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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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FLORIAN SEIDL

Wir hatten im Felde einen Oberleutnant,
dessen Leben eine Strecke lang ungewöhnlicher
verlief, als es durch seine Natur bedingt war.
Ich mochte ihn nicht -leiden, er war mir zu
blaß, ein wenig schwamnn'g, zu sanft, zu
sehr: schöner Mann. Doch aus meine Gefühle
chm gegenüber kommt es nicht an. Gr hörte
auf den wunderbaren Namen Roman Huber,
war im Zivilberuf Künstler, Maler, und
hatte einen langen, weichen, schwarzen Doll-
bart.

Als er dekoriert wurde, irgendeinen Orden
erhielt, kam sein Bild in eine „Illustrierte".
Es wurde von einem kapriziösen, reichen
Mädchen gesehen, ihr Dater war General,
ein ganz hohes Tier, und dies Mädchen er-
klärte sofort im Kreise ihrer Freundinnen:
„Diesen Mann werde ich heiraten oder keinen!"

Die Freundinnen lachten, man war in einer
-fernen Stadt, niemand kannte den Abge-
bildeten, eS schien völlig unmöglich, den aus-
gesprochenen Vorsatz durchzuführen. Aber
was wollte man machen? Das Mädchen
beharrte: Diesen oder keinen! Man schrieb
an das Regiment, dessen Nummer dem Bilde
beigefügt gewesen, es fand sich ein Bekannter,
der dort diente, der Auserkorene war unver-
heiratet, und als er Urlaub erhielt und in

seine Heimatstadt fuhr, wurde er dort einein
Generalstöchterlein vorgestellt, das zufällig bei
Verwandten zu Besuch weilte.

Es ging, wie vorgenommen. Die beiden
verlobten sich, und als bald darauf der Krieg
beendet war, fand die Hochzeit statt. Mit
großem Aufwand und einem reichen Aufgebot
an neiderfüllten Freundinnen, denen allen auch
der schwarze, weiche Vollbart gefiel.

So wurde der schöne Roman geheiratet.

Er hatte in der Folge eine gut eingerichtete
Wohnung, eine reiche, viclbewunderte Frau,
das Gefühl, schön und wegen dieser Schönheit
ausgezeichnet, erwählt worden zu sein, er be-
kam, weniger dank eigenem Können als viel-
mehr infolge der Beziehungen feiner Frau,
Aufträge, blickte süß, bläßlich und ein wenig
fade in die Welt und war zufrieden. Nicht
so die Frau, denn der schöne Vollbart tat
es auf die Dauer doch nicht. Der gute Huber
hatte fo gar nichts Dämonisches an sich, und
so wurde sie seiner herzlich überdrüssig. Nach
drei, vier Jahren war sie entschlossen, ihn
wieder los zu werden, koste eS, was es wolle.
Sie wäre sicher früher schon so weit ge-
kommen, wenn nicht die blmstände ihres Sich-
Findens zu ausnehmend gewesen wären, so
ausnehmend, daß, wenn er ihr jetzt langweilig

wurde, dies immerhin einen blamablen Bei-
geschmack hatte.

Die Frau zog Freundinnen ins Haus, es
wurlte nur so und lachte und ging aus und
ein wie in einem Daubenschlag. Roman, der
Held, dazwischen, der schöne Mann, der
Angeschwärmte. Er umhüllte sie alle mit
seiner weichen Stimme, den süßen Blicken,
den teilnehmenden Fragen, verwunderten,
entzückten Ausrufen, mit der ganzen, ver-
heißungsvollen Fürsorge, die Frauen so gerne
mögen, >daß alle -ihn liebten, ihn ihn! Aber
. . . weiter war nichts. Er begnügte sich,
war zu sehr guter Ehemann, zu sehr zu-
frieden, zu sehr Durchschnitt.

Die Frau war verzweifelt. In ihrer Not
beorderte sie Lizzie. Lizzie war so recht das
Mädchen der Zeit; Sportgirl; sie war sogar
einmal zu den 'Ausscheidungskämpfen im
Tennisklub zugelassen worden und nur durch
eine Indisposition nicht bis zur Spitze vor-
gedrungen.

Aber auch Lizzie versagte. Sie und Roman
gingen in den Klub, ins Theater, unter-
nahmen Autotouren, bei denen mitzufahren
die Frau Huber im letzten Augenblick ver-
hindert war. blmsonst. Roman ließ sich die
Bewunderung LizzieS gefallen, sie tat ihn,
wohl, er nahm sie hin als etwas ihm, dem
Künstler, Gebührendes, gepflegt wie er war,
mit seinem Bart und den weißen Händen,
doch er -dachte gar nicht daran, daß dies alles
ihn zu etwas verpflichte.

Lizzie trat ab. Die Frau war in Ver-
zweiflung. Da, ein letzter Rat: Gehen Sie

zu Argus!
r Ji 11 z ci u in C», >-7 s,

0 5 Argus, was ist das?

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Register
Franz Baum: Der Historiker
Steffi Kohl: Freundinnen
Florian Seidl: Der schöne Mann
 
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