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ßermann ßörncr
„Doch gerade."
„Na, denn lernen Sie mal erst Ihre Stelzen
'n bißchen großstädtisch sich benehmen."
„Warum sind Sie aufgeregt? Was kosten
die Blumen? Ich ersehe sie Ihnen."
„Danke, auf sowas laufe ich nicht."
„Es tut mir so leid. Die armen Blumen,
ich liebe Blumen, wissen Sie. Und sie tun mir
immer so leid, hier in dem Gedränge und
Getriebe."
„Tun Se sich nur nichts an, Herr, ich muß
mit dieser Bahn da weiter."
„Sagen Sie der Dame, der Sie die Blumen
schenken, der Mann, der sie ramponiert hat,
wünscht ihr Glück."
„Sie mich auch, Herr, 'n Tag."
„Eine merkwürdige Stadt ist das doch.
Alles regt sich hier an sich selbst auf. Berlin
ist eine Landschaft, die ihren eigenen Sturm
nicht versteht, ich werde ein Gedicht machen.
Aber es ist noch nicht reif in mir. Aber wo
werde ich es unterbringen, wenn es fertig ist?"
„Guten Tag, Herr LaniuS, was machen
Sie?"
„£), ich stehle dem lieben Gott die Zeit."
„Schreiben Sie noch? Ich lese gar nichts
mehr von Ihnen in den Zeitungen."
oßÄfrJÖ
amen
Über dem schwarzerklafften Straßenschlund
Aufflirren Zeichen, Worte und Figuren,
In Lichterschrift geschrieben breit und bunt,
Hinhuschend unsichtbar gezirkte Spuren.
Es ist, als ob schwingender Wellen Kraft,
Die Schall und Strome in die Weite sendet,
In Dunkelheit verdichtet körperhaft
Mit diesem Spiel der Flammen sich ver-
schwendet.
RuhloS umkreist, umstackert es die Front
Nachtstarrer Häuser. Sprühend gliherkalt,
Wie Strahlenschein von blutig-rotem Mond,
Berieselt es grauschmutzigen Asphalt.
In stummem Schrein erbrausend steht das Licht
Grell über Wagenrasseln, Trambahnschnaufen.
Mit Wort- und Bilderfetzen wirr durchmischt,
Ein Feuerfunkenwirbel stiebt zu Haufen.
Zu gelbem, rot und grünem Glanz entfacht,
Duftloser Blumensterne blüht ein Strauß,
blnd, gleich als sei aus dumpfem Straßenbraus
Gespenstig-fremd ein schwarzer Tag erwacht,
Kreist eine kalte Sonne sinnlos durch die Nacht.
Heinrich Leis
„Tut mir sehr leid, gnädige Frau. Ich
leider auch nichts, wenigstens nicht viel."
„Ich Habs immer gesagt, in heutiger Zeit
einen künstlerischen Beruf ergreifen, is doch
fast Wahnsinn. Mein Ältester will durchaus
Kunstgeschichte studieren-. Sehen Sie, hier
habe ich ihm ein paar neue Hosenträger ge-
kauft, was, glauben Sie, braucht der Junge
an Kleidung, bind man darf ihm nichts sagen,
er ist empsindlich wie 'n Mädchen. Nee,
Mädchen sind nicht mal so empsindlich. Wenn
ich vom Geschäft meines Mannes anfange, in
das er eintreten soll, geht er aus der Stube
raus, einfach aus der Stube raus."
„Wo geht er denn da hin, Ihr Sohn?"
„In das Gymnasium natürlich."
„Ich meine, wenn er aus der Stube geht?"
„Sie wollen sich wohl über mich lustig
machen, Herr LaniuS? Ich muß übrigens hier
mit der Bahn mit. Sie können mir aber mal
das Paket hier halten, wenn ich einsteige."
„Gern, gnädige Frau, so, auf Wiedersehen,
grüßen Sie Ihren Sohn von mir."
„Jetzt ist sie weg. Der arme Sohn. Ich
kehre zu meiner Bank zurück. Der Herr hier
sieht aus wie ein holperiger Stein, an dem
sich der Strom der Zeit unwillig bricht.
(Fortsetzung Seite 790)
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TBS
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