Also wurde Lora für vier Wochen
beim Hausbesorger einquartiert.
Als Siegmund Fischbein, heimgekehrt, sich
PFLEGE DEINE ZÄHNE MIT BiOX-ULTRA ZAHNPASTA
E
EIN BUCH, DAS SICH AN ALLE WENDET
-
CAESAR
GORRES
MAX PICARD
DAS MENSCHENGESICHT
Vornshmste Ausstattung - Einband und Schutzumschlag von Emil Preetorius
Mit 37 Bildern auf Lichtdrucktafeln — Kartoniert 12.- Mk. Ganzleinen 15.- Mk.
Die wesentlichste Erscheinung, die es für den Menschen auf
der Erde gibt, wird hier gedeutet: das Menschengesicht.
Der Bau des Menschengesichtes, sein Ausdruck, das Ver-
hältnis zur Seele, die Beziehungen des einzelnen Gesichtes
zu den anderen Gesichtern, die Beziehungen desMenschen-
gesichtes zu den übrigen Gebilden der Schöpfung: zu den
Tieren, Pflanzen, Gestirnen, der Einfluß der Umgebung, der
Landschaft, des Berufes, der Rasse werden dargestellt.
Das eigene Antlitz wird unssichtbar,dasGesichtunsererZeit
wird uns erkennbar, das Ewig-Menschliche wird uns faßbar.
DROSTE-HOLSHOFF
NIETZSCHE
Bei p
Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehmen
771
1929 / JUGEND Nr. 48
/
früher viele in die Welt:
Heut' hat jeder eine Brille
feiner Nase zugesellt.
Scharf geschliffen, liebe Leser,
und gefärbt sind beide Gläser
je nach Wahl und Sympathie. —
Die Parteien liefern sie!
Scheint ein Gegenstand nun rötlich
einem ohne Gläferfchau,
sagt sofort ein andrer tödlich-
sicher: „Dieses Ding ist blau!"
und ein dritter hält denselben
Gegenstand für einen gelben,
einem vierten scheint er grün,
wie sich auch die Augen mühn!
Manches Brillenglas verkleinert,
manches macht die Dinge groß,
fälscht, vergröbert und verfeinert:
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haben wir: init bestem Willen
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wie wir voll Betrübnis feh'n!
Beda Hafen
Der Reichskanzler Müller
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„Guten Morgen, Lora!" sagte Siegmund
Fischbein, Chef der altrenommierten Textil-
sirma Fischbein & Co., wenn er frühmorgens
den Kopf in das noch unaufgeräumte Wohn-
zimmer steckte.
„Guten Morgen! guten Morgen!" kreischte
der buntgefiederte Liebling der Familie ver-
gnügt, „gut geschlafen?"
So wohlerzogen war Lora, der Papagei.
Knapp zehn Monate mochte es her sein,
seit Papa Fischbein seinen Kindern den Vogel
gekauft hatte, Und in dieser kurzen Zeit hatte
sich das gelehrige Tier nicht nur gründliche
Sprachkenntm'sfe, sondern auch die denkbar
besten Umgangssormen angeeignet.
So hätte sich Lora wohl noch jahrzehnte-
lang der Liebe seines Herrn und der Zu-
neigung sämtlicher Verwandten und Be-
kannten der Fischbem'schen Fainilie erfreuen
können, wenn nicht . . .
Die Fischbein'sche Familie unternahm näm-
lich im Sommer eine kleine Urlaubsreife, auf
die man einen Papagei natürlich nicht mit-
nimmt. Also wurde Lora für vier Wochen
beim Hausbesorger einquartiert.
Als Siegmund Fischbein, heimgekehrt, sich
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-
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Die wesentlichste Erscheinung, die es für den Menschen auf
der Erde gibt, wird hier gedeutet: das Menschengesicht.
Der Bau des Menschengesichtes, sein Ausdruck, das Ver-
hältnis zur Seele, die Beziehungen des einzelnen Gesichtes
zu den anderen Gesichtern, die Beziehungen desMenschen-
gesichtes zu den übrigen Gebilden der Schöpfung: zu den
Tieren, Pflanzen, Gestirnen, der Einfluß der Umgebung, der
Landschaft, des Berufes, der Rasse werden dargestellt.
Das eigene Antlitz wird unssichtbar,dasGesichtunsererZeit
wird uns erkennbar, das Ewig-Menschliche wird uns faßbar.
DROSTE-HOLSHOFF
NIETZSCHE
Bei p
Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehmen
771
1929 / JUGEND Nr. 48
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