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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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J

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3 5. JAHRGANG

G

E

N

D

1 9 3 0 / NR, ;

DIE KANONE

^aö Warenhaus Rubbish Brothers Ltd.
hatte einen Verkäuferposten ausgeschrieben,
nur allererste Kraft, vorzustellen zwischen
zehn und zwölf, DirektionSabteilung II.

Joshua Rubbish, einer ber brotherS, der
die Personalabteilung unter sich hatte, saß
mißmutig in seinem Klubsessel, hatte die Beine
aus -dem Schreibtisch liegen, rauchte die drei-
undzwanzigste Virginiazigarette und fertigte
den 72g. Bewerber um den ausgeschriebenen
Verkäuferposten ab.

Wenn die Bewerber zu Ende gesprochen
hatten, verlor Joshuas Gesicht den geheuchel-
ten Ausdruck von Aufmerksamkeit, und er
sagte kurz und beschäftigt: „Sie werden von
uns hören" oder „Wir werden Ihnen schrift-
lich Mitteilung geben".

Nein, das war alles nichts, was sich da
anbot, alles Durchschnitt, Unterdurchschnitt!
WaS Rubbish Ltd. brauchten, das war eine
Kanone, das war ein Verkäufer, der eS
fertig brachte, einem Käufer statt des
gewünschten einzelnen Schnürsenkels
einen ganzen Posten Schuhe zu
verkaufen, jenen verdammten
Posten linker Schuhe, auf
dem Rubbish Ltd. dank der Dumm-
beit von Ben Rubbish, dem Ein-
käufer des Hauses, und dank der
verruchten Tüchtigkeit des Reisenden
der Schuhfabrik Swindle and LiarS
bängengoblieben war. Die ganze
Konkurrenz wußte Bescheid über
diesen blöden Einkauf, und das HauS
Rubbish war bereits der Gegenstand
vieler Witze gewesen. Rubbishshatten
eine namhafte Prämie auSgesetzt für
denjenigen ihrer Verkäufer, der den
Posten linker Schuhe losschlagen
würde. Aber diese Hornochsen waren
nicht einmal imstande, Schuhe
paarweise zu verkaufen, geschweige
denn einzelne linke Schuhe. Joshua
Rubbish zündete sich in denkbar
schlechtester Laune die vierund-
zwanzigste Virginia an. Gott, was
hatten sie dem Reisenden von
Swindle and LiarS alles geboten,
wenn er zu ihnen herüberwechseln
wollte. Zwanzig, dreißig, fünfzig
Prozent mehr als bei Swindle.

Nichts zu machen gewesen, der
Mann war Swindle and LiarS treu
geblieben. Ja, der hätte mit dem
kleinen Finger, mit dem kleinen Finger

VON

PAUL A LT HAUS

hätte der abends nach Feierabend, bloß so
zum Spaß hätte der dem Käufer eines ein-
zelnen Schnürsenkels den ganzen Restposten
linker Schuhe angedreht, der Reisende von
Swindle and LiarS.

Joshua Rubbish warf wütend die eben
angerauchte Virginia weg, zündete sich die
fünfundzwanzigste an und ließ einen gerun-
zelten Blick über den gerade eingetretenen 76-f.
Bewerber gleiten. DaS war ein harmlos
aussehender, nichtssagender junger Mann.
„Pepper" stellte sich der junge Mann vor.
Gerade diese NichtSsagenheit, das Typische
an diesem jungen Mann brachte Joshua
Rubbish in Harnisch. Er mußte ein Opfer-
haben. „So — Pepper! Wollen mal sehen,


jl ii d e r ^ r a m b a h 11

was für eine Sorte Pepper Sie sind, junger
Mann. Konnnen Sie mal mit, Herr Pepper,
wir haben in unserer Schuhabteilung ein
Scherzchen für Sie, Herr Pepper. Daran
können Sie zeigen, ob Sie unseren Anfor-
derungen gewachsen sind oder nicht, Herr
Pepper", sagte Joshua Rubbish mit einem
Hohn in der Stimme, der jedem anderen als
Herrn Pepper das Herz hätte unbedingt in
die Hosen sinken lassen. Die beiden begaben
sich in die Schuhabteilung von Rubbish. Weiß
der Kuckuck, da stand, als wäre es eine
Fügung, gerade ein Mann vor dem Verkaufs-
tisch für Schnürsenkel und verlangte einen
einzelnen Schnürsenkel. Der unglückselige
Verkäufer hinter dem Ladentisch bemühte sich
unter Aufwendung seiner gesamten llber-
redungSgabe, dem Mann den berüchtigten
Restposten linker Schuhe anzudrehen. Laut
Instruktion pries er seinem -Opfer die
fabelhafte Billigkeit, mit der das Waren-
haus Rubbish Ltd. durch einen
äußerst günstigen Einkauf zurzeit
in der Lage und imstande sei,
seinen werten Kunden einzelne linke
Schuhe verkaufen zu können. Der
Schnürsenkelkäufer zeigte sich aber
einzelnen linken Schuhen gänzlich
abgeneigt und ging. — „Wie
würden S i e das machen? Wir
haben da einen Posten linker Schuhe
eingekauft und ..." begann Joshua
Rubbish. „Weiß schon, habe schon
gesehen, bin schon im Bilde", ent-
gegnete Mr. Pepper, „davf ich
bitten?" bind dann begab er sich
hinter den Ladentisch: „So bitte,
womit kann ich dienen?" Joshua
Rubbish sagte halb belustigt, halb
gespannt, was nun folgen würde:
„Einen Schnürsenkel". — „Sehr
wohl", dienerte Mr. Pepper, „für-
braune oder für schwarze Schuhe?"
„Für braune Schuhe", sagte Joshua.
Mr. Pepper holte mit gewinnendem
Lächeln einen Schnürsenkel hervor.
„Ich empfehle Ihnen", begann er,
„diesen un-ver-wüst-lichen (dabei
zerrte er zum Beweise der Unver-
wüstlichkeit den Schnürsenkel aus-
einander, wobei dieser -zerriß) —
teilbaren Schnürsenkel. Diese
teilbaren Schnürsenkel sind eine
Spezialität unseres Hauses. Unser
Haus hat diese Type Schnürsenkel
Register
H. J. v Nolcken: In der Trambahn
Peter Paul Althaus: Die Kanone
 
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