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Von Adele Jellinek Fortsetzung von Seite 8lZ-
ihren, er begriff sie noch immer nicht. Ein
leiser Argwohn ging über seine Stirne und
so, als hätte er eine Frage gesiebt, antwortete
sie mit einem festen: „Ja!"
Nun verstand er sie. Er ließ ihre Hand
fallen und starrte sie an. Dann beugte er
sich im Stuhle vor und sagte — und merk-
würdig war dieser Ton spöttischer, beinahe
gemeiner Vertraulichkeit — oder kam eS ihr
nur so vor? —: „bind so ein feines Spiel
haben Sie gespielt?"
„Ja, war das nicht fein! Die Mutter
wartet. Gott, vielleicht wartete sie mit den
warmen Filzpantoffeln an der Tür! Oder
sie stellte ein Verhör an, ob mich ein Mann
angeblickt hatte, oder nicht. Sie wartete nicht
einmal damals, als ich mich als halbwüchsiges
Ding in den Hinterhöfen herumtrieb, weil
das das einzige Leben war, das wir kannten.
Sie konnte nicht auf mich warten, weil sie
für sechs Mäuler Brot schaffen mußte, blnd
£iann — sehen Sie, die alte Geschichte . . .
Wenn ich das irgendwo lese, spucke ich aus.
Aber wenn es einem just selber passiert?"
Er hatte ihr bewegungslos zugehört. Was
dachte er? „Aber," sagte er dann, „da Sie
so eine erfahrene — so ein erfahrenes Fräu-
lein sind, warum dann das ganze Spiel?"
Sie lachte. „Nun ja, war es nicht schön?
Warum sollte ich mich wehren, wenn Sie
mich durchaus in diese Uniform stecken
wollten? Ihnen kostete es ja nicht viel, Sie
waren ja satt, warum sollte nicht ein anderer
für Sie rein und hungrig sein! Und mir?
Nun so ein Spiel war wert, daß man eine
Zeit von Rettich und Brot lebte und kein
ganzes Hemd mehr am Leibe hatte, bind daß
einem die Wirtin täglich mit dem Hinaus-
fliegen drohte, bind sehen Sie, wenn unser-
eins fliegt, dann fliegt eS meist gleich bis auf
den Grund, das muß man wissen."
Er stand langsam auf, nahm seine Brief-
tasche aus dem Rock.
„Nein!" schrie sie plötzlich traurig-erschrocken
und hielt abwehrend die Hand vor. Mit
plötzlicher Klarheit erkannte sie, daß eS ihm
gegenüber keinen Mittelweg gab, daß sie ihm
gegenüber ihre eigene Art nicht mehr fand.
Er hatte mit einer unsicheren Bewegung
sofort die Brieftasche sinken lassen, und mit
einem sonderbaren Glück empfand sie, daß sie
hier noch immer der „andere Mensch" war,
der Macht über ihn besaß. Sie stand auf,
sie hatte wieder ihre Sicherheit gewonnen.
Hier gab eö keinen Weg mehr. Der alte war
verschüttet, der andere war nicht möglich.
„Wissen Sie noch," sagte sie plötzlich mit
einem Lächeln, „wie Sie einmal meine Hände
küßten? Sie taten eS ganz anders als ihre
Vorgänger, nicht mit der Gier in den Augen.
Es war doch schön, daß Sie einen armen
Menschen ehrten. War es nicht schön?"
Er schwieg.
„Ja, eS hätte doch anders werden können,
wenn seinerzeit jemand auf mich .gewartet
hätte. Aber eS wartete niemand, und das
Leben wartete auch nicht, und der Hunger
und die Gemeinheit warteten auch nicht. So
ist es. Wollen Sie mir nicht Adieu sagen? ..
NOVOPIN-NERVBRAN NIWE 0 M
DIE Neruen belebende, Körper und Geist
erfrischende Abreibung! — Wohltuend
bei Ermattungszuständen jeder Art I —
70 Münchener Künstler
WEIHNACHTS-
AUSSTELLUNG
GALERIE HEINEMANN
München - Lenbachplatz 5 u. 6
Eintritt trei
liUinAebwlle.
UERDINGEN A RH
ßOPPEESPATEttl
r—
J
.AV
GABRIEl>^-^^^SEDLMAYR|
BRRUEREIzumSPATEN
MÜNCHEN
Der versanö
itt Fässern und
Flaschen unserer
unübertroffenen
Starkbiere
Doppel-Spaten
Franciscus-Dier
beginnt
Mitte Dezember
Ausschank
kn öapern beginnt
am 12. März 1930
St.ssmnciscus
v- -Vier
Gabriel u. Iof. Seölmapr
Spaten-Zranziskaner-Leistbräu G
München
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehureo
820
1929 / JUGEND Nr. 51
Von Adele Jellinek Fortsetzung von Seite 8lZ-
ihren, er begriff sie noch immer nicht. Ein
leiser Argwohn ging über seine Stirne und
so, als hätte er eine Frage gesiebt, antwortete
sie mit einem festen: „Ja!"
Nun verstand er sie. Er ließ ihre Hand
fallen und starrte sie an. Dann beugte er
sich im Stuhle vor und sagte — und merk-
würdig war dieser Ton spöttischer, beinahe
gemeiner Vertraulichkeit — oder kam eS ihr
nur so vor? —: „bind so ein feines Spiel
haben Sie gespielt?"
„Ja, war das nicht fein! Die Mutter
wartet. Gott, vielleicht wartete sie mit den
warmen Filzpantoffeln an der Tür! Oder
sie stellte ein Verhör an, ob mich ein Mann
angeblickt hatte, oder nicht. Sie wartete nicht
einmal damals, als ich mich als halbwüchsiges
Ding in den Hinterhöfen herumtrieb, weil
das das einzige Leben war, das wir kannten.
Sie konnte nicht auf mich warten, weil sie
für sechs Mäuler Brot schaffen mußte, blnd
£iann — sehen Sie, die alte Geschichte . . .
Wenn ich das irgendwo lese, spucke ich aus.
Aber wenn es einem just selber passiert?"
Er hatte ihr bewegungslos zugehört. Was
dachte er? „Aber," sagte er dann, „da Sie
so eine erfahrene — so ein erfahrenes Fräu-
lein sind, warum dann das ganze Spiel?"
Sie lachte. „Nun ja, war es nicht schön?
Warum sollte ich mich wehren, wenn Sie
mich durchaus in diese Uniform stecken
wollten? Ihnen kostete es ja nicht viel, Sie
waren ja satt, warum sollte nicht ein anderer
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Nun so ein Spiel war wert, daß man eine
Zeit von Rettich und Brot lebte und kein
ganzes Hemd mehr am Leibe hatte, bind daß
einem die Wirtin täglich mit dem Hinaus-
fliegen drohte, bind sehen Sie, wenn unser-
eins fliegt, dann fliegt eS meist gleich bis auf
den Grund, das muß man wissen."
Er stand langsam auf, nahm seine Brief-
tasche aus dem Rock.
„Nein!" schrie sie plötzlich traurig-erschrocken
und hielt abwehrend die Hand vor. Mit
plötzlicher Klarheit erkannte sie, daß eS ihm
gegenüber keinen Mittelweg gab, daß sie ihm
gegenüber ihre eigene Art nicht mehr fand.
Er hatte mit einer unsicheren Bewegung
sofort die Brieftasche sinken lassen, und mit
einem sonderbaren Glück empfand sie, daß sie
hier noch immer der „andere Mensch" war,
der Macht über ihn besaß. Sie stand auf,
sie hatte wieder ihre Sicherheit gewonnen.
Hier gab eö keinen Weg mehr. Der alte war
verschüttet, der andere war nicht möglich.
„Wissen Sie noch," sagte sie plötzlich mit
einem Lächeln, „wie Sie einmal meine Hände
küßten? Sie taten eS ganz anders als ihre
Vorgänger, nicht mit der Gier in den Augen.
Es war doch schön, daß Sie einen armen
Menschen ehrten. War es nicht schön?"
Er schwieg.
„Ja, eS hätte doch anders werden können,
wenn seinerzeit jemand auf mich .gewartet
hätte. Aber eS wartete niemand, und das
Leben wartete auch nicht, und der Hunger
und die Gemeinheit warteten auch nicht. So
ist es. Wollen Sie mir nicht Adieu sagen? ..
NOVOPIN-NERVBRAN NIWE 0 M
DIE Neruen belebende, Körper und Geist
erfrischende Abreibung! — Wohltuend
bei Ermattungszuständen jeder Art I —
70 Münchener Künstler
WEIHNACHTS-
AUSSTELLUNG
GALERIE HEINEMANN
München - Lenbachplatz 5 u. 6
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Der versanö
itt Fässern und
Flaschen unserer
unübertroffenen
Starkbiere
Doppel-Spaten
Franciscus-Dier
beginnt
Mitte Dezember
Ausschank
kn öapern beginnt
am 12. März 1930
St.ssmnciscus
v- -Vier
Gabriel u. Iof. Seölmapr
Spaten-Zranziskaner-Leistbräu G
München
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend“ Bezug zu nehureo
820
1929 / JUGEND Nr. 51