J U G E
35. JAHRGANG
N D
1 9 3 0 i N R. 8
ff a-
CJachi
m£s-
niermess&o
fren ersten Tagen des diesjährigen
Münchener Faschings lernte ich Mnni kennen.
MimiS sind stets verliebte, den Realitäten des
Lebens gegenüber etwas hilflose Geschöpfe mit
einem starken Trieb gnu Anhänglichkeit, der
auf ONänner, die sich im Leben umtun wollen,
mitunter sogar unerfreulich wirkt. ,jn
München werden alljährlich fünfnndneunz.ig
Prozent Mädchen falsch getauft, denn ihre
seelischen Eigenschaften und kalten Händchen
berechtigten sie zu dem Namen Mnni. Als
ich die zu Recht getaufte Mimi zum ersten-
mal sichtete, stand sie mir gegenüber auf der
Plattform eines Straßenbahnwagens. Lim
aufrichtig zu fein, und ohne meiner später
einselenden Herzensneigung vorauseilen zu
wollen: Mimi sah wenig bedeutungsvoll vor
sieh hin. Ihr abgetragenes Peluche-Ntäntel-
chen imitierte mit Hilfe dekorativer Anordnung
gelber Ringe das Fell einer auSgestorbenen
Jaguar-Spezies, und nur ein himbeerfarbenes
Mollmntzchen vermochte den ängstlichen Ge-
danken an die Bestie zu verwischen. Als
Ndimi aussteigen wollte, klemmte sich die
Schiebetüre. Ich war behilflich, und dabei
traf mich ein Blick — —! Diese Blicke,
schwarz und feucht wie Heidelbeerkompott,
sind et man außer bei Münchener Mädchen
VON A. WISBECK
nur noch bei prominenten Hawaundianerinnen.
Sie sangen das Herz selbst eines starken
Mannes mit Milde in sich ein und wirken
gerade dadurch auf seelisch tief veranlagte
Naturen stärker als sogar der dämonische
Pupillenstich der Berlinerin. — Obschon einer
höheren Tarifklasse angehörend, folgte ich
unter Nichtachtung geldlichen Verlustes dem
feuchten Blick und ging hinter dem Moll-
mützchen her. — Ich übergehe die gewohn-
heitsmäßig diskrete Art ehrbarer Annäherung
and fetze erst dort wieder ein, wo unsere
gegenseitige Zuneigung, um nicht zu sagen
Liebe, keinem Zweifel mehr unterlag. Jugend
schützt eben selbst während des Faschings nicht
vor Torheit. Im übrigen war Mimi achtzehn
Jahre alt und in der Vorstadt Haidhausen
beheimatet.
„Als was soll ich gehen?" fragte mich Mnni
eines Tages, denn ihr bisheriges Dirndl-
gewand erwies sich infolge übermäßiger In-
anspruchnahme beim Drah n in den Nähten
als nicht mehr ganz lebensfähig. ONan joll
den Fragenkomplex, der sich nun die Wahl
einer geeigneten Maske entwickelt, nicht nnter-
schätzen. Nicht selten hängt das Glück eines
ganzen Menschenlebens 'davon ab, und eine
falsch gewählte Maske kann in schweren
Fällen zarte Bindtmgen bereits im Keime
wieder ersticken. Meine lange 'Überlegung
war desbalb wohl berechtigt, b Mimi
35. JAHRGANG
N D
1 9 3 0 i N R. 8
ff a-
CJachi
m£s-
niermess&o
fren ersten Tagen des diesjährigen
Münchener Faschings lernte ich Mnni kennen.
MimiS sind stets verliebte, den Realitäten des
Lebens gegenüber etwas hilflose Geschöpfe mit
einem starken Trieb gnu Anhänglichkeit, der
auf ONänner, die sich im Leben umtun wollen,
mitunter sogar unerfreulich wirkt. ,jn
München werden alljährlich fünfnndneunz.ig
Prozent Mädchen falsch getauft, denn ihre
seelischen Eigenschaften und kalten Händchen
berechtigten sie zu dem Namen Mnni. Als
ich die zu Recht getaufte Mimi zum ersten-
mal sichtete, stand sie mir gegenüber auf der
Plattform eines Straßenbahnwagens. Lim
aufrichtig zu fein, und ohne meiner später
einselenden Herzensneigung vorauseilen zu
wollen: Mimi sah wenig bedeutungsvoll vor
sieh hin. Ihr abgetragenes Peluche-Ntäntel-
chen imitierte mit Hilfe dekorativer Anordnung
gelber Ringe das Fell einer auSgestorbenen
Jaguar-Spezies, und nur ein himbeerfarbenes
Mollmntzchen vermochte den ängstlichen Ge-
danken an die Bestie zu verwischen. Als
Ndimi aussteigen wollte, klemmte sich die
Schiebetüre. Ich war behilflich, und dabei
traf mich ein Blick — —! Diese Blicke,
schwarz und feucht wie Heidelbeerkompott,
sind et man außer bei Münchener Mädchen
VON A. WISBECK
nur noch bei prominenten Hawaundianerinnen.
Sie sangen das Herz selbst eines starken
Mannes mit Milde in sich ein und wirken
gerade dadurch auf seelisch tief veranlagte
Naturen stärker als sogar der dämonische
Pupillenstich der Berlinerin. — Obschon einer
höheren Tarifklasse angehörend, folgte ich
unter Nichtachtung geldlichen Verlustes dem
feuchten Blick und ging hinter dem Moll-
mützchen her. — Ich übergehe die gewohn-
heitsmäßig diskrete Art ehrbarer Annäherung
and fetze erst dort wieder ein, wo unsere
gegenseitige Zuneigung, um nicht zu sagen
Liebe, keinem Zweifel mehr unterlag. Jugend
schützt eben selbst während des Faschings nicht
vor Torheit. Im übrigen war Mimi achtzehn
Jahre alt und in der Vorstadt Haidhausen
beheimatet.
„Als was soll ich gehen?" fragte mich Mnni
eines Tages, denn ihr bisheriges Dirndl-
gewand erwies sich infolge übermäßiger In-
anspruchnahme beim Drah n in den Nähten
als nicht mehr ganz lebensfähig. ONan joll
den Fragenkomplex, der sich nun die Wahl
einer geeigneten Maske entwickelt, nicht nnter-
schätzen. Nicht selten hängt das Glück eines
ganzen Menschenlebens 'davon ab, und eine
falsch gewählte Maske kann in schweren
Fällen zarte Bindtmgen bereits im Keime
wieder ersticken. Meine lange 'Überlegung
war desbalb wohl berechtigt, b Mimi