nicht da, als es gebraucht wurde, und konnte
nicht gesunden werden. Sie -suchte und suchte
— bis die „Dameng ard e r ob e" von den Herren
benötigt wurde. Da ging sie zögernd und
„ohne".
Aber, sensationslüsterne Leser, ich muß euch
melden, >daß der wirklichen Moral Susis auf
diesem denkwürdigen Schwabinger Fest nichts
geschehen ist. Küsse — nun, die spielen bei
so einer Gelegenheit keine Rolle. Sie sind
beinahe so unpersönlich wie die Eintrittskarte.
Auch mit besagtem Hemd haben sie nichts zu
tun. Ich weiß nicht, lag es an Susis Vor-
leben? 'An der Müdigkeit der Schwabinger?
(Es war die dritte durchtanzte Nacht.) Oder
an der Dunkelheit, wo man das „ohne" gar
nicht bemerkte? Jedenfalls, dies steht fest:
Susi tanzte. Susi machte Gaudi. Susi erhielt
den zehnten LiebeSantrag des Dichters Dauer-
brand. Es ist nicht festzustellen, ob auch Susi
es, wie der sensationslüsterne Leser, bedauerte,
daß sonst nichts, wirklich nichts zu erzählen ist.
Das Verhängnis kam erst mit dem Mor-
gen. Da ging Susi, bleich und übernächtig,
begleitet von vier Bleichen, Übernächtigen,
nach Hause, Unterwegs aber hing an einer
bleichen, übernächtigen Laterne, beim Schein
des ersten morgendlichen Schimmers, ein Hemd.
Ein kurzes, entzückendes, dünnes Frauen-
hemdchen mit rosa Bändern. Zehn Augen
sahen es an. Bleich und übernächtig. Aber
plötzlich schien Susi zu erwachen. „Mein
Hemd! Mein verlorenes Hemd!" schrie sie
aus. Da erwachten auch die acht Männer-
augen und glotzten erstaunt. Der Dichter
kletterte aus die Laterne. Der Arzt hielt sie,
die Laterne. Der Kritiker schrie konstatierend:
„Es ist wirklich ,Sus? eingestickt! Also-!"
Und irgend etwas schien ihm leid zu tun. Der
Maler seufzte weich und gerührt: „Ein rosa
Schleischen!" — Und damit war Susis ver-
lorene Moral besiegelt. Wütend schaute einer
zum andern, und jeder dachte vom Freund:
„Feind!" Und während Susi Fr enden tränen
des Wiedersehens mit dem zurückgekehrtcn
Hemdchen vergoß, dachten Dichter, Arzt,
Kritiker und Maler: „Das nächste Mal —!!"
Dieser angefangene Dag und die ange-
fangene Geschichte enden mit einein Duell, das
zwischen Vieren vereinbart wurde, dessen
A n t i k c Szene
„Komm', Kleopatra, lass' uns eine Perle in Wein auflösen!"
„Bezahle erst mal die Weißwürste, Antonius!"
„So Mimi, und jetzt stellen wir uns noch dümmer,
als wir sind, daniit die Männer glauben können,
sie seien gescheiter als wir!"
Dermin aber alle verschliefen. Erfreulich
endigte sie mit der Novellette des Dichters
Dauerbrand in der Tageszeitung: „Susi oder
die verlorene Moral", die Susi ein Bett im
Schoß der Boheme setzte, und den Grundstein
bildete für Susis neue, unmoralische Lebens-
spanne. Im übrigen ermöglichte das erhaltene
Honorar, daß Dauerbrand Susi zu einem
üppigen Abendessen einladen konnte.
len
Wir wollen also wieder bummeln
Mit übernächtigem Gesicht.
Wir wollen uns im Tanze tummeln
Wie Spargel in der Dose dicht.
Wir wollen wieder saschingSrummeln,
Weil es der Jahreszeit entspricht.
Wir glauben gern den: Münchner Kindl
Auch dieses Jahr den Faschings-Schwindel.
Wir wollen wieder rendezvouzen
Mit Odaliskinnen von Dietz.
Wir lvollen uns mit allen duzen
Ermangelnd jeden Unterschieds.
Wir lassen wiederum uns uzen
Vom Zauber jenes Grenzgebiets,
In dem, waö wir nicht sind, zu scheinen,
Doch wenigstens wir selber meinen.
Wir trinken eine letzte Flasche,
Die unser letztes Geld bezahl.
Wir schließen auS der leeren Tasche
Auf ein gehabtes Bacchanal.
Wir schwören tief in Sack und Asche,
Es sei gewiß das letzte Mal,
Und — dies ^ ist das Sonderbare —
Wir fchw '^em Jahre.
