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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0024
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Kurt Werth

Liebesduett am Mikrophon
„— — doch niemand soll auS meinem Mund es hören, daß ich dich

l i e—ie—i e—ie—b e!"

Abenteuer nicht minder. Man müßte eine Frau haben, sagt er sich,
einen Menschen, mit dem man in seelischer Intimität verbunden \\i,
damit man weiß, wohin man gehört.

Immer neue, immer fremde Gesichter um sich haben, das ist nichts,
denkt er, während er so umherwandert, schließlich verarmt, verdorrt,
verdunstet man bei einem solchen Leben. Er möchte einmal nach Hause
kommen und es erleben, daß jemand dort froh aus ihn wartet, er
möchte haben, daß jemand sich um ihn kümmert, wenn er Sorgen
hat, daß jemand mit ihm leidet, sich mit ihm freut.

Er irrt durch die halbe Stadt und blickt in hundert Gesichter
hübscher Mädchen, ohne einer den Vorzug geben zu können. Was
nützt einem alle Freiheit der Erde, wütet er gegen sich selbst, wenn
sie Fremdheit, Vereinsamung, Überstüsiigkeit wird, wenn einem der
Gegensaß abhanden kommt, um sie noch wohltätig fühlen zu können,
das Maß, an dem sie gemessen werden kann?

Ach! Schließlich landet er doch in einem der Restaurants und
blickt, während er lustlos an einem kleinen Tische sitzt, zu einem
Paare hin, das mit Behagen tafelt und sich voll Heiterkeit unterhält,
das unbegierig, entspannt und beruhigt Wärme ausstrahlt bis hin
zu Ihm, dem lächerlichen Eigenfüchtler, der so lange mit sich geizen
wird, bis er abgestanden und fade ist, biS'niemand ihn mehr haben
will. Was dann?

Heiraten Sie und Heirat eit Sie nicht!

Ein klarer, wolkenloser NIorgen. Beide, ein neues Paar, haben
Zeit. Er hat etwas vor. Sie nicht. Sie frühstücken zusammen und
haben beide gut geschlafen.

„Ich habe^etwas vor", sagt er. „Ich könnte es so einrichten,
daß ich zu Tisch komme, aber ich möchte lieber ungebunden sein.
Vielleicht esse ich allein irgendwo, vielleicht auch zu Zweien."

„Schön," sagt sie, „dann läge ich gar nicht kochen. Dann esse
ich erst abends ordentlich, am Nachmittag habe ich in der Stadt
zu tun. Unterhalte dich gut!"

„Ja, hoffentlich!"

„Abends bist du zurück?"

„Abends bin ich auf alle Fälle zurück."

Ein paar Stunden später sieht sie ihn neben einem jungen Mädchen
in einem Auto sitzen. Er lacht und fährt an ihr vorbei, ohne sie
zu bemerken. Sie schaut ihm nach, dann schmunzelt sie und wandert
weiter, in die Bibliothek, die sie verwaltet. Sie treffen sich erst wieder
abends bei Tisch. Sie reichen sich die Hände, setzen sich und speisen
mit Appetit. Sie sprechen über dies und das und sind beide in guter
Laune.

„Ich habe dich heute nachmittag gesehen", fällt ihr nach einer
Weile ein.

„Im Auto?"

//xjß.

„Denke dir," beginnt er plötzlich lachend, „ich bin fürchterlich
hineingefallen mit diesem Gänschen, das mir so gut gefällt. Erstens
hat dieses vorsintsiutliche Geschöpf keinen Beruf und infolgedessen
vielzuviel übrige Zeit, und dann ist sie eifersüchtig. Als ich ihr sagte,
daß ich verheiratet sei, wurde sie richtig böse und rückte von mir ab.
Als ich sie fragte, ob sie denn gar nichts arbeite, meinte sie, nein,
das habe sie nicht nötig. Sie hat durchaus keinen eigenen Lebens-
inhalt, verstehst du?"

„Aber sehr hübsch ist sie, soviel ich gesehen habe."

„Gewiß," sagt er, „doch von der Küsserei hat man ja bald genug.
Dieses arme Ding wird ein paar Männern zum Zeitvertreib dienen,
und dann ist ihre gute Zeit vorbei."

„Vielleicht wird sie einer lieben?"

„Nicht lange," ruft er bestimmt, „sie wird einem sehr schnell lästig

Wilhelm Thöny, Graz

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Der Praktiker

„Wat kümmern mich Ausblicke uff die Zukunft! Ick nehme Ein-
blick in die I e j e n w a r t !"
Register
Kurt Werth: Liebesduett am Mikrophon
Wilhelm Thöny: Der Praktiker
 
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