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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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3 o [• Sauer

erschaffen zu können. Diesen Genuß gönnt
er unö. -Wieso will er uns den anderen
beschneiden, Leben auch auszulöschen?"

„Sie finden Genuß in dem Gedanken?"

„Nicht gerade — aber doch am Ende Be-
friedigung. Die Millionen von Leben, die in
großen Kriegen verplempert werden, lösen
ohne Zweifel mannigfache Genußgefühle aus:
bei den Siegern, den Übervölkerten, den wirt-
schaftlich Schwächeren, den geistig Ärmeren.
Soll man ihnen nicht die Freude gönnen?"

„Lassen wir das. Weiter und ewig wird
bestehen das Tötungsverbot — außer bei
ganz reinen hohen Zielen."

„Religiösen, vaterländischen?"

„Jawohl!"

„Aber hören Sie", rief Bleibeil heftig,
„wie ist eS denn damit: in eines Menschen
Hand liegt die Möglichkeit, den ganzen Erd-
ball auSzurotten. Was soll er tun?"

„In keines Menschen Hand ist solch ein
Frevel gelegt", wehrte der Priester un-
willig ab.

„Nehmen wirS mal an."

„Gott würde es niemals zulassen."

„Gott hat auch zugelassen, daß man daS
Radio erfand."

„Schmähen Sie den Höchsten nicht."

„Helfen Sie mir doch!"

„Worin?"

„Das Rechte zu finden. Was soll ein
Mensch tun, der im Nu alle anderen Men-
schen zu töten vermag?"

„Sich demütigen, seinen hoffärtigen Irr-
glauben an solche Macht ablegen. Aner-
kennen, daß der Herr allein Meister über
Leben und Tod ist."

*

Bleibeil stand vor dem Kriegsminister seines
Landes. Die Herren waren zu erregt, um in
den Sesseln Platz zu nehmen. Sie tranken
im Hin- und Hergehen ihren Mokka.

Der Minister hatte gerade miterlebt, wie
zwei alte, demnächst auszurangierende Armee-
maulesel von Bleibeil geräuschlos um die
Ecke gebracht wurden. Den einen hatte man
in den Keller einer fernen Kaserne gesteckt,
den anderen sogar viele hundert Kilometer

Die S e n s a t i o n

weit weg an die Landesgrenze verschoben.
Beide waren nun tot — auf die Sekunde
genau. Ihr Hinscheiden hatten Telephon
und Telegraph eben gemeldet.

„Also, mein lieber Doktor", sagte der
Minister, „Sie verpflichten sich natürlich,
unter allen Umständen und für alle Zeiten
Ihre Sache da dem Reich allein zu über-
lassen, dessen Untertan Sie sind."

„Und wozu verpflichtet sich das Reich?"

„Ihre Erflndung in einer sehr angemes-
senen, sehr noblen Weise zu honorieren."

„DaS wäre alles? Welcher Schutz wird
bestehen gegen Mißbrauch?"

„Mißbrauch? Wir haben die Macht nun
in solchem Umfang, daß von Mißbrauch

überhaupt nicht mehr geredet werden kann.
Ebensogut könnte man sagen, Gott miß-
brauche seine Befähigungen. Wann schließen
wir vertraglich ab?"

„Ich — möchte mich noch nicht binden,
Exzellenz."

„Wie? Sie möchten sich nicht. — Aber
Sie sind längst gebunden: moralisch."

„Ich bin ein freier Mann."

„Wenn man solche Sachen erflndet, ifl
man nur noch insoweit frei, als Ehre und
Vaterlandsliebe Spielraum lassen. Sie haben
die Pflicht, ganz und ausschließlich der unsere
zu sein. Wenn Sie das nicht vorbehaltlos
und freudig wollen, dann —"

„Dann, Exzellenz?" (Forts Seite 4^

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H. Wolff: Die Neugier
Josef Eduard Sauer: Die Sensation
 
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