Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

DOI Heft:
Nr. 51
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0818
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Intermezzo

„Hallo, was starrst du denn so zum Nebentisch hinüber?"

„Laß' mich nen Augenblick, ich begehre gerade meines Nächsten Werb!"

den Kaffee nur auS einer Schale mit Unter-
tasse trinken kann, jawohl — so bin ich.

Ich komme mir manchmal ganz verteufelt
vor. He, . . . vor drei, vier Jahren noch im
Straßengraben, und heute! He, Stavanger
Fred, was du wohl sagen würdest!

Stavanger Fred war mein einziger Freund.
Ich lernte ihn in Captown kennen, in Kenne-
dys Bar. Zwischen Goldsuchern und Pelz-
jägern, Hasendirnen und Matrosen und ande-
rem Zeugs, das eben in Spelunken zu Hause
ist. Wir heuerten auf ein Schiff, wuschen das
Deck, krochen mit dieser elendigen Kiste nach
Mombasa hinaus. Stop! Verliebten uns in
Kilindi Hals über Kopf in eine schwarze
Braut. Wir nahmenS uns nicht übel. Sie
wollte keinen von beiden. Weiter. Uber Doi,
blrga Naronga, hinein in den afrikanischen
Busch. Uber den Viktoria Nyansa in einer
Nußschale von einem Boot.

Dann, an einem weichen Abend Rast in
der baumbestandenen Steppe. Ich legte mich
nieder, streckte mich lang aus. Fred ging, nach
eßbaren Dingen zu suchen. Lange Zeit lag ich.
Nichts rährte sich. Plötzlich ein Schuß! Ich
springe auf. Daß dich! Lachend stand Fred
im Hintergrund, — drei Schritt vor mir
peitschte eine Boa die Erde. Fred hatte mir
das Leben gerettet. Die Schlange trugen wir
seitwärts in die Büsche.

Dann aßen wir. Aber die Müdigkeit, die
in unseren Gliedern war, ließ uns vorzeitig
einschlafen. Wie wohl das tat!

Plötzlich ein Schrei! Ich sprang aus. Der
Mond schien. Freds Messer blinkte. Die
Platanen zitterten. Ich riß die Augen aus.
Neben mir ächzte Fred, eingehüllt in den
Körper einer riesigen Schlange. Ich riß mein
Messer aus dem Gürtel, unter wahnsinniger
Anstrengung suchte ich den Körper der
Schlange zu trennen, den Kopf von uns
abzuhalten. Zu spät! Als nach übermensch-

ß^eßern unJ l\

una neule

RUDOLF MATOUSCHEK

EINE ERINNERUNG VON

Ich bin in meinem Leben viel gewandert.
Ich habe drei Erdteile gesehen. Ich habe
Europa, Amerika und Afrika kreuz und quer
abgestroist. Allein, zu zweit. Ost rudelweise.
Ich habe Globetrotter aus aller Herren
Länder gekannt, solche, die aus Berufung
wunderten, und solche, die ein widriges Schick-
sal aus die Landstraße warf, die diese Epoche
nur als Übergang, als Sprungbrett, wenn
man so sagen kann, für ein künftiges, besseres
Dasein ansahen. Manche tauchten gespenstisch
auf, in der Nacht, zwei, drei Stunden gingen
sie an meiner Seite. Vorbei! Ich traf sie
nie mehr. Wir wurden gute Freunde, oh —
was für gute Freunde wurden wir. Rund
um ein Feuer saß ich oft mit dunklen Gesellen,

schwarzhaarigen Vagabunden, weißblonden
Bestien, Nachfahren der Wikinger. — DaS war.

Heute habe ich eine hübsche Wohnung,
mit hübschen roten Vorhängen, die Fenster-
rahmen sind weiß gestrichen, der Salon ist
im Maria - Theresia - Stil eingerichtet. Ich
empfange schöne Frauen, und oftmals, am
Abend, kommen dickbäuchige Kommerzialräte
zu mir, Fabrikanten, Gott weiß wer aller.
Ich bin 28 Jahre alt, und wenn es regnerisch
wird, k>abe ich Rheuma, so allgemein und
im besonderen einen viehischen Schmerz im
rechten Oberarm, das rührt von einer alten
Stichwunde her, die aber schon längst ver-
narbt ist. blnd fragt mich einer um meine
Lebenshaltung, so muß ich betonen, daß ich

Lelbstporträt von kullolt Matouschek
al8 amerikanischer Matrose

814
Register
Rudolf Matouschek: Selbstporträt von Rudolf Matouschek
Rudolf Matouschek: Gestern und heute
Wilhelm Thöny: Intermezzo
 
Annotationen