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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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3 m Kaffeeha u s

Bernhard GasSe

in die er sie einhüllte, wirkte wie ein Quell,
der ihre verbeulte kleine Seele reinwusch.

Aber ihre Lage war schließlich unmöglich
geworden. Der Verkehr war wie ein süßes
narkotisches Gift, das sie schwer missen
konnte, anderseits war ihr Leben sozusagen
bis auf den letzten Bodensatz gekommen. Sie
hielt sich nur noch damit oben, daß sie kleinste
Beträge von einigen Bekannten lieh, die
längst mißtrauisch geworden, -ihre Taschen
immer energischer zuknöpften. Sogar an Ar-
beit dachte sie jetzt, mit der sie nie gute Er-
fahrungen gemacht. Aber wo war Arbeit
jetzt für sie zu finden? Die ständige Ent-
behrung, die aussichtslose Lage, hatten sie
reizbar auch gegen »ihn gemacht. Sie dachte
daran, daß er an einer fetten Tafel saß und
sich den Luxus gönnen durfte, jemand zu ver-
ehren und anzubeten, bind doch wußte sie,
daß er genau so wie die andern Männer mit
beiden Händen zugegriffen hätte, wenn sie
anders zu ihm gekommen wäre. Es ging
nicht mehr weiter, sie wollte ihm die Maske
vom Gesicht reißen, sie wollte die Gier in

seinen Augen aufleuchten sehen; er, der tat,
als ob nur die Gesetze einer andern Welt für
ihn Geltung hätten — und der andere den
Preis dafür zahlen ließ.

An einem Abend, als sie mit ihm ungestört
in einem hellerleuchteten, warmen Lokal faß,
und er, auf die bihr schauend, zum 'Aufbruch

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VON ALFRED GRÜNEWALD

Wie traurig sind die kleinen Nachtlokale!

Die Tanzmusik — ein klägliches Finale —
quillt auf die Gaste, die schon menschenleer.
Hier stockt die Zeit. Es gibt kein Morgen mehr.
Mit ödem Lächeln singt die Chansonette,
als ob sie längst nichts mehr zu sagen hätte.
Ein blasser Mensch zeigt seine Kartenkünste.
Tabakrauch, Schweiß, Parfüm und andre

Dünste

vermischen sich zu dumpfer Atmosphäre.

Ein Deklamator deklamiert ins Leere.

Am Pianino sitzt der Humorist.

Es glaubt ihm keiner, daß er lustig ist.

mahnen wollte, sagte sie plötzlich — das
Herz klopfte ihr doch ein wenig dabei —:
„Wollen Sie mich nicht einmal zu Ihnen
lasten?"

Er sah sie fragend an und schien sie nicht
zu verstehen.

Sie wiederholte und konnte dabei nicht
hindern, daß ein Erröten ihre Wangen färbte:
„Ich meine, wann darf ich einmal zu Ihnen
kommen?"

Er schwieg, sah sie an. Nun verstand er
sie. bind der reife, kluge Mann, dem das
Leben die Seele genug mit Staub und
Schmutz bedeckt haben mochte -und der ihm
dafür wieder Staub und Schmutz zurück-
gegeben hatte, — wahrhaftig, er errötete,
sie sah es genau! Er schien bewegt. Er
glaubte wohl nicht anders, als daß hier ein
junger Mensch in der Stärke seiner Leiden-
schaft einfach zu ihm drängte, ohne zu wipen,
was er eigentlich verschenken wollte. Er um-
sing sie mit einem weichen Blick und sagte
leise: „Man darf nicht alles wollen, was
man will".
Register
Bernhard Gasde: Im Kaffeehaus
Alfred Grünewald: Konzert-Café Macabre
 
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