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erwert
Minderwert kennt sich oft im Leben nicht
aus. Minderwert weiß oft nicht, was in der
Weltanschauung hinten und vorn ist. So
gestern wieder. Minderwert ging über die
Straße und begegnete zwei Schutzleuten, die
einen in Ketten führten.
„Wer ist er?" fragte Minderwert.
Man antwortete ihm:
„Ein Mörder."
„Was ist ein Mörder?"
„Machen Sie keine dummen Scherze! —
Ein Mörder ist ein Mensch, der tötet."
Karl Rössing
„Also ein Fleischer?"
„blnsinn. Ein Mann, der einen Menschen
tötet."
„Also ein Soldat?"
„Nein. Ein Mensch, der einen andern im
Frieden tötet."
„Also ein Scharfrichter?"
„blnfug. Ein Mensch, der einen Menschen
im Frieden in seiner Wohnung umbringt."
Da geht ein Lächeln über Minderwerts
Gesicht und er sagt:
„Ach so — jetzt verstehe ich — ein Arzt!"
Minderwert weiß eben oft nicht, was in
der Weltanschauung hinten und vorn ist.
J. II. R.
^^Leilöevi
-fffl 1
ojjtjches
VON KURT MIETHKE
Der Schriftsteller E. hat eine Reihe von
Romanen geschrieben, die er für außerordent-
lich „pervers" hält. Da sie auch das Publi-
kum für pervers hält, hat er sowohl wie sein
Verleger ein Bombengeschäft damit gemacht.
Man fragte Roda Roda, was er von den
Büchern des E. halte.
„Diese perversen Romane", sagte er, „stel-
len der bürgerlichen Wohlanständigkeit ihres
Verfassers das beste Zeugnis aus."
Der Dichter Fritz v. blnruh wohnte — es
ließ sich nicht umgehen — einer Gesellschaft
bei, die ihm nicht mehr behagte.
Ein Freund nahm ihn bei passender Ge-
legenheit beiseite und fragte: „Ich bin er-
staunt, daß Sie soviel reden. Ich dachte, die
Leute wären Ihnen so unsympathisch?"
„Gewiß", erklärte blnruh, „das sind sie. Ich
rede, damit ich sie nicht zu hören brauche."
Bernard Shaw speiste im Hotel Exzelsior.
Vegetarisch natürlich.
Eine Zigeunerkapelle spielte. Eine wilde,
sinnliche Musik.
Shaw legte die Serviette hin und begab sich
zu dem Kapellmeister:
„Pstegcn Sie Rücksichten aus die Gäste zu
nehmen?"
„Gewiß", verneigte sich der Musikant.
„Dann spielen Sie nicht solche sieischige
Musik, ich bin Vegetarier."
Politische Versammlung
„Nu, und was sagen Sie zu dem Redner?"
„Wenn er nischt von dem glaubt, was er redet, iS er'n hochbegabter Mensch."
(^)röavnfaiionsfiei
VON 0 8 8 1 ? D y M O W
Sämtliche Angestellten der Trambahnen,
sowie anderer städtischer Verkehrsmittel Neu-
yorks, verlangten Lohnerhöhung, und da ihre
Forderungen abgelehnt wurden, proklamierten
sie den Streik.
Sie waren alle organisiert, Mitglieder der
Berufsgenossenschaften, und so verlies der
Streik in voller Ordnung. Der städtische
Verkehr wurde völlig lahmgelegt, die Ver-
kehrsgesellschaften hatten große Verluste und
beschlossen, Streikbrecher anzustellen. Am
anderen Tag erschienen hungrige, unrasierte,
mürrische Leute, die an Stelle der Konduk-
teure, der Schaffner, der Weichensteller usw.,
den Dienst versehen sollten. Hie und da
setzten sich die Wagen auch glücklich in Be-
wegung, aber sie sprangen aus den Geleisen,
fuhren über falsche Strecken, hatten große
Verspätungen. DaS Publikum war unzu-
frieden. Die Streikenden bewarfen die Streik-
brecher mit Steinen und verprügelten sie an
manchen Orten. Die Direktionen aber ent-
ließen ohne jegliche Rücksicht diejenigen, die
sich nicht bewährten, und stellten andere ein.
Da begannen auch sie zu murren.
