Ai. Menzel
un
CJ)er (qeitere
d die (S>ntruf{eien
Daß man es heute einem Menschen übel-
nimmt, wenn er über daS Maß vergnügt ist,
daS konnte man den vielen Mißvergnügten
und versorgten Zeitgenossen nicht verdenken.
Es ist schwer, einen anderen lachen zu sehen,
und selber keinen Grund dazu za haben. Aber
es scheint eben nur schwer zu sein, mitzulachen
und nicht zu wissen, aus welchem Grunde er
lacht.
Da steht auf dem Platz vor dem Bahnhof,
wo die Autobusse halten, ein Herr, der auS
einem unerdenklichen Grunde so heiter ist, als
hätte er das große Los gewonnen, oder als
wäre ihm sonst etwas ungewöhnlich Glück-
liches passiert. Er kann seine Heiterkeit nicht
zurückhalten, er kann sie nicht verstecken, er
muß sic aller Welt zeigen, blnd daS mitten
auf einem großen Platz. Er ist klein und mit
einer etwas auffallenden, aber nicht mehr-
ganz tadellosen Eleganz gekleidet. Er zieht
seine naturfarbenen Lederhandschuhe immer
an und auS, als wäre es ein neues (Spielzeug,
das er entdeckt hat. Er schiebt seinen weichen,
grauen Hut einmal aus daS linke, einmal auf
das rechte Ohr, er schiebt ihn inS Gesicht, er
schiebt ihn auf die Nase. Er hat feine
gamaschenbekleideten Schuhe in einem so
merkwürdigen Winke! gestellt, als versuche er,
Chaplin zu kopieren. Plötzlich steht er aus den
Spitzen, im nächsten Augenblick dreht er sich
aus den Absätzen.
Jeder sieht es, er will mit dem Autobus
fahren, blnd jetzt eben erkundigt er jich nach
der Abfahrtszeit. Er tut so, als wäre der
AutobuS nur für ihn da und als wäre es eine
Ehre für den Autobus, wenn er ihn benützte.
Es ist noch zwei Minuten Zeit bis zur Ab-
fahrt. blnd der Vergnügte benützt die zwei
Minuten, um gleich auf dem Bahnhofplatz
eine Bühne aufzufchlagen. Er läuft in be-
dachten Kurven um die fortjagenden Autos
herum. Er begrüßt mit komischem Zeremoniell
jeden einzelnen Menschen, der vorbeigeht. Er
lacht und jingt lachend eine heitere Melodie.
Es ist wirklich so, als stünde er auf der
Bühne. WaS nimmt schon so ein Großstädter
Notiz von einem einzelnen Herrn. Kaum ein
erstaunter Blick, kaum ein Lächeln. Die Zeit
ist nicht vergnügt, die Menschen sind eS nicht.
^Han denkt vielleicht, da ist ein Betrunkener.
Ntag er schon dastehen!
Aber der Autobus hat sich gefüllt, und
die Menschen, die
auf den Lederbänken
»sitzen, sitzen lvie in
einem Theater, blnd
sie können nicht an-
ders, als die Heiter-
keit dieses fremden
Herrn zu bemerken,
blnd wie bemerken
sie sie! £), mein Lie-
ber, Sie haben ein
schlechtes Publikum.
Sie sind auf eine
falsche
raten.
Ihre Scherze, Ihre
Drolligkeiten, Ihr
Übermut, Ihre Heiter-
keit ohne Wirkung. Oder es ist eine Wirkung,
die Sie gewiß nicht beabsichtigen. (Wenn Sie
überhaupt an eine Wirkung denken und nicht
ganz nur selbst in Ihre Heiterkeit verliebt
sind.) Ihre Heiterkeit steckt nicht an, leider!
Sie macht die versorgten und vergrämten, die
mißmutigen und dumm-ernsten Gesichter nicht
im geringsten fröhlicher. Es fitzt da ein
Publikum, dom Ihre Heiterkeit unverständlich
ist. ^Nan findet Ihr Benehmen unpassend.
Man murmelt mißachtende Äußerungen.
Man belächelt sie nicht einmal. Man ärgert
sich nur.
Ach, nur ein Junge drückt sein Gesicht an
die große Scheibe, blnd dieses Jungengesicht
spiegelt jeden Ihrer heiteren Züge wieder.
Di e se r Ju ng e l a ch t und
ist vergnügt wie Sie.
Ihn haben Sie an-
gesteckt, aber er ist
auch der Einzige. Wie
können Sie aber auch
in einer ernsten Stadt
an einem so aust'älli-
gen Orte und ohne
jeden ernstlichen Grund
so heiter sein? Ist
denn wirklich etwas
so großes Glückhaftes
passiert? Oder sind
Sie einfach program-
matisch heiter, von
Natur auö, von
Schicksal wegen?
Bühne ge-
Hier bleiben
fy/ruß an di
as neue
fjahr !
Ob du aus Eisen oder Pappe bist,
Ob du nur stäubst, ob du den Staub auch fegst,
Ob du uns Beine stellst, ob du uns weiterträgst,
Ob du uns nährst, ob du nur von uns frißt,
Ob du uns Freuden oder Leiden bringst,
Ob du uns hilfst, ob du uns weit re Not,
Ob du uns Schatten bringst, ob Morgenrot,
Ob du mit uns um neue Freiheit ringst,
Ob du uns strenge oder mild berührst,
Ob du das Leben, ob du Tod im Haar,
Ob du uns abwärts oder aufwärts führst,
W i r g r ü ß e n dich!
Willkommen neues Jahr!
