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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0739
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JUGEND

cJn den billigen If)aufer

n

Wie sind in den billigen Häusern die Stiegen,
die Stuben der Huren verwinkelt und klein;
die Türstöcke morschen, es summen die Fliegen,
und wacklig gefügt sind die Fliesen aus Stein.
Die Luft ist vom Holzhauch der Sägemehlhaufen
ganzsauer,schwarzstehnvordenFensterndieTraufen

V CTN THEODOR KRAMER

Verbeult ist das Lager, zerschlissen sein Leder,
das schwärzliche Seegras zerkrümelt zu Staub;
im Einsatz ächzt spröd die gesprungene Feder,
sacht biegt sich im Kelchglas das wächserne Laub.
Die Wand ziert ein Fächer, im Korb liegt die Leine,
ein Hampelmann spreizt überS Bord seine Beine.

Zerfranst ist der Läufer, eS sehn unterm Kissen
des Diwans die kleinen Behelfe hervor:
ein Bündel von Riemen, geknickt und zerschlissen
vom häufigen Knoten, ein spanisches Rohr,
lllnd altes Gemisch aus vertrockneter Tube
und Linnen, zumWeinen schal,ziehtdurch dieStube.

Die Dame mit meinem Gesicht

Ich war damals Gehilfe auf einem Küsten-
kauffahrer. Die „Madonnina", ein gebrechlicher
Segler, hielt den Kurs auf Sizilien, blnser
Hauptgeschäft war der Umtausch von Olivenöl
für Getreide, oder auch kunterbuntes, miserables
Stostzeug. Der Alte war ein tüchtiger Auf-
schneider, wir mußten Kapitän zu ihm sagen.
Er erzählte jedem, daß er mich aus einem Mar-
seiller Kaufhaus wegengagiert hatte. So gut
gestel ich ihm. Ich verkaufte viel, er konnte also
auch zufrieden sein. Das Metier verstand ich im

VON LIBERAT KORN

Nu. Wenn ich das Öl in die Kannen abfüllte,
ließ ich es in einem so eleganten, weiten Bogen
auS dem Schnabel schießen, daß die Weiber auf-
kreischten. DaS gestel mir, aber das Leben auf
den schmierigen Planken war unerträglich. Wir
schliefen unserer vier in einer winzig-kleinen
Kabine, die voll mit Heiligenbildern auSgeklebt
war. Lippo, eine Art Lehrbub, kochte uns die
Polenta für den ganzen Tag und dem Alten sott
er täglich ein Huhn. Mittschiffs, um den Haupt-
mast, lungerte er auf einem wracken Liegestuhl,

den er, wie mir Saratti erzählte, eines Nachts
von einem Badestrand arretierte. So einer war
also mein Kapitän und außerdem zahlte er mir
die Derkaufsprovision nicht, die wir als Ent-
lohnung auSmachten.

Da liefen wir also einmal an einem Sonntag
nachmittag in den Hafen eines Badeortes ein.
Die „Madonnina" war etwas romantisch in
ihrer altmodischen Zerfallenheit, sie lockte die
Neugierde der Fremden und einige Herren
zückten die Apparate.
Register
Albert Burkart: Toreingang des Hüttenwerkes
Theodor Kramer: In den billigen Häusern
Liberat Korn: Die Dame mit meinem Gesicht
 
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