den Straßen des Lebens. Hier bist du nicht
mehr gezwungen, einzeln zu sein. Du bist ein
Seil der Masse; ausgenommen in ihren
Strom, gleitest auch du dahin. Es ist hübsch
und anregend, in der Dämmerung, wenn der
Himmel noch hell ist und die Lichter der
Bogenlampen sich mischen mit dem Schein
des vergehenden Tages, es ist hübsch und
anregend, um diese Zeit gepflegt, jung und
harmlos auf glattem Asphalt zu gehen,
beglückt den tänzerischen Rhythmus des
SchreitenS zu spüren und — Blicke —, huldi-
gende, die sich hinbreiten vor dich wie rote,
leuchtende Teppiche, andere, die dich aus der
Traum der jungen ddrau
Du, den ich liebe, kennst du den tiefsten Traum?
Ich sehe ein Körbchen in deinem Hause stehn,
Es hütet ein Leben, rosig, mit lichtem Flaum,
DaS wird mit deinen Augen ins Dasein sehn,
Mit deiner Stirne unter dem seidigen Haar,
Lichtsträhnen, blond, aus Sonne und Glanz
gekraust,
Nut suchendem Munde, der Sehnsucht noch
ganz und gar,
Mit einer weichen, elfenzierlichen Faust.
Und wirds eine Tochter, so soll sie dein eigen
sein
Wie nichts sonst aus Enden. In Liebe dir
untertan.
— Geh ich schon frühe die stnstere Todesbahn,
In ihrem Herzen brennt meiner Liebe Schein,
Aus ihren Augen strahlt dir die Lebensglut,
Die ihren Schein aus deiner Seele empflng,
In zarten Adern schimmert der Väter Blut,
Und ein Geheimnis scheint jeder Lockenring.
Sie wächst, sie plaudert, sie kniet, wie einst
ich gekniet,
Und lauscht deiner Stimme und spinnt an
Gedanken kraus,
Und singst du sür sie, so zwitschert sie mit im
Lied,
Summt wie ein Geigenton durch dein stilles
Haus.
Sie weiß, wann du Ruhe liebst, — wenn du
einsam bist,
Sie steht am Schreibtisch und atmet dich
ängstlich an,
Wenn dir ein Sah vor ihrem Fragen zerrann,
Doch ehe du schiltst, hat sie dich schon geküßt.
Der Junge aber, den deine Seele erträumt,
Dem säße der Schelm im Nacken, der
plauderte nicht,
Der spräche mit Stocken und hätte doch nie
versäumt,
Stillauschend zu lernen, der trüge auch dein
Gesicht.
Er würde im Dorse der Jungen König sein,
Und stünde abends müde am Küchenherd
Und sähe mit mir in die springende Glut
hinein,
Ich dürste ihn küssen, weil er sich hier nicht
wehrt.
Und wenn wir beten, so breitest du deine Hand
Auf unsere Hände, da werden die Seelen still,
Wir neigen die Stirnen und stehen in Gottes
Land. . .
D Traum aller Träume, der gerne ins Leben
will.
Hedwig Forstreuler
Seide deines Kleides schälen, daß du nackt
gehst, nackt und schön!-
Einmal: — du standest allein an einem
Wasserfall, der hoch vom Berg tosend nieder-
sprang in sieben Stürzen, quirlend in unge-
heurerKraft über Riesenquadern glatter Felsen
da hast du die Gräslein bewundert und
die bannen, die tauübersprengt sich ganz nah
zu dein lobenden wagten. Und du hast eS
ihnen nachgetan, hast dich ganz klein gemacht
und saßest so, vertrauend hingegeben, in einer
Nculde grünen Grases. Dir war, als müßtest
du nie mehr einen Gedanken denken, als wären
alle Anstrengungen überflüssig und zwecklos
und alle Weisheit läge allein im Sein
begründet. Im Bewußt-Scin der ungeheuren
Gnade des Lebens.
Das ist es. Daran hast du lange nicht
mehr gedacht. Du warst ein wenig stumpf
geworden und voller Hast, zu genießen.
Du hast dich tief in Vergnügen und Er-
leben getaucht und dabei vergessen, daß Ver-
gnügen noch nicht Freude, Erleben noch nicht
Leben ist.
Siehst du, daß du ein Stümper bist und
daß Haltsignale notwendig sind, wenn du
dich führst? Warte — und du w i r s t ge-
führt.