Moritz
122
nicht gesunden werden. Sie -suchte und suchte
— bis die „Dameng ard e r ob e" von den Herren
benötigt wurde. Da ging sie zögernd und
„ohne".
Aber, sensationslüsterne Leser, ich muß euch
melden, >daß der wirklichen Moral Susis auf
diesem denkwürdigen Schwabinger Fest nichts
geschehen ist. Küsse — nun, die spielen bei
so einer Gelegenheit keine Rolle. Sie sind
beinahe so unpersönlich wie die Eintrittskarte.
Auch mit besagtem Hemd haben sie nichts zu
tun. Ich weiß nicht, lag es an Susis Vor-
leben? 'An der Müdigkeit der Schwabinger?
(Es war die dritte durchtanzte Nacht.) Oder
an der Dunkelheit, wo man das „ohne" gar
nicht bemerkte? Jedenfalls, dies steht fest:
Susi tanzte. Susi machte Gaudi. Susi erhielt
den zehnten LiebeSantrag des Dichters Dauer-
brand. Es ist nicht festzustellen, ob auch Susi
es, wie der sensationslüsterne Leser, bedauerte,
daß sonst nichts, wirklich nichts zu erzählen ist.
Das Verhängnis kam erst mit dem Mor-
gen. Da ging Susi, bleich und übernächtig,
begleitet von vier Bleichen, Übernächtigen,
nach Hause, Unterwegs aber hing an einer
bleichen, übernächtigen Laterne, beim Schein
des ersten morgendlichen Schimmers, ein Hemd.
Ein kurzes, entzückendes, dünnes Frauen-
hemdchen mit rosa Bändern. Zehn Augen
sahen es an. Bleich und übernächtig. Aber
plötzlich schien Susi zu erwachen. „Mein
Hemd! Mein verlorenes Hemd!" schrie sie
aus. Da erwachten auch die acht Männer-
augen und glotzten erstaunt. Der Dichter
kletterte aus die Laterne. Der Arzt hielt sie,
die Laterne. Der Kritiker schrie konstatierend:
„Es ist wirklich ,Sus? eingestickt! Also-!"
Und irgend etwas schien ihm leid zu tun. Der
Maler seufzte weich und gerührt: „Ein rosa
Schleischen!" — Und damit war Susis ver-
lorene Moral besiegelt. Wütend schaute einer
zum andern, und jeder dachte vom Freund:
„Feind!" Und während Susi Fr enden tränen
des Wiedersehens mit dem zurückgekehrtcn
Hemdchen vergoß, dachten Dichter, Arzt,
Kritiker und Maler: „Das nächste Mal —!!"
Dieser angefangene Dag und die ange-
fangene Geschichte enden mit einein Duell, das
zwischen Vieren vereinbart wurde, dessen
A n t i k c Szene
„Komm', Kleopatra, lass' uns eine Perle in Wein auflösen!"
„Bezahle erst mal die Weißwürste, Antonius!"
„So Mimi, und jetzt stellen wir uns noch dümmer,
als wir sind, daniit die Männer glauben können,
sie seien gescheiter als wir!"
Dermin aber alle verschliefen. Erfreulich
endigte sie mit der Novellette des Dichters
Dauerbrand in der Tageszeitung: „Susi oder
die verlorene Moral", die Susi ein Bett im
Schoß der Boheme setzte, und den Grundstein
bildete für Susis neue, unmoralische Lebens-
spanne. Im übrigen ermöglichte das erhaltene
Honorar, daß Dauerbrand Susi zu einem
üppigen Abendessen einladen konnte.
len
Wir wollen also wieder bummeln
Mit übernächtigem Gesicht.
Wir wollen uns im Tanze tummeln
Wie Spargel in der Dose dicht.
Wir wollen wieder saschingSrummeln,
Weil es der Jahreszeit entspricht.
Wir glauben gern den: Münchner Kindl
Auch dieses Jahr den Faschings-Schwindel.
Wir wollen wieder rendezvouzen
Mit Odaliskinnen von Dietz.
Wir lvollen uns mit allen duzen
Ermangelnd jeden Unterschieds.
Wir lassen wiederum uns uzen
Vom Zauber jenes Grenzgebiets,
In dem, waö wir nicht sind, zu scheinen,
Doch wenigstens wir selber meinen.
Wir trinken eine letzte Flasche,
Die unser letztes Geld bezahl.
Wir schließen auS der leeren Tasche
Auf ein gehabtes Bacchanal.
Wir schwören tief in Sack und Asche,
Es sei gewiß das letzte Mal,
Und — dies ^ ist das Sonderbare —
Wir fchw '^em Jahre.
Moritz
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