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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 8 (Jugend schützt vor Torheit nicht)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0120
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J- Fenneker

U !i) d) u I d

„Glaub mir s, Kindchen, im Fasching gibt S über h a u p t feine Sünde!"
„Atzt i Hab mir denkt, gräd' d a ging's recht w-nid zua."

Da spucken Flammenquellen Lichtergarben
In -des GewogeS ungestümen Drang.

Da fressen wechselseitig sich die Farben
2fm wilden Wettbewerb die Wand entlang.
Verkrampfte Menschenknäuel treiben irrend
Im Meer der Lust umher, und sinnvenvirrend,
Wie Schlangen winden Beine sich um Beine,
Arme um Arme, Schultern, Brust und Hals,
Und schrille Schreie stiegen hoch, wie Steine,
llnd klatschen an die Wände jähen Pralls.
Heißhungrig, osten oder auch im stillen
Verschlingen sich erweiterte Pupillen.
Erotisches Getön durchzuckt die Räume,
Kriecht uns ins Ohr und kitzelt unser Hirn:
Run schlägt dasHerz die tollsten Purzelbäume,
Und pralle Adern springen auS der Stirn'.
Die heis'ren Hunde uns'rer Süchte bellen
llnS heftig an und suchen uns zu fällen.
Indem wir aber in der Spannung harren,
Bis uns das grelle Morgenlicht entstellt,

Und die Scharniere uns'rer Knie knarren,

So schlägt der Schlaf die — Sünde ans dem

Feld!

WaS soll uns nun der Riesenaufwand nützen?
Die Jugend kann uns nicht vor Torheit schützen!

Beda Hafen

„Ach, der ganze Fasching ist langweilig!"
rief Britta, und räkelte sich auf der Ottomane,
„wissen Sie, Fritz, bei meinem sprühenden
Temperament, meiner stammenden Lebensgier,

meinem Feuer-"

„Sollten Sie unbedingt den Rtaskenball
der Berufsfeuerwehr besuchen!"

Teha

Kurt Werth

G e s p r ä ch Sfetz e u
„Weißt du, schöner Rtann, heute wäre ich
iuistande, eine Torheit zu begehen."

„Bewahre diesen guten Vorsatz über die
Polizeistunde hi na u S!"

VON G.

Motto: Es kommt nicht öavauf an, was
du tust, sondern, wie es ausgeht.

Bis zu jenem verhängnisvollen Tage uw
Susi ein unbescholtenes Mädchen gewesen.
Doch damals hing ihr Hemd an einer Laterne.

Der Tatbestand war harmlos. Doch das
wußte nur sie selbst. Die llbrigen lächelten.

Atelierfest in Schwabing. Darunter ver-
steht man Tan;, bequeme Sitz- und Liege-
gelegenheit. Und möglichst leichte Bekleidung.
Dieses Fest hieß Pyjamafest, wurde allen
diesen Anforderungen gerecht und verlangte
kein kostspieliges Kostüm. Susi kam pflicht-
getreu mit einem fvischgewa scheuen Objekt
beladen. Sie wollte sich erst dort umziehen.

verloj'ene v/ / torai

Günther

Denn Mutter sind ohne Schwabing aus-
gewachsen, oder sie haben es vergessen. Und
da Susi, wie schon erwähnt, bis zu diesem
Abend streng moralischen Grundsätzen huldigte,
so brachte sie außer dem Pyjama auch ein
Hemd mit. Ein durchsichtiges, seidenes Hemd-
chen zwar, aber ein Hemd war es doch.
„Damit man nichts durchsieht", sagte sie zu
sich selbst. Es wäre einiges zu sehen gewesen,
allerdings. Rlanch Schwabinger hätte über
dieses Rastinement gestaunt.

Aber es kam nicht dazu. In der „Damen-
garderobe", die aus einem Paravant bestand,
kam Susi plötzlich das moralische Kleidungs-
stück abhanden. Das heißt: es war einfach

121
Register
Gretel Günther: Susi oder die verlorene Moral
Kurt Werth: Gesprächsfetzen
Josef Fenneker: Unschuld
Beda Hafen: Höhepunkt und Abstieg
Teha: Faschings-Dialog
 
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