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mehr gezwungen, einzeln zu sein. Du bist ein
Seil der Masse; ausgenommen in ihren
Strom, gleitest auch du dahin. Es ist hübsch
und anregend, in der Dämmerung, wenn der
Himmel noch hell ist und die Lichter der
Bogenlampen sich mischen mit dem Schein
des vergehenden Tages, es ist hübsch und
anregend, um diese Zeit gepflegt, jung und
harmlos auf glattem Asphalt zu gehen,
beglückt den tänzerischen Rhythmus des
SchreitenS zu spüren und — Blicke —, huldi-
gende, die sich hinbreiten vor dich wie rote,
leuchtende Teppiche, andere, die dich aus der
Traum der jungen ddrau
Du, den ich liebe, kennst du den tiefsten Traum?
Ich sehe ein Körbchen in deinem Hause stehn,
Es hütet ein Leben, rosig, mit lichtem Flaum,
DaS wird mit deinen Augen ins Dasein sehn,
Mit deiner Stirne unter dem seidigen Haar,
Lichtsträhnen, blond, aus Sonne und Glanz
gekraust,
Nut suchendem Munde, der Sehnsucht noch
ganz und gar,
Mit einer weichen, elfenzierlichen Faust.
Und wirds eine Tochter, so soll sie dein eigen
sein
Wie nichts sonst aus Enden. In Liebe dir
untertan.
— Geh ich schon frühe die stnstere Todesbahn,
In ihrem Herzen brennt meiner Liebe Schein,
Aus ihren Augen strahlt dir die Lebensglut,
Die ihren Schein aus deiner Seele empflng,
In zarten Adern schimmert der Väter Blut,
Und ein Geheimnis scheint jeder Lockenring.
Sie wächst, sie plaudert, sie kniet, wie einst
ich gekniet,
Und lauscht deiner Stimme und spinnt an
Gedanken kraus,
Und singst du sür sie, so zwitschert sie mit im
Lied,
Summt wie ein Geigenton durch dein stilles
Haus.
Sie weiß, wann du Ruhe liebst, — wenn du
einsam bist,
Sie steht am Schreibtisch und atmet dich
ängstlich an,
Wenn dir ein Sah vor ihrem Fragen zerrann,
Doch ehe du schiltst, hat sie dich schon geküßt.
Der Junge aber, den deine Seele erträumt,
Dem säße der Schelm im Nacken, der
plauderte nicht,
Der spräche mit Stocken und hätte doch nie
versäumt,
Stillauschend zu lernen, der trüge auch dein
Gesicht.
Er würde im Dorse der Jungen König sein,
Und stünde abends müde am Küchenherd
Und sähe mit mir in die springende Glut
hinein,
Ich dürste ihn küssen, weil er sich hier nicht
wehrt.
Und wenn wir beten, so breitest du deine Hand
Auf unsere Hände, da werden die Seelen still,
Wir neigen die Stirnen und stehen in Gottes
Land. . .
D Traum aller Träume, der gerne ins Leben
will.
Hedwig Forstreuler
Seide deines Kleides schälen, daß du nackt
gehst, nackt und schön!-
Einmal: — du standest allein an einem
Wasserfall, der hoch vom Berg tosend nieder-
sprang in sieben Stürzen, quirlend in unge-
heurerKraft über Riesenquadern glatter Felsen
da hast du die Gräslein bewundert und
die bannen, die tauübersprengt sich ganz nah
zu dein lobenden wagten. Und du hast eS
ihnen nachgetan, hast dich ganz klein gemacht
und saßest so, vertrauend hingegeben, in einer
Nculde grünen Grases. Dir war, als müßtest
du nie mehr einen Gedanken denken, als wären
alle Anstrengungen überflüssig und zwecklos
und alle Weisheit läge allein im Sein
begründet. Im Bewußt-Scin der ungeheuren
Gnade des Lebens.
Das ist es. Daran hast du lange nicht
mehr gedacht. Du warst ein wenig stumpf
geworden und voller Hast, zu genießen.
Du hast dich tief in Vergnügen und Er-
leben getaucht und dabei vergessen, daß Ver-
gnügen noch nicht Freude, Erleben noch nicht
Leben ist.
Siehst du, daß du ein Stümper bist und
daß Haltsignale notwendig sind, wenn du
dich führst? Warte — und du w i r s t ge-
führt.
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