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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 47
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KulturbolschewiSmuS
„Als moderner Mensch lehne ich jede Duellforderung ab."
„Ah, ooch schon Kulturbolschewist?!"

die einen abstrakten scharfen Reiz aussandten.
Mit kleinem Seufzer richtete mein Nebenmann
sich zusammen; beachtete mich jetzt gar nicht
mehr, sondern saß, in ununterbrochenem Kon-
takt mit dem Auktionator, zielgespannt und ab-
geschlossen neben mir und überbot mich.

Ich nahm die Lage so spaßig, wie sie war.
Ich riskierte nichts; faktische Kaufkraft hatte
ich für 3,50 Mark; konnte aber bis 700 000
ruhig mitgehen. Ein Nembrandt, der vor vier
Jahren 900 gebracht hatte, war für dieses
Abenteuer sicher genug. So wurde es ein ruhiges
fachmännisches Duell. Wir waren bei 630;

Fortsetzung Seite 747-

SI) as gar nidht Jo freudiö

Sr

’eignis

Fräulein Pepita, das mondäne Tanzgirl,
mußte eines Tages die unliebsame Entdeckung
machen, daß ihr Verhältnis mit dem Bank-
direktor nicht ohne Folgen geblieben war. Sie
inszenierte so lange hysterische Weinkrämpfe, bis
ihr der Freund und Gönner fünf Hundert-
schillingscheine auf den Tisch legte, damit sie sich
aus übliche Weise von dem unerwünschten
Erdenbürger in 8pe befreien lasse.

Pepita ging zu einem Arzt und bot ihm
hundert Schilling für den Eingriff. Der Doktor
aber wollte es nicht unter fünfhundert machen.

Die Schwangerschaftsunterbrechung — sagte er
— sei nach dem geltenden Gesetz immerhin ein
Verbrechen und im Hinblick aus sein großes
Risiko seien fünf Hunderter durchaus angemessen.

„Sie machen's also wirklich nicht billiger?"
fragte Pepita, mit einem drohenden blnterton in
der Stimme.

„Nein!"

„Schön, Herr Doktor, dann werden Sie an
mir nicht reich werden! Ehe ich Ihnen das viele
Geld zahle, kauf ich mir lieber dafür zwei neue
Abendkleider und trag' den verflixten Bankert
aus!!!" Salpeter

Rahmen einer Wiener Wählerversamm-
lung der „Demokratischen Mittelpartei" hielt
der Parteiobmann, Hofrat Klang, eine zündende
Wahlrede, in der er sämtliche Gründe anführte,
warum ein liberaler Demokrat weder den
faschistischen Christlichsozialen noch den Mar-
xisten seine Stimme geben dürfe.

„Meine verehrten Wähler und Wählerin-
nen", schloß der Herr Obmann seine Rede,
„wenn Sie mich nun fragen: ,Wen sollen wir
also wählen?', dann antworte ich 2$>nen dar-
aus: Warten Sie zu! Denn die endgültige Ent-
scheidung, ob wir Demokraten uns an den
deutschnationalen Schoberblock oder an die
Zionisten anschließen, ist noch nicht gefallen!"

Spt.

1 lotJcLrei eines nationalen
Qjdannes

Hast du Worte?

Hast du Töne?

Hast du sowaS schon gehört?

Adolf, dieser männlich schöne
Arier mit dem Racheschwert,

Adolf, Kämpfer bis aufs Messer —
Adolf ward zum Pazifisten!
blnd er sagt, man täte besser,
ab-, als egal aufzurüsten!

Hast du Töne?

Hast du Worte?

Kann denn sowaS möglich fein?

Adolf, Teutscher bester Sorte,
bläst jetzt friedliche Schalmein
und wirft fort die Kriegsdrommeten!
Welch ein Wandel, welch ein jäher!
Adolfs Teutomut ging flöten.

Adolf ward ein Europäer!

Wie denn? Was denn?

Herrgottsakra!

Wer ist nun noch national?

Wer macht nun noch ein Massaker?

Potz Geklirr und Wogenprall!

Wem — frag ich vor aller Welt —
soll der deutsche Mann noch trauen,
wenn auch Adolf will als Held
seinen Kohl im Frieden bauen?

Hans Seiffert

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Register
Karl Rössing: Kulturbolschewismus
Salpeter: Das gar nicht so freudige Ereignis
Spt.: Markante Politiker
Hans Seiffert: Notschrei eines nationalen Mannes
 
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