Auf einer weiten Wiese, nahe dem Tram-
bahn-Park, in dem die Wagen „übernachte-
ten", versammelten sich zwei ausgedehnte
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erwert
Minderwert kennt sich oft im Leben nicht
aus. Minderwert weiß oft nicht, was in der
Weltanschauung hinten und vorn ist. So
gestern wieder. Minderwert ging über die
Straße und begegnete zwei Schutzleuten, die
einen in Ketten führten.
„Wer ist er?" fragte Minderwert.
Man antwortete ihm:
„Ein Mörder."
„Was ist ein Mörder?"
„Machen Sie keine dummen Scherze! —
Ein Mörder ist ein Mensch, der tötet."
Karl Rössing
„Also ein Fleischer?"
„blnsinn. Ein Mann, der einen Menschen
tötet."
„Also ein Soldat?"
„Nein. Ein Mensch, der einen andern im
Frieden tötet."
„Also ein Scharfrichter?"
„blnfug. Ein Mensch, der einen Menschen
im Frieden in seiner Wohnung umbringt."
Da geht ein Lächeln über Minderwerts
Gesicht und er sagt:
„Ach so — jetzt verstehe ich — ein Arzt!"
Minderwert weiß eben oft nicht, was in
der Weltanschauung hinten und vorn ist.
J. II. R.
^^Leilöevi
-fffl 1
ojjtjches
VON KURT MIETHKE
Der Schriftsteller E. hat eine Reihe von
Romanen geschrieben, die er für außerordent-
lich „pervers" hält. Da sie auch das Publi-
kum für pervers hält, hat er sowohl wie sein
Verleger ein Bombengeschäft damit gemacht.
Man fragte Roda Roda, was er von den
Büchern des E. halte.
„Diese perversen Romane", sagte er, „stel-
len der bürgerlichen Wohlanständigkeit ihres
Verfassers das beste Zeugnis aus."
Der Dichter Fritz v. blnruh wohnte — es
ließ sich nicht umgehen — einer Gesellschaft
bei, die ihm nicht mehr behagte.
Ein Freund nahm ihn bei passender Ge-
legenheit beiseite und fragte: „Ich bin er-
staunt, daß Sie soviel reden. Ich dachte, die
Leute wären Ihnen so unsympathisch?"
„Gewiß", erklärte blnruh, „das sind sie. Ich
rede, damit ich sie nicht zu hören brauche."
Bernard Shaw speiste im Hotel Exzelsior.
Vegetarisch natürlich.
Eine Zigeunerkapelle spielte. Eine wilde,
sinnliche Musik.
Shaw legte die Serviette hin und begab sich
zu dem Kapellmeister:
„Pstegcn Sie Rücksichten aus die Gäste zu
nehmen?"
„Gewiß", verneigte sich der Musikant.
„Dann spielen Sie nicht solche sieischige
Musik, ich bin Vegetarier."
Politische Versammlung
„Nu, und was sagen Sie zu dem Redner?"
„Wenn er nischt von dem glaubt, was er redet, iS er'n hochbegabter Mensch."
(^)röavnfaiionsfiei
VON 0 8 8 1 ? D y M O W
Sämtliche Angestellten der Trambahnen,
sowie anderer städtischer Verkehrsmittel Neu-
yorks, verlangten Lohnerhöhung, und da ihre
Forderungen abgelehnt wurden, proklamierten
sie den Streik.
Sie waren alle organisiert, Mitglieder der
Berufsgenossenschaften, und so verlies der
Streik in voller Ordnung. Der städtische
Verkehr wurde völlig lahmgelegt, die Ver-
kehrsgesellschaften hatten große Verluste und
beschlossen, Streikbrecher anzustellen. Am
anderen Tag erschienen hungrige, unrasierte,
mürrische Leute, die an Stelle der Konduk-
teure, der Schaffner, der Weichensteller usw.,
den Dienst versehen sollten. Hie und da
setzten sich die Wagen auch glücklich in Be-
wegung, aber sie sprangen aus den Geleisen,
fuhren über falsche Strecken, hatten große
Verspätungen. DaS Publikum war unzu-
frieden. Die Streikenden bewarfen die Streik-
brecher mit Steinen und verprügelten sie an
manchen Orten. Die Direktionen aber ent-
ließen ohne jegliche Rücksicht diejenigen, die
sich nicht bewährten, und stellten andere ein.
Da begannen auch sie zu murren.
Auf einer weiten Wiese, nahe dem Tram-
bahn-Park, in dem die Wagen „übernachte-
ten", versammelten sich zwei ausgedehnte
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