Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

DOI Heft:
Nr. 49 (Groszstadtbetrieb)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0788
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


(^Jevnjjo ! C^Jemßo !

VON CAREN

Miß Ethel Blizzard war die schnellste
Frau der Welt. Sie war mit Schnelligkeit
erblich belastet, wie andere Menschen mit
Muskelschwund oder Delirium tremens.

Als Sturzgeburt kam sie zur Welt. Gerade
in dem Augenblick, als ihre Mutter, die be-
kannte Rennraketozyclistin, aus der Olympia-
bahn in CHLkago zu einem Zehntagerennen
startete. Dreißig Sekunden alles in allem
blieben der tapferen Dame, um die Zündung
zu lösen. Ihr Baby zu küssen. Es dem
Starter zuzuschleudern, bind mit iöo Kilo-
metern Anfangstempo loszupreschen...

Als sie nach zehn Dagen sieggekrönt in ihr
Heim zurückkehrte, war Ethel bereits in den
Flegeljahren. NIan hatte mit Erfolg versucht,
durch „Dr. Ouicks Rapid Food" das Wachs-
tum des Kindes derart zu beschleunigen, daß
es bereits nach anderthalb Jahren konfir-
miert werden konnte und wenige Monate
später die Matura hinter sich hatte. Über-
haupt zeigte sich bei Ethel schon sehr früh der
Drang, alles so schnell wie möglich hinter flch
zu bringen. Die nebensächlichsten Verrich-
tungen arbeiteten sich bei ihr zu Geschwindig-
keitSrekorden aus — von der Morgenwäsche
bis zum Nachtgebet. Nachdem ihre Nbutter
eines Tages an einem Chausseebaum ein
kräftiges Ende gefunden hatte, trat Ethel bei
der „Evening Post" als Stenotypistin ein. Sie
brachte es in wenigen Wochen auf hundert-
siebzig tau send Silben pro Stunde, bim über-
haupt mit ihr Schritt zu halten, mußten ihr
immer fünf Redakteure gleichzeitig ihre
Stenogramme diktieren. Zuweilen kam es
vor, daß die Abonnenten schon in der Freitag-
auögabe die blnfälle lasen, die eigentlich erst
am Sonntag passieren sollten. Alles infolge
der Blitzzugsgeschwindigkeit Ethel Blizzards.
Schließlich sah >ich die „Evening Post" genötigt,

(?ort8. Leite 786)

Großstadt-Redaktion

„In der ganzen Abendausgabe Haben wir nischt als Bankkräche."
„Na, denn streuen wa halt for die Intelligenz 'n bisken Lustmord
dazwischen rin!"

Letzte Zuflucht

„DaS eine sage ich dir, Lisa, wenn nicht bald ne neue Tanzbar
eröffnet wird, bin ich imstande und gehe mal ins Theater!"


Großstädtische Journalisten interviewen von Zeit zu Zeit den
Magistrat. Denn die Bevölkerung will wissen, was man im nächsten
Vierteljahr für ihr Wohl zu tun beabsichtigt. Ich begab mich zum
Magistrat, Abteilung für Tiefbau, und sprach:

„Die Bevölkerung nimmt Anteil an der fortwährenden Aufwühlung
des StraßenpstasterS. Sie bedauert, daß es noch immer Straßen gibt,
wo nicht gegraben wird. Werden Sie dagegen etwas unternehmen?"
Der Beamte legte das Frühstück beiseite, lächelte und sprach:
„Unsere diesbezüglichen Bemühungen find nicht ohne Erfolg. Vor
allem nähern sich die Versuche, einen modernen Asphalt herzustellen,
ihrem Ende. Es ist erreicht worden, eine Schicht zu mischen, die kaum
einen Monat hält."

„So", sagte ich begeistert. „Und wie steht es mit den Löchern?"
„Sie bleiben ein für allemal im Pflaster und werden bis an den
Rand mit brauner Flüssigkeit gefüllt. Nur so kann erreicht werden,
daß sämtliche Fußgänger von Automobilen bespritzt werden. Bisher
gingen nennenswerte Teile leer aus."

„Herr Direktor," rief ich, „die Bevölkerung wird Sie umarmen."

B.M.

784
Register
Caren: Tempo! Tempo!
B. M.: Asphalt
Ernst Wallenburger: Letzte Zuflucht
Kurt Werth: Großstadt-Redaktion
 
Annotationen