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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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Nr. 52
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Verfehlte Spekulation
„Das hat man nun «davon, wenn man
den Eltern Kindlichkeit vormimt, daß man
zu Weihnachten 'ne Puppe bekommt!"

meine Erfahrungen jemacht!" — „Armer
Egoist!" schrie da das Christkindchen entsetzt
auf und stog so rasch aus dem Fenster hinaus,
daß es mit der Flügelspitze eine Flasche
Hennessy umstieß.

In einem anderen, behaglichen Zimmer saß
ein junger Mann und weinte krampfhaft vor
sich hin. Ein Christbäumchen, wie mit Absicht
recht armselig aufgeputzt, stand auf dem
Schreibtisch.

„Weshalb bist d u so einsam?" fragte
mitleidsvoll das Christkind, „hast du denn
keine lieben Menschen auf der Welt, die
dich einluden?"

„Doch", schluchzte der junge Mann, und
wies auf die Briefe, die vor ihm ausgebreitet
waren.

„bind weshalb gehst du nicht zu deinen
Freunden?" fragte das Christkindchen nun
etwas spöttisch.

„Ich kann eS dir nicht sagen", schnupfte
der junge Mann in sein Schnupftuch hinein.

„Aber i ch kann es!" rief das Christkind
unwillig, „die Lust, dich zu bemitleiden, ist
stärker als die, anderen Menschen eine Freude
zu machen. Besten Falles eignest du dich für
eine Illustration, blnd hiermit schmeiße ich dir
den Lichterbaum zum Fenster hinaus, denn du
bist seiner noch weniger würdig als der andere
Egoist."

klnd so fand daS Christkind denn nirgends
mehr wirklich einsame Menschen, denn
diese lagen schon längst im Bett und schliefen.
WaS sollten sie auch anderes tun?

Augustin

(}{_Jeiliria£litli£lie ^C^iJ'Kvingen

Die Nachbarn knurren nicht mehr beim

Begegnen

Im Treppenhaus' sich an wie scharfe Hunde.
Die Nachbarinnen lächeln mit verlegnen
Gesichtern, statt zu zischen mit dem Munde!
Selbst in den Ehen ist unwidersprochen
Ein kleiner Waffenstillstand auSgebrochen.

Ein Prachtmahl stellt die Käthe auf den

Eßtisch:

Sie speist gern gut und ist der Küche kundig.
Doch steht ein Schlangenfraß auf deinem

Festtisch,

So war das Christkind gegen Käthe schundig.
Ich aber sage dir als „Mädchen"-Kenner:
Sie sagt euch „Lebewohl" am ersten Jänner!
Sind deine Angestellten dir gewogen.

So hast du's den Geschenken zuzuschreiben;
Doch sind sie leer aus deiti Geschäft gezogen,
So magst du ihnen selbst gewogen bleiben:
Wer sie nicht gerne hat in Form von Gaben,
Der — kann sie — andern Ortes — gerne

haben!

Die Kinder brüllen, mit dem Spielzeug

spielend,

Genau so stark, wie jene Kinder brüllen,
Die, auf das leere Weihnachtstischchen

schielend,

Ihr Mißvergnügen vor der Welt enthüllen.
Ich bitt' euch, arme Kinder, laßt das

Kümmern:

Die andern hau'n das Zeug doch nur zu

Trümmern!
Beda Hafen

Der Nörgler

,/§ür die Kirchensteuern, wo i zahl', kunnten's die WeihnachtSglorken schon länger läuten!"

M i ß v e r s t ä n d n i S

„Weißt du denn, Märchen, wer das ist?"
„Ja, n alt gewordenes Chriftkindchen."

^}{Jeihna!hts=(-Jjialog

„Horch mal her, Muddi."

„WaS denn, Loddchen?"

„Nächsde Weihnachdn sorchsdu dasier, daß
dr Babba ooch Schbielzeuch grichd."

„Wie gommsdu denn auf die Idee?"

„Ach, es iS bloß, weil ich nächsde Weih-
nachdn gern mid meinen eigenen Schbielsachn
schbieln mächde..."

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(
Register
Walter Herzberg: Verfehlte Spekulation
Kurt Werth: Der Nörgler
Walter Busch: Mißverständnis
Beda Hafen: Weihnachtliche Wirkungen
[nicht signierter Beitrag]: Weihnachts-Dialog
 
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