Herbert Schildknecht
Julius Kreis
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CJ)er (qeitere
d die (S>ntruf{eien
Daß man es heute einem Menschen übel-
nimmt, wenn er über daS Maß vergnügt ist,
daS konnte man den vielen Mißvergnügten
und versorgten Zeitgenossen nicht verdenken.
Es ist schwer, einen anderen lachen zu sehen,
und selber keinen Grund dazu za haben. Aber
es scheint eben nur schwer zu sein, mitzulachen
und nicht zu wissen, aus welchem Grunde er
lacht.
Da steht auf dem Platz vor dem Bahnhof,
wo die Autobusse halten, ein Herr, der auS
einem unerdenklichen Grunde so heiter ist, als
hätte er das große Los gewonnen, oder als
wäre ihm sonst etwas ungewöhnlich Glück-
liches passiert. Er kann seine Heiterkeit nicht
zurückhalten, er kann sie nicht verstecken, er
muß sic aller Welt zeigen, blnd daS mitten
auf einem großen Platz. Er ist klein und mit
einer etwas auffallenden, aber nicht mehr-
ganz tadellosen Eleganz gekleidet. Er zieht
seine naturfarbenen Lederhandschuhe immer
an und auS, als wäre es ein neues (Spielzeug,
das er entdeckt hat. Er schiebt seinen weichen,
grauen Hut einmal aus daS linke, einmal auf
das rechte Ohr, er schiebt ihn inS Gesicht, er
schiebt ihn auf die Nase. Er hat feine
gamaschenbekleideten Schuhe in einem so
merkwürdigen Winke! gestellt, als versuche er,
Chaplin zu kopieren. Plötzlich steht er aus den
Spitzen, im nächsten Augenblick dreht er sich
aus den Absätzen.
Jeder sieht es, er will mit dem Autobus
fahren, blnd jetzt eben erkundigt er jich nach
der Abfahrtszeit. Er tut so, als wäre der
AutobuS nur für ihn da und als wäre es eine
Ehre für den Autobus, wenn er ihn benützte.
Es ist noch zwei Minuten Zeit bis zur Ab-
fahrt. blnd der Vergnügte benützt die zwei
Minuten, um gleich auf dem Bahnhofplatz
eine Bühne aufzufchlagen. Er läuft in be-
dachten Kurven um die fortjagenden Autos
herum. Er begrüßt mit komischem Zeremoniell
jeden einzelnen Menschen, der vorbeigeht. Er
lacht und jingt lachend eine heitere Melodie.
Es ist wirklich so, als stünde er auf der
Bühne. WaS nimmt schon so ein Großstädter
Notiz von einem einzelnen Herrn. Kaum ein
erstaunter Blick, kaum ein Lächeln. Die Zeit
ist nicht vergnügt, die Menschen sind eS nicht.
^Han denkt vielleicht, da ist ein Betrunkener.
Ntag er schon dastehen!
Aber der Autobus hat sich gefüllt, und
die Menschen, die
auf den Lederbänken
»sitzen, sitzen lvie in
einem Theater, blnd
sie können nicht an-
ders, als die Heiter-
keit dieses fremden
Herrn zu bemerken,
blnd wie bemerken
sie sie! £), mein Lie-
ber, Sie haben ein
schlechtes Publikum.
Sie sind auf eine
falsche
raten.
Ihre Scherze, Ihre
Drolligkeiten, Ihr
Übermut, Ihre Heiter-
keit ohne Wirkung. Oder es ist eine Wirkung,
die Sie gewiß nicht beabsichtigen. (Wenn Sie
überhaupt an eine Wirkung denken und nicht
ganz nur selbst in Ihre Heiterkeit verliebt
sind.) Ihre Heiterkeit steckt nicht an, leider!
Sie macht die versorgten und vergrämten, die
mißmutigen und dumm-ernsten Gesichter nicht
im geringsten fröhlicher. Es fitzt da ein
Publikum, dom Ihre Heiterkeit unverständlich
ist. ^Nan findet Ihr Benehmen unpassend.
Man murmelt mißachtende Äußerungen.
Man belächelt sie nicht einmal. Man ärgert
sich nur.
Ach, nur ein Junge drückt sein Gesicht an
die große Scheibe, blnd dieses Jungengesicht
spiegelt jeden Ihrer heiteren Züge wieder.
Di e se r Ju ng e l a ch t und
ist vergnügt wie Sie.
Ihn haben Sie an-
gesteckt, aber er ist
auch der Einzige. Wie
können Sie aber auch
in einer ernsten Stadt
an einem so aust'älli-
gen Orte und ohne
jeden ernstlichen Grund
so heiter sein? Ist
denn wirklich etwas
so großes Glückhaftes
passiert? Oder sind
Sie einfach program-
matisch heiter, von
Natur auö, von
Schicksal wegen?
Bühne ge-
Hier bleiben
fy/ruß an di
as neue
fjahr !
Ob du aus Eisen oder Pappe bist,
Ob du nur stäubst, ob du den Staub auch fegst,
Ob du uns Beine stellst, ob du uns weiterträgst,
Ob du uns nährst, ob du nur von uns frißt,
Ob du uns Freuden oder Leiden bringst,
Ob du uns hilfst, ob du uns weit re Not,
Ob du uns Schatten bringst, ob Morgenrot,
Ob du mit uns um neue Freiheit ringst,
Ob du uns strenge oder mild berührst,
Ob du das Leben, ob du Tod im Haar,
Ob du uns abwärts oder aufwärts führst,
W i r g r ü ß e n dich!
Willkommen neues Jahr!
Herbert Schildknecht
Julius Kreis
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