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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 47
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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0747
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„Völker Europas, helft mir, in diesem Zeichen den Bürgerkrieg zu beenden I

daß vielleicht in dieser gleichen Sekunde, in
irgend einem VorstadthauS, ein eifersüchtiger
Kerl seiner Geliebten eine Bierflasche an den
Kops werfen mochte, lllnd sie dachte nicht ohne
Neid an jene Unbekannte, die eS nicht mit einem
Psychologen zu tun hatte. Ihre Schultern
zitterten, als ob sie fröre. „Schau, das mußt
du doch einsehen", fuhr Theo fort. „Durch eben
das, was deinem Mann beweisen mußte, daß
btt ihm hörig bisi — kannsi du dir doch nicht
bewiesen haben, daß er dir nichts mehr bedeutet?"

Jetzt lag fast etwas wie Triumph auf seinem
Gesicht. Wieder mußte Evelyne an den Rowdy
mit der Bierflasche denken und an seine Befriedi-
gung darüber, daß er eS der Seinen jetzt „ge-
zeigt" hatte. Ja, Theo hatte es ihr gezeigt
und sie konnte nicht anders, sie mußte eS sehen.
Sie mußte sehen, daß sie nichts war, als eine
arme unglückliche Frau, die verspielt hatte,
die Liebe, daS Glück und auch den Stolz.

„Siehst du das ein?" fragte Theo.

Sie fühlte plötzlich einen unendlichen Haß

gegen diesen Menschen neben ihr. Vielleicht
bloß, weil er nicht der andere war — vielleicht
aber auch, weil er ihr ihren barmherzigen
Betrug nicht gegönnt hatte. Sie haßte ihn und
wollte ihm weh tun, wie er ihr wehgetan hatte,
sie suchte lange nach einem Wort, das ihn treffen
mußte, das eine Wunde schlug, die man nie
wieder gutmachen konnte, nach dem bösesten,
feindseligsten Wort, daS eS gibt, bind schließlich
fand sie eS.

„Du hast vollkommen recht", sagte sie